Aufmacher vermisste Kinder in Indien
Don Bosco auf der Suche nach vermissten Kindern

Irfans Rettung

Bonn ‐ Insgesamt 26 Tage wurde der neunjährige Irfan vermisst. Dann fanden ihn seine verzweifelten Eltern wieder – dank der Polizei und Don Bosco. Der Junge wurde von Fremden verschleppt. Er und seine Eltern sind glücklich, nun endlich wieder vereint zu sein.

Erstellt: 02.09.2023
Aktualisiert: 30.08.2023
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Von Kirsten Prestin/Don Bosco Mission Bonn

Irfan* liebt es den ganzen Tag mit seinem Kreisel zu spielen. An dem Tag im November, als er verschwand, spielte er draußen vor der Hütte der Familie. Die Familie lebt in einem Slum in der südindischen Metropole Bangalore.

Irfans Vater ist Fahrer bei der Müllabfuhr und seine Mutter putzt in einer modernen Wohnanlage in der Nähe des Slums. Wenn die Eltern tagsüber arbeiten, müssen sie Irfan alleine lassen. Bis mittags ist der Neunjährige gewöhnlich in der Schule. Doch während der Corona-Pandemie waren alle Schulen geschlossen.

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Irfan war in sein Spiel mit dem Kreisel vertieft als mittags eine Autorikscha in den Slum kommt. Helfer verteilen ein traditionelles Reisgericht an die Bewohner. Irfan freut sich über das Angebot etwas essen zu können und setzt sich zum Essen in das kleine Fahrzeug.

Was dann genau geschah, ist bis heute nicht geklärt. Irfan wurde ca. hundert Kilometer von zu Hause entfernt verschleppt. Der Neunjährige spricht nicht über diese Zeit. Auch für die Polizei gibt es noch viele Ungereimtheiten.

Die Eltern suchten verzweifelt überall nach ihren Jungen. In der Siedlung und Umgebung war er nirgends zu finden. Schließlich befürchteten sie, dass ihr Sohn verunglückt sei. Spät am Abend erstatteten sie eine Vermisstenanzeige bei der Polizei von Bangalore.

Eine Don Bosco-Datenbank hilft bei der Suche

Doch über den Verbleib des kleinen Irfan gab es keinerlei Informationen. Schließlich ging Irfans Vater in das BOSCO Schutzhaus für Straßenkinder und Jungen in Not. Der Vater hatte die Hoffnung, Irfan vielleicht dort zu finden. Das Wohnheim ist staatlich anerkannt und Kinder und Jugendliche werden dort solange betreut bis ihre Familien wiedergefunden oder in anderen Hilfseinrichtungen dauerhaft untergebracht werden können.

Kinderrechtsexpertinnen und -experten nehmen die Daten auf - auch mobil.
Bild: © Nishant Ratnakar/ichtv

Kinderrechtsexpertinnen und -experten nehmen die Daten auf - auch mobil.

Der Vater füllte auch bei Don Bosco eine Vermisstenanzeige aus. Die Salesianer Don Bosco in Indien haben sich landesweit vernetzt, um vermisste Kinder leichter schneller zu finden. In Indien verschwinden jedes Jahr rund 100.000 Kinder.

2002 hat das Don Bosco Netzwerk in Delhi die Datenbank Homelink entwickelt. In der Datenbank sind aktuell rund 250.000 Kinder und Jugendliche erfasst. Jedes Kind, das in Don Bosco Einrichtungen aufgenommen wird, ist dort registriert: Alter, Geschlecht, Sprache werden festgehalten und alle Beratungs- und Hilfsangebote. Auf diese Daten können alle Don Bosco Teams in jedem Bundesstaat zugreifen. Die Vermisstenanzeigen werden dann mit dem Profil geretteter Kinder abgeglichen.

Ein Glücksfall

Die Angaben von Irfans Vater stimmten aber nicht mit den Daten eines anderen Kindes überein. Die Verzweiflung der Eltern war groß.

