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Interdisziplinäres Projekt

Wissenschaftler wollen Korruptionsdenken in Ostkirche erforschen

Regensburg ‐ Korruption ist nur ein Problem von Unternehmen und Staaten? Mitnichten, es betrifft viele Bereiche der Gesellschaft. Die Uni Regensburg nimmt sich für ein Forschungsprojekt nun auch das orthodoxe Christentum vor.

Erstellt: 10.09.2024
Aktualisiert: 10.09.2024
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Forscher der Universität Regensburg wollen dem „Korruptionsdenken“ im orthodoxen Christentum auf den Grund gehen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert das interdisziplinäre Verbundprojekt für die kommenden drei Jahre, wie die Universität am Montag mitteilte. Die Rolle der Religion sei bisher bei diesem Thema nur schwach beleuchtet worden.

Das orthodoxe Christentum als stärkste Glaubensgemeinschaft im östlichen Europa soll den Angaben zufolge ein größeres Korruptionsproblem haben als das katholische und das protestantische westliche Europa. Gleichwohl habe die Orthodoxie ihre eigenen, in den sakralen Texten und in der Tradition verankerten Antikorruptionsvorstellungen. Die Forscher wollen deren Inhalt und Beziehung zu anderen, konkurrierenden Normen deshalb beleuchten.

Antikorruption als Waffe im politischen Kampf

 Seit 2020 gibt es an der Uni das „Regensburg Corruption Cluster“. An ihm beteiligt sind der Historiker Klaus Buchenau (Geschichte Ost- und Südosteuropas), der Sprachwissenschaftler Björn Hansen (Slavische Philologie) und der Betriebswirtschaftler Thomas Steger. Zusammen sind sie sich einig, dass der weltweite Kampf gegen Korruption in eine Sackgasse geraten sei. Das Thema mobilisiere nicht mehr, stattdessen verbreiteten sich Ratlosigkeit und Zynismus, wenn sich verfeindete Lager gegenseitig mit Korruptionsvorwürfen überhäuften.

In vielen Gesellschaften habe sich eine Schere zwischen Antikorruption und Gemeinwohlvorstellungen aufgetan, heißt es. „Lokal wurde Antikorruption jetzt oft als verdeckte Strategie westlicher Dominanz gesehen und der Korruptionsvorwurf zum rhetorischen Geschoss im politischen Grabenkampf degradiert“, so die Wissenschaftler. Ihr Verbundprojekt verstehe sich vor diesem Hintergrund als Reparatur – als Versuch, lokale, kulturell tief verankerte Vorstellungen von Korruption zu verstehen und in die Korruptionsforschung einzuspeisen.

Verankerung in lokalen Vorstellungen notwendig

Den Forschern zufolge ist das Phänomen Korruption zwar universal, jede Gesellschaft hat aber ihre eigene Grenze zwischen legitimen und illegitimen Handlungen. „Eine Antikorruptionspolitik, welche die Bevorzugung nahestehender Personen per se als unmoralisch darstellt, verkennt den Wert, den diese Beziehungen für die Menschen haben, und verpasst damit den Ansatzpunkt für Veränderungen“, schreiben sie.

Dieser Ansatzpunkt könne nicht in der Erwartung liegen, dass Familie und Freundschaft in Windeseile zur „Privatsache“ würden, die nichts mit der Verteilung öffentlicher Ressourcen zu tun habe. Wichtiger sei es, dass eine Gesellschaft persönliche Netzwerke so in das formale Regelwerk einbaue, dass lokale Gerechtigkeitsvorstellungen zufriedengestellt, aber dabei auch Grenzen gesetzt würden und Transparenz bei eventuellen Übertretungen sichergestellt sei.

KNA /dr

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