Roth: Wir sehen hier durchaus eine Möglichkeit der Verwässerung. Es gibt keinen Mindestprozentsatz für den Anteil des Rohstoffs am Produkt. Laut Vorschrift muss der Rohstoff zu 100 Prozent aus Fairem Handel stammen. Darüber hinaus muss er relevant für das Endprodukt sein, wenn das Siegel auf dem Produkt abgebildet werden soll. Hier kommt es auf die genauen Absprachen und Regelungen zwischen Fairtrade und den beteiligten Unternehmen an.
Zusätzlich kann auch das Prinzip des Mengenausgleichs in Kraft treten. Das heißt nach den Kriterien von Fairtrade International, dass für die Verarbeitung von Rohstoffen wie Fairtrade-Kakao auf die physische Rückverfolgbarkeit verzichtet werden kann, wenn durch eine detaillierte Dokumentation nachgewiesen wird, dass der Rohstoff fair gehandelt ist. Wir befürchten hier, dass Verbraucher diese Regelungen nicht mehr nachvollziehen können und sie sich vom Fairen Handel enttäuscht fühlen.
Frage: Laut Fairtrade Deutschland liegen schon erste Kooperationsverträge mit Mars, der Rewe Group, Lidl und Kaufland vor. Wird das neue Kakao-Programm die Absatzchancen für Kleinbauern erhöhen?
Roth: Wenn diese Unternehmen ihre Versprechen einhalten, dann liegt in dem Programm sicher ein verstärktes Absatzpotential. Fairtrade Deutschland erwartet von seinen Partnern einen Drei-Jahres-Plan, der relevante Erhöhungen der Absatzmengen und weitere Ziele zur Unterstützung der Produzenten enthalten soll. Es kommt darauf an, wie ernsthaft die Programme von den Unternehmen letztendlich umgesetzt werden.
Frage: Obwohl der Umsatz von Fairtrade-Produkten seit 10 Jahren stetig wächst, sind die Marktanteile von Fairtrade-Produkten immer noch recht gering. Wie lässt sich das ändern?
Roth: Generell brauchen wir eine stärkere öffentliche Diskussion zu Ernährung und Konsum. Lebensmittel sind Mittel zum Leben. Sie sollten uns daher auch mehr wert sein, zumal ein großer Kosten- und Arbeitsaufwand dahinter steckt. In Deutschland nimmt das Bewusstsein dafür langsam zu, während man in europäischen Nachbarländern deutlich mehr für Lebensmittel allgemein und auch deutlich mehr für fair gehandelte Produkte ausgibt.
Nicht von ungefähr lautet eines der Gesellschafterziele der GEPA, zu kritischem Konsum aufzuklären und zu motivieren. Politisches Engagement und Lobbyarbeit sind ebenfalls unverzichtbar. Das Forum Fairer Handel, das von der GEPA mitgegründet wurde, hat beispielsweise im letzten Jahr die Offenlegung globaler Lieferketten gefordert. Unternehmen sollten dabei für Arbeitsrechtsverletzungen weltweit haftbar gemacht werden. Und nicht zuletzt brauchen wir immer wieder innovative und spannende Produkte, die bei Verbrauchern ankommen und gleichzeitig zeigen, wie man es „anders“ machen kann – unsere erste Schokolade mit fairer Milch aus dem Norden ist da nur ein Beispiel.
Das Interview führte Lena Kretschmann.