Mahnerin, Versöhnerin, Trümmerfrau
Afrika ‐ Es ist schön in Burundi, dem kleinen, fruchtbaren Hügelland im Osten Afrikas. Die rote Erde, die fröhlichen Menschen könnten den Betrachter einlullen in ein vermeintliches Idyll - wüsste man nicht um all die existenziellen Probleme: dramatische Überbevölkerung, bitterste Armut, Flüchtlingselend, Bildungsnotstand, Folgen eines jahrelangen Bürgerkriegs; ethnische Dauerfehden, Rechtlosigkeit und Rachegefühle. Bislang hat Staatspräsident Pierre Nkurunziza, ein früherer Rebellenführer, das Land auf stabilem Kurs gehalten. Doch seit der 51-Jährige gegen die Verfassung eine dritte Amtszeit erzwingen will, sind die Gegensätze wieder aufgebrochen.
Aktualisiert: 06.02.2023
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Es ist schön in Burundi, dem kleinen, fruchtbaren Hügelland im Osten Afrikas. Die rote Erde, die fröhlichen Menschen könnten den Betrachter einlullen in ein vermeintliches Idyll – wüsste man nicht um all die existenziellen Probleme: dramatische Überbevölkerung, bitterste Armut, Flüchtlingselend, Bildungsnotstand, Folgen eines jahrelangen Bürgerkriegs; ethnische Dauerfehden, Rechtlosigkeit und Rachegefühle. Bislang hat Staatspräsident Pierre Nkurunziza, ein früherer Rebellenführer, das Land auf stabilem Kurs gehalten. Doch seit der 51-Jährige gegen die Verfassung eine dritte Amtszeit erzwingen will, sind die Gegensätze wieder aufgebrochen.
Nachdem sich die katholische Kirche aus dem Wahlprozess verabschiedete und seine Amtskollegen aus der Ostafrikanischen Gemeinschaft (EAC) ihn bedrängten, hat der Präsident nun die Reißleine gezogen: Die ursprünglich für vergangenen Freitag angesetzten Kommunal- und Parlamentswahlen sowie die Präsidentenwahlen am 26. Juni sind auf unbestimmte Zeit verschoben.
Eine Institution, die angesichts von Chaos und Ausweglosigkeit großes Vertrauen und hohes moralisches Ansehen in der Bevölkerung genießt, ist die katholische Kirche. Rund zwei Drittel der inzwischen mehr als zehn Millionen Burundier sind katholisch. Rund 300 Schulen und Kindergärten sowie 200 Wohlfahrtseinrichtungen der Kirche gehören zum Wenigen, worauf das Gemeinwesen des kleinen Agrarstaates gründet. Kirchliche Stellen vergeben Kleinkredite für Händler und Handwerker, kümmern sich um Aids-Waisen, fördern Versöhnung.
Bischöfe ziehen sich aus Wahlgremien zurück
Ein Paukenschlag war Ende Mai die Entscheidung der burundischen Bischöfe, sich aus allen Wahlgremien zurückzuziehen – nur eine Woche vor den geplanten Parlamentswahlen. Katholische Geistliche hatten in mindestens 5 von 17 Provinzwahlbezirken den Vorsitz der Wahlkommission inne; zudem stellten sie mehrere Vizevorsitzende und sonstige Funktionäre sowie eine Vielzahl lokaler Wahlleiter und -beobachter. Doch der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Bischof Gervais Banshimiyubusa, erklärte, die Kirche könne nicht „für Wahlen bürgen, die voller Versäumnisse sind“.
Wenige Tage darauf wurde in der Hauptstadt Bujumbura offenbar ein Attentat auf den dortigen Erzbischof Evariste Ngoyagoye vereitelt. Medienberichten zufolge sollte er während einer Prozession mit einer Granate getötet werden. Kurz davor habe sich einer der rund 40 Verschwörer an einen Medienvertreter gewandt, hieß es.
Schon im März hatten sich die Bischöfe deutlich positioniert und gegen eine dritte Amtszeit für Nkurunziza ausgesprochen. Die Verfassung sei eindeutig und sehe nur zwei fünfjährige Perioden vor. Der einstige Rebellenführer war 2005 vom Parlament eingesetzt und nicht vom Volk gewählt worden. Seine Anhänger argumentierten daher, diese erste Amtszeit sei nicht als regulär zu zählen.
Kirche als Friedensvermittlerin
Der blutige Bürgerkrieg zwischen den Bevölkerungsgruppen der Hutu und Tutsi (1993–2003) sowie Massaker und Pogrome in den Jahrzehnten zuvor kosteten Hunderttausende Menschen das Leben; mehr als 1,3 Millionen Menschen wurden zu Flüchtlingen. Die katholische Kirche, seit der Kolonialherrschaft Deutschlands (1890–1916) und Belgiens (1916–1962) Mehrheitsreligion, vermittelte damals entscheidend, um den Krieg zu beenden.
Auch die Kirchenleitung selbst zahlte ihren Blutzoll. In Gitongo erschossen Hutu-Rebellen am 9. September 1996 den Erzbischof von Gitega, Joachim Ruhuna, und verschleppten seine Leiche. In dem Jeep starben auch zwei Ordensschwestern. Die Ermordung Ruhunas, der 1993 sein Bischofshaus für Flüchtlinge öffnete und so wohl Hunderte vor ihren Mördern rettete, war zugleich ein Höhepunkt des Krieges.
So entschlossen wie er waren im Angesicht der tobenden Gewalt dieser Jahre nicht alle Kirchenvertreter, wie sein Nachfolger in Gitega, Erzbischof Simon Ntamwana, einräumt. Die kirchliche Versöhnungsarbeit trägt jedoch Früchte, zumindest in Kleinen. Das von Ntamwana gegründete Werk „Neues Leben in der Versöhnung“ verzeichnet großen Zulauf an Novizinnen, die mit ihrem Beispiel für ein Miteinander der Volksgruppen einstehen wollen.
Das bedeutet nicht eine Schwamm-drüber-Mentalität. Unverblümt erklärt der Erzbischof, Burundi werde von Personen regiert, die „getötet haben – sei es bei den Rebellen oder bei den Regierungstruppen“. Mit solcher Offenheit folgt er, der selbst ein Dutzend Angehörige durch die Gewalt verlor, einem seiner Leitsprüche: „Lieber einsam in der Wahrheit als vereint in der Lüge.“
Von Alexander Brüggemann (KNA)
Hintergrund
Zu den Parlamentswahlen in Burundi hat das Netzwerk Afrika Deutschland (NAD) ein Hintergrundpapier verfasst: