International verwobene Geschwister
Partnerschaft ist Grundbegriff und Kriterium aller weltkirchlicher Arbeit. Aber was bedeutet weltkirchliche Partnerschaft in der konkreten Praxis? Davon weiß Ulrich Jost-Blome aus dem Bistum Münster zu berichten.
Aktualisiert: 13.09.2023
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Beim Abschied werden viele Tränen geflossen sein. Paula Ungruhe, aus dem tiefen Münsterland stammend, musste Anfang der 30er Jahre des vergangenen Jahrhunderts ihre Eltern und einige ihrer elf Geschwister am Kai in Bremerhaven zurücklassen. Sie brach auf nach Tanganjika, weil sie als Sr. Helmwarda OSB den "Heiden" die frohe Botschaft bringen wollte.
Grundidee Partnerschaft
Sr. Helmwarda steht in einer unüberschaubar langen Reihe. Beginnend mit dem Apostel Paulus und der Ausbreitung des Christentums in den römisch-hellenistischen Kulturraum, machten Missionare und Missionsschwestern über Jahrhunderte das Evangelium überall auf der Welt bekannt. Sie schufen die Grundlage für das sich allmählich entwickelnde Bewusstsein einer internationalen Geschwisterlichkeit. Heute ist das Netz der internationalen Beziehungen nicht nur global umfassend, sondern auch eng geknüpft. Akteure wie Orden, Diözesen, Verbände, Bischofskonferenzen usw. bilden seine Knotenpunkte. Grundidee dieser internationalen Dimension ist der Anspruch einer weltkirchlichen Partnerschaft. Ganz unabhängig davon, ob die Akteure den Begriff Partnerschaft wörtlich verwenden, ist er für alle programmatisch. Das lässt sich recht gut an den Diözesanpartnerschaften zeigen.
Beispielsweise ist man im Bistum Münster sowohl mit dem Bistum Tula in Mexiko als auch mit den fünf Bistümern der Kirchenprovinz Tamale im Norden Ghanas verschwistert. Die erste Partnerschaft ist eine Frucht des Zweiten Vatikanums, da im Nachklang die beiden Ortsbischöfe ab 1968 eine Verbindung der Bistümer eingegangen sind. 1982 folgte die Kontaktaufnahme mit der Kirche im strukturschwachen Nordghana, dieses Mal initiiert und bis heute getragen vom Zusammenschluss der Laien, dem Diözesankomitee der Katholiken. Sicherlich hat sich die Diözesanebene für beide Partnerschaften als unersetzbar für die Koordination und subsidiäre Unterstützung erwiesen, dennoch findet der Großteil des Austausches durch die Gemeinden statt. Sie schreiben Briefe und E-Mails, sie besuchen sich wechselseitig, sie beten füreinander.
„Wir verstehen die Partnerschaftsarbeit als exemplarisches Bemühen für die Entwicklung in der Einen Welt. In solidarischer Verbundenheit mit unseren ghanaischen Partnern versuchen wir, uns gemeinsam für eine gerechtere Weltgesellschaft einzusetzen.“
Drei tragende Erfahrungen
Bei aller Unterschiedlichkeit der Träger, Projekte oder Länder lassen sich doch drei allgemeine Effekte benennen.
Zum Ersten: Ein Akteur weltweiter Vernetzung zu sein, bedeutet, ganz unmittelbar internationale Erfahrungen zu bekommen. Das kann gar nicht hoch genug veranschlagt werden in einer Welt, die in den Verflechtungen der Globalisierung unüberschaubar zu werden droht. Die Aktiven sprechen daher auch gerne von einer „Partnerschaft mit Gesicht“.
Zum Zweiten: Partnerschaft ist ein hochgradig wichtiger Bewusstseinsprozess im Globalen Lernen. Man spricht miteinander, singt und tanzt miteinander, betet miteinander. Der Campesino aus Cardonal in Mexiko und der Fabrikarbeiter aus Kamp-Lintfort am Niederrhein – zwei Menschen, die sonst nie etwas miteinander zu tun gehabt hätten – teilen ihr Leben. Auf diese Weise wird das Fremde bekannter und verständlicher, möglicherweise sogar attraktiv. Empathie lässt sich eben nur bedingt aus Büchern erlernen.
„Jesus ist zu uns gekommen, um die Bänder der Gemeinschaft zwischen allen Nationen zu festigen. Hier haben wir den Beweis, dass es möglich ist, ein Leben, eine Freundschaft zu teilen. Das ist gelebter Glaube. Das ist lebendige und wahre Liebe.“
Und zum Dritten: Partnerschaft in Solidarität ist eine andere Form der Globalisierung. Wenn schon die Zentrum-Peripherie-Strukturen ungerecht sind, dann sind wenigstens Partnerschaftsbeziehungen eine wichtige und tröstliche Kontrasterfahrung. Hier werden Menschen nicht danach beurteilt, was sie produzieren oder konsumieren können. Hier begegnet man sich auf Augenhöhe, im Bewusstsein, gleichermaßen geliebte Kinder desselben Schöpfers zu sein. Für die Nordghana-Partnerschaft im Bistum Münster ist dies selbstverständlich.