„Wahrheit, Gerechtigkeit, Versöhnung“
Friedensarbeit ‐ In den Friedens- und Versöhnungsprozessen weltweit spielt der Umgang mit gewaltbelasteter Vergangenheit eine zentrale Rolle. Vor diesem Hintergrund hat die Deutsche Bischofskonferenz in Kooperation mit der Deutschen Kommission Justitia et Pax und der Kolumbianischen Bischofskonferenz einen Workshop in Berlin zum Erfahrungsaustausch in der Versöhnungs- und Erinnerungsarbeit ausgerichtet. Er stand unter dem Titel „Wahrheit, Gerechtigkeit, Versöhnung“ und geht heute zu Ende.
Aktualisiert: 18.11.2022
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In den Friedens- und Versöhnungsprozessen weltweit spielt der Umgang mit gewaltbelasteter Vergangenheit eine zentrale Rolle. Vor diesem Hintergrund hat die Deutsche Bischofskonferenz in Kooperation mit der Deutschen Kommission Justitia et Pax und der Kolumbianischen Bischofskonferenz einen Workshop in Berlin zum Erfahrungsaustausch in der Versöhnungs- und Erinnerungsarbeit ausgerichtet. Er stand unter dem Titel „Wahrheit, Gerechtigkeit, Versöhnung“ und geht heute zu Ende.
Die kolumbianischen Partner sollten am Beispiel der deutschen Erfahrungen darin unterstützt werden, eigene Handlungsperspektiven für den kolumbianischen Kontext zu klären. Die deutschen Teilnehmer sollten aus der Begegnung mit der Situation Kolumbiens ein vertieftes Verständnis für die eigene Friedens- und Versöhnungsarbeit gewinnen.
Die gemeinsame Woche war ein solidarischer Beitrag zum Friedens- und Versöhnungsprozess in Kolumbien. Neben Vorträgen und Diskussionsrunden stand auch der Besuch relevanter Erinnerungsorte und Akteure der deutschen Geschichte auf dem Programm, darunter etwa die Mauergedenkstätte.
Mussinghoff: „Die Gewalt hat nicht das letzte Wort“
In seinem Vortrag hob Bischof Dr. Heinrich Mussinghoff (Aachen) die Rolle der Kirche im Umgang mit gewaltbelasteter Vergangenheit hervor: „Es gehört unverzichtbar zum Selbstverständnis der Kirche, konstruktiv an der Überwindung von Konflikten und der Schaffung von Frieden und Versöhnung mitzuwirken.“ Im kirchlichen Friedenshandeln und Umgang mit gewaltbelasteter Vergangenheit liege eine Chance für die Kirche, sich für die eigene friedensethische Perspektive stark zu machen: „Aus unserem Glauben heraus können wir Wege zeigen, dass die Gewalt, die Schuld nicht das letzte Wort haben, sondern dass es konkrete Perspektiven gibt, die Gewalt und ihre Auswirkungen zu überwinden.“
Für das Versöhnungshandeln sei, so Bischof Mussinghoff, eine tiefe Auseinandersetzung mit den Geschichten und Auswirkungen von Gewalt von zentraler Bedeutung, denn die sichtbaren Spuren wirkten als „ein Sprengsatz an den Fundamenten einer Gesellschaft und im Zusammenleben der Völker“. Eine der ersten Aufgaben kirchlichen Friedenshandeln sei es daher, „die differenzierte Wahrnehmung der Gewaltförmigkeit von Welt zu fördern“, betonte Bischof Mussinghoff. Dafür brauche es ein offenