Menschenrechtler kritisiert Deutschland

Mehr Druck auf Iran gefordert

Frankfurt ‐ Eine massive Ausweitung der Sanktionen gegen den Iran hat Grünen-Chef Omid Nouripour gefordert. „Wir brauchen Druck, Druck, Sanktionen und nochmals Sanktionen“, sagte Nouripour am Mittwoch auf der Frankfurter Buchmesse.

Erstellt: 19.10.2022
Aktualisiert: 20.10.2022
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Von Norbert Demuth (KNA)

Die bisherigen Sanktionsstufen gegen den Iran seien sehr spät gekommen und noch sehr klein. „Das muss mehr werden.“ Niemand glaube noch daran, dass das iranische Regime von sich aus etwas verbessern werde oder zu Reformen fähig sei.

Wichtig sei auch zu wissen, dass es sich im Iran nicht nur um eine „von ideologischem Wahnsinn“ geprägte islamistische Theokratie handele. „Der Iran ist auch eine Militärdiktatur“, sagte der 1975 in Teheran geborene und 1988 nach Deutschland gekommene Nouripour. Diese finstere, hochgerüstete Diktatur werde nicht zögern, ihren brutalen Sicherheitsapparat einsetzen, um sich an der Macht zu halten.

Die iranisch-deutsche Journalistin und frühere Leiterin des ARD-Studios in Teheran, Natalie Amiri, sagte, zuletzt seien mehr als 40 Medienschaffende im Iran inhaftiert worden. Bei den Demonstrationen protestierten anders als früher nicht nur Studenten oder die Mittelschicht. „Jetzt sind alle auf der Straße.“ Die Protestierenden bildeten einen Querschnitt der Bevölkerung.

Wegen des gewaltsamen Vorgehens gegen Demonstranten im Iran hatte die EU am Montag Sanktionen gegen elf Einzelpersonen und vier Organisationen verhängt. Darunter sind der Chef der sogenannten Sittenpolizei, Mohammed Rostami, sowie hochrangigen Beamte der Ordnungskräfte und der Revolutionsgarde. Im Iran gehen seit dem ungeklärten Tod der 22-jährigen Mahsa Amini, die wegen angeblicher Verstöße gegen die islamische Kleiderordnung verhaftet worden war, Frauen und Männer auf die Straße.

Der deutsch-türkische Journalist Deniz Yücel sagte beim Buchmesse-Podium mit Blick auf das seit 43 Jahren regierende Regime im Iran: “Diktaturen sind meistens zäher, als es Demokraten sich wünschen, aber nicht so langlebig, wie es die Diktatoren gerne hätten. Irgendwann ist jeder fällig.“ Yücel befand sich von Februar 2017 bis Februar 2018 in türkischer Untersuchungshaft - wegen angeblicher Terrorpropaganda.

Yücel, der nach kurzer Amtszeit im Mai 2022 als Präsident der Schriftstellervereinigung PEN-Zentrum Deutschland zurückgetreten war, kritisierte die in der Vergangenheit praktizierte Politik Deutschlands gegenüber dem Iran scharf. „Deutschland ist Weltmeister für schäbige Geschäfte“, sagte Yücel. Dies habe lange auch für die Politik gegenüber Russland, der Türkei und China gegolten, in denen Deutschland seine Außenhandelsbeziehungen vor Menschenrechtsfragen gestellt habe. Deutschland mache sich so „zum Komplizen all dieser Diktaturen“, so Yücels Vorwurf.

Am Ende der Diskussionsrunde mit dem Titel „Iran – wo lang?“ in einem zentralen Pavillon der Buchmesse gab es eine nicht angekündigte Solidaritätsaktion. Mehrere Frauen standen auf, hielten die iranische Flagge hoch und skandierten lautstark Rufe nach Freiheit. Sie trugen Pullis mit der Aufschrift „Frau, Leben, Freiheit“.

KNA

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