Einige Tage zuvor wurde ein ca. 7-jähriger Junge vom Don Bosco am Busbahnhof in Karnataka aufgefunden. Die Helfer kümmerten sich um ihn. Schließlich wurde der Junge in das BOSCO Schutzhaus gebracht. Dort versuchten Psychologen herauszufinden, wie der Junge heißt und wo er herkommt.

Vermisste Kinder in Indien

Rund 100.000 Kinder und Jugendliche werden jedes Jahr in Indien als vermisst gemeldet.

Im Jahr 2020 waren es 108.234 Jungen und Mädchen.  Mehr als 9.000 Kinder verschwinden jeden Monat, im Schnitt fast 300 Kinder täglich.

„Wenn ein gerettetes Kind hierherkommt, ist es meine Aufgabe, Vertrauen zu schaffen und eine Beziehung aufzubauen.  Ich kläre die Kinder über ihre Rechte auf und sage ihnen, was wir tun, um ihnen zu helfen. Dann stelle ich Fragen zum Reiseverlauf, versuche den Namen herauszufinden und an Informationen zur Familie und seinem Zuhause zu kommen“, erklärt Cliona D'Costa, psychologische Beraterin im Schutzhaus.

Irfan nannte zunächst einen falschen Namen, was die Suche nach seinen Eltern erschwerte. Nach 26 Tagen gelang es aber schließlich die Familie wieder zu vereinen. Die Freude wieder zu Hause zu sein, war riesig. Und Irfan hatte Glück, denn normalerweise, kommen vermisste Kinder erst nach Jahren zu ihren Eltern zurück.

Je länger die Trennung, desto schlimmer die Folgen

„Im Durchschnitt dauert es 2-3 Jahre bis die Kinder wieder mit ihren Eltern zusammen finden Je länger die Trennung dauert, umso gravierender sind die psychischen Folgen. Viele Kinder sind so traumatisiert, dass sie nicht über das Erlebte sprechen können“, sagt Maheshwari Balan, Senior Manager vom indischen Don Bosco Netzwerk.

Im Jahr 2002 wurde das DB YaRForum in Delhi gegründet. Dem Don Bosco Netzwerk gehören mehr als 100 Don Bosco Organisationen in ganz Indien an.  Im Fokus steht die Hilfe für Kinder und Jugendliche in Risikosituationen, z.B. Kinder, die auf der Straße leben, Opfer von Menschenhandel sind oder als Kinderarbeiter ausgebeutet werden.

„Vom ersten Tag der Rettung eines Kindes bis zu dem Tag, an dem es unsere Einrichtung verlässt, wird jedes Detail und jede Aktivität mit Hilfe des Homelink-Dokumentationstools aufgezeichnet. Auch nach der Rückführung in die Familien besuchen wir die Kinder. Wir wollen sichergehen, dass sie glücklich und gut versorgt sind. Erst dann wird die Akte geschlossen.“

—  Zitat: Pater Joseph Leo Irudayasamy SDB, Direktor Projektbüro Chennai und Leiter des Homelink Network

Warum Kinder vermisst werden

  • Menschenhandel (Sexuelle Ausbeutung/Organhandel, Zwangsarbeit)
  • Von zu Hause weggelaufen (Häusliche Gewalt, Faszination Stadt)
  • Von den Eltern verlassen/verkauft
  • Kinder gehen verloren (Bahnhöfe/Katastrophen)

2022 hat das DB YaRForum ein Pilotprojekt gestartet, um die Datenbank Homelink noch effizienter zu machen. Biometrische Fingerabdrücke und Gesichtserkennung sollen die Identifizierung erleichtern und eine schnellere Zusammenführung mit der Familie herbeiführen.

Irfan ist glücklich, denn er kann jetzt auch wieder zur Schule gehen. In seiner Freizeit spielt er immer noch am liebsten mit seinem Kreisel. Und er liebt es auf dem Fahrrad seiner Mutter zu fahren. Weit weg fährt er aber nicht. Denn er möchte kein Risiko eingehen, seine Familie wieder zu verlieren.

* Name geändert

Fotoreportage: Vermisste Kinder - Don Bosco Mission Bonn

Weitere Informationen und Eindrücke zum Thema finden Sie auf bei  der Don Bosco Mission Bonn.