Luigi Bettazzi, emeritierter Erzbischof von Ivrea (Italien) und einer der letzten lebenden Konzilsväter und Erstunterzeichner des legendären "Katakombenpakts", am 5. November 2015 in Rottendorf.
Für eine Kirche der Armen – Luigi Bettazzi stirbt mit 99

Letzter europäischer Erstunterzeichner des „Katakombenpakts“ gestorben

Rom ‐ Als junger Weihbischof schrieb er Kirchengeschichte mit – eher durch Zufall, wie er kokettierte. Bis ins Greisenalter trat er für eine Kirche der Armen ein. Nun ist Luigi Bettazzi mit 99 Jahren gestorben.

Erstellt: 18.07.2023
Aktualisiert: 18.07.2023
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Von Christoph Renzikowski und Alexander Brüggemann (KNA)

„Wie sehr wünsche ich mir eine arme Kirche für die Armen!“ Dieser Ausruf aus den ersten Tagen der Amtszeit von Papst Franziskus hat viele aufgeschreckt. Eine arme Kirche? Bitte nicht! Immer wieder zielte der Papst aus Lateinamerika auf Pomp, Selbstzufriedenheit und Äußerlichkeiten, auf Klerikalismus und auf die Beschäftigung mit sich selbst. All das ist keineswegs neu – es steht in langer Tradition. Einer, der das besonders gut bezeugen konnte, ist jetzt gegangen.

Sein Bischofsstab war aus Eisen, der Ring an seiner rechten Hand aus Stahl, und wenn er mit „Exzellenz“ angesprochen wurde, durchzuckte es ihn: Don Luigi Bettazzi war einer von 40 Bischöfen aus allen Erdteilen, die sich am Ende des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) feierlich zu einem einfachen Leben an der Seite der Armen verpflichteten. Dazu gehörte auch der Verzicht auf jeden Prunk und Würdetitel. Nun ist er im Alter von 99 Jahren gestorben – als der letzte Erstunterzeichner des sogenannten Katakombenpakts.

Treffen zieht Kreise

Ein bisschen erinnerten seine Züge an Julius Cäsar aus den Asterix-Comics. Wenn der weißhaarige, schlanke Senior mit lebhafter Gestik vom Konzil erzählte, begannen die Falten in seinem Gesicht zu tanzen. Sich selbst attestierte Don Luigi bei der historischen Zusammenkunft in den römischen Domitilla-Katakomben am 16. November 1965 nur eine Nebenrolle. Er sei da als junger Weihbischof von Bologna eher zufällig hineingeraten, berichtete er 2015 bei einem Besuch in Deutschland.

Er habe zu einer Gruppe von 13 Männern gezählt, die sich „kleine Bischöfe“ nannten und nach der Spiritualität des Wüsteneremiten Charles de Foucauld (1858-1916) lebten. Ohne persönliche Einladung sei er einfach zu dem Treffen mitgegangen. Ihrer Selbstverpflichtung schlossen sich später weitere 500 Bischöfe an. Sie enthält unter anderem das Bemühen, „so zu leben, wie die Menschen um uns her üblicherweise leben, im Hinblick auf Wohnung, Essen, Verkehrsmittel“, sowie den Verzicht, „als Reiche zu erscheinen wie auch wirklich reich zu sein“, insbesondere in Amtskleidung und Insignien.

Die Bischöfe kündigten an, die Finanz- und Vermögensverwaltung ihrer Diözesen in die Hände von Experten zu legen, „damit wir Hirten und Apostel statt Verwalter sein können“. Und statt sie als Eminenz, Exzellenz oder Monsignore anzusprechen, sollte man sie schlicht „Padre“ nennen. Ausdrücklich verpflichteten sie sich zum „Dienst an den wirtschaftlich Bedrängten, Benachteiligten und Unterentwickelten“. Das Schreiben endete mit der Bitte: „Gott helfe uns, unseren Vorsätzen treu zu bleiben.“ Die Unterschriften wurden Papst Paul VI. übergeben.

Witze vom Konzil

Das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) war nicht immer nur eine bierernste Veranstaltung, bei der Bischöfe aus aller Welt verbissen um Reformen rangen. Bei der wichtigsten Kirchenversammlung des 20. Jahrhunderts entstanden auch viele Witze. Der nun mit 99 Jahren gestorbene Alt-Bischof von Ivrea, Luigi Bettazzi, einer der letzten Konzilsväter, gab zum Besten, worüber sie sich damals amüsierten:

„Kommt ein Rabbi an die Himmelspforte. Petrus bittet ihn herein. Sagt der Rabbi: Aber ich bin doch ein Jude. Sagt Petrus: Das macht nichts. - Drinnen führt ihn Petrus herum. Der Rabbi wundert sich: Hier sind ja noch viele andere Juden. Ja, sagt Petrus, auch orthodoxe und evangelische Christen. Dort drüben sind sogar Buddhisten und hier Animisten. Da kommen beide zu einer Mauer. Petrus: Wir müssen jetzt still sein. - Warum?, fragt der Rabbi. Darauf Petrus: Hinter dieser Mauer sind die Katholiken. Die glauben immer noch, sie sind alleine hier.“

Der Witz spielt auf das Konzilsdokument „Nostra aetate“ (1965) an. Darin formulierte die katholische Kirche erstmals ein positives Verhältnis zu nichtchristlichen Religionen.

Die Idee lebt weiter

Später habe sich das Ganze irgendwie verlaufen, bedauerte Bettazzi. „Es fehlte an jeder weiteren Organisation.“ Letztlich habe jeder für sich versucht, das Versprechen mit Leben zu füllen. Viele Bischöfe hätten nach dem Konzil auch weitergemacht wie vorher und gemeint, ihre Macht demonstrieren zu müssen. „Auch Papst Benedikt XVI. hat ja gedacht, er müsse feierlich daherkommen.“

Bettazzi wurde 1968 Bischof im norditalienischen Ivrea. Als Präsident der katholischen Friedensbewegung Pax Christi setzte er sich gegen Rüstungsexporte und für Kriegsdienstverweigerer ein. Aufsehen erregte sein Briefwechsel mit dem führenden italienischen Kommunisten Enrico Berlinguer. 1978, noch zur Zeit des Kalten Krieges, wurde der Christdemokrat Aldo Moro von Linksterroristen entführt. Bettazzi wollte sich im Austausch gegen den persönlichen Freund Pauls VI. als Geisel anbieten; doch der Vatikan verbot es.

Viel hat sich seit dem Pakt von 1965 nicht geändert in der Welt. Diktaturen gibt es vielleicht weniger, dafür mehr Migration, Raubbau an der Natur und den Klimawandel. 2019, nach der Papst-Enzyklika „Laudato si“, unterzeichneten mehr als 40 Bischöfe Amazoniens am historischen Ort von einst einen zweiten „Katakombenpakt für das gemeinsame Haus“, um die Vorsätze von damals zu weiterzuführen.

Sie verpflichteten sich zum Schutz Amazoniens, zu respektvoller Verkündigung des Evangeliums, einer synodalen Kirche unter Beteiligung von Laien, vor allem Frauen, sowie zu einem nachhaltigen Lebensstil.

KNA

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