Symbolbild Sanktionen, Geld hinter Stacheldraht
Nebenwirkung von Strafmaßnahmen

Studie: Menschen sanktionierter Staaten leben kürzer

München  ‐ Wenn Staaten ein anderes Land mit Sanktionen belegen, wollen sie es international ächten. Forscher verweisen nun auf negative Auswirkungen für die Bewohner des Landes. Viele werden ärmer, kränker – und wandern öfter aus.

Erstellt: 17.09.2024
Aktualisiert: 17.09.2024
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Die Bevölkerung sanktionierter Staaten ist laut Forschern messbar ärmer und lebt durchschnittlich kürzer. Außerdem verlieren diese Länder durch die Strafmaßnahmen anderer Staaten zusätzlich an Einwohnern durch Auswanderung, wie die Universität Trier am Freitag mitteilte. Basis ihrer Studie „International sanctions and emigration“ (dt.: „Internationale Sanktionen und Auswanderung“) sind internationale Statistiken.

Die Studie wurde gemeinsam mit der Universität Hamburg erstellt. Die Wissenschaftler beziehen sich darin unter anderem auf Daten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Insgesamt decke der untersuchte Datensatz Migrationsbewegungen aus 157 Herkunftsländern in 32 Zielländer zwischen 1961 und 2018 ab, heißt es.

Umfassende Sanktionen, an denen zumindest die EU und die USA beteiligt sind, führen laut den Ergebnissen im Durchschnitt zum Anstieg der jährlichen Auswanderung um 20 Prozent. Die Studie zeige auch auf, wie Regierungen darauf reagierten. Zum Beispiel habe Kuba 2015 die Möglichkeiten von Medizinern zur Auswanderung gezielt eingeschränkt. Einen Nachweis, dass solche Maßnahmen Migrationsbewegungen systematisch bremsen, habe die Forschungsgruppe allerdings nicht gefunden.

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass Sanktionen nur in solchen Ländern zu einem Anstieg der Auswanderung führen, die die politische Meinungsfreiheit systematisch einschränken“, erklärte der Hamburger Forscher Jerg Gutmann. So fliehen demnach umso mehr Menschen, je stärker eine Regierung deren Meinung unterdrücke.

Mit Sanktionen setzen zahlreiche Staaten andere Länder unter Druck und wollen diese damit zu einer tiefgreifenden Veränderung ihrer Politik veranlassen. Dies habe allerdings auch Folgen für die andere Seite. Von der EU verhängte Sanktionen führen laut Studie zu einem überproportionalen Anstieg der Migration in die EU. „Dies ist eine mögliche Folge von Sanktionen, der sich politische Entscheidungsgremien oft nicht bewusst sein dürften“, betonte der Trierer Wissenschaftler Matthias Neuenkirch.

Die neue Studie trenne wissenschaftlich daher diese konkreten Auswirkungen internationaler Sanktionen von anderen Fluchtursachen. Damit liege nun erstmals eine statistische Analyse zur sanktionsbedingten Migration vor. Die Forscher haben ihre Ergebnisse im Fachjournal „Journal of Economic Behavior & Organization“ veröffentlicht.

KNA