Ein Wegbereiter für Europa und deutsch-französische Freundschaft
Freiburg ‐ Metzger erlebte als Militärpfarrer im Ersten Weltkrieg das sinnlose Sterben von Tausenden Soldaten. Er wurde Pazifist und wandte sich gegen Nationalismus. Damit kam er den Nationalsozialisten in die Quere.
Aktualisiert: 19.03.2024
Lesedauer:
Der von den Nazis ermordete katholische Geistliche und Friedensaktivist Max Josef Metzger (1887-1944) wird bald seliggesprochen. Zu Metzgers Leben und Wirken hat der Freiburger Priester Christian Heß intensiv geforscht. Im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) würdigt er Metzger als Visionär, der auch heute zum Krieg in der Ukraine oder zur aufgeheizten deutschen Debattenkultur viel zu sagen hätte.
Frage: Herr Pfarrer Heß, warum kann Max Josef Metzger bis heute ein Vorbild sein?
Christian Heß: Weil er schon vor fast einem Jahrhundert Themen bearbeitet hat, die bis heute aktuell bleiben. Er forderte als Lehre aus den Kriegsgräueln des Ersten Weltkriegs internationale Abrüstung. Er wandte sich gegen Nationalismus und den Missbrauch von Religion für Krieg und Hass auf den anderen. Mich beeindruckt auch sein Mut und seine Standhaftigkeit, für die er letztlich mit dem Leben bezahlen musste.
Frage: Sie beschreiben Metzger als Patrioten und Pazifisten - wie geht das zusammen?
Heß: Er hat es geschafft, die Treue zu seinem Glauben, zu Deutschland und zu seinen Überzeugungen mit einer großen Offenheit für sein Gegenüber zu verbinden. Auch von dieser Haltung könnten wir heute lernen, wenn der Ton unserer gesellschaftspolitischen Debatten zunehmend unversöhnlich und aggressiv wird.
Frage: Die deutschen katholischen Bischöfe haben Metzger in ihrem jüngsten Friedenswort als Vorreiter der katholischen Friedensbewegung gewürdigt. Was hat er konkret angestoßen?
Heß: Wie so viele seiner Generation hat sich Metzger zunächst vom deutschen Nationalismus begeistern und mitreißen lassen. Er hat dann aber die Grausamkeit und das Leiden des Krieges hautnah erlebt, als er als Feldgeistlicher im Ersten Weltkrieg an der Vogesen-Front war. Im Widerspruch gegen die öffentliche Jubelstimmung hat er dann schnell ein Friedensprogramm formuliert - und wurde damit zum mutigen Friedensaktivisten.
Frage: Wofür trat er konkret ein?
Heß: In seinem Friedensappell von 1917 forderte er, das „nutzlose Blutvergießen auf den Schlachtfeldern“ zu beenden und warnte vor den Folgen eines „sinnlosen Wettrüstens der Völker zu Wasser und zu Land“. Rüstungskredite sollten nur für die Sicherung der Ordnung im eigenen Land erlaubt sein und verbunden werden mit Ausgaben in gleicher Höhe für Kultur und Soziales. Das könnte man naiv nennen – oder visionär.
Frage: Warum gilt Metzger auch als Vordenker für ein versöhntes Europa?
Heß: Als die Gestapo 1943 das von ihm verfasste Memorandum für ein friedliches, demokratisches Nachkriegsdeutschland in einem versöhnten Europa in die Hände bekam, wurde Metzger verhaftet und zum Tod verurteilt. Er konnte nicht mehr erleben, dass weite Teile seiner europäischen Vision mit der Europäischen Union Realität wurden. Ich sehe ihn zudem als Wegbereiter der deutsch-französischen Freundschaft. Zu einer Zeit, als dieses Wort noch gar nicht geprägt war.
Frage: Was hätte er heute zu sagen?
Heß: Er würde ganz sicher ganz genau hinschauen, wen wir heute mit Waffen unterstützen. Er war kein absoluter Pazifist, sondern analysierte die realpolitische Lage genau. Aber ich bin davon überzeugt, dass er klar benennen würde, wer für das Sterben in der Ukraine verantwortlich ist. Und er würde klare Worte in Richtung Putin finden.
„Er würde klare Worte in Richtung Putin finden.“
Frage: Zuletzt gab es aber auch Vorwürfe gegen Metzger, weil er sich antisemitisch geäußert hat?
Heß: Ich möchte da nichts verschweigen oder beschönigen. Aus den 1920er Jahren gibt es Texte, in denen Metzger in die damals weit verbreiteten Anfeindungen gegen Juden einstimmt. Dabei sieht er das Judentum – die „Finanzjuden“ – als Ursache für die verheerende Wirtschaftskrise. Schon 1925 weist er dann in einem Aufsatz auf die Gemeinsamkeiten von Juden und Christen hin: „Ja, ich halte dafür, dass ein Christ, der die Dinge durchschaut, überhaupt kein Antisemit sein kann, ohne Häretiker zu werden.“ Metzger war kein Antisemit. Im Gegenteil: Er betete öffentlich für Juden, als sie von den Nazis verfolgt wurden. Und die von ihm gegründete Gemeinschaft hat in Berlin nachweislich jüdischen Mitbürgern zur Flucht verholfen. Wenn die Gestapo ihn nicht wegen seiner Friedensaktionen verhaftet hätte, dann wegen dieser Unterstützung.
Frage: Wie geht es nun in Freiburg weiter mit der Seligsprechung?
Heß: Weil der Vatikan sein Martyrium aus Glaubensgründen anerkannt hat, ist der Weg für die Seligsprechung frei. Die Planungen liegen nun bei den Verantwortlichen im Erzbistum Freiburg. Ich hoffe, dass die Seligsprechung dazu beitragen kann, Metzger noch bekannter zu machen. Wir sollten ihn nicht auf einen Sockel heben, sondern uns mit seinem Leben beschäftigen, um für die Gegenwart zu lernen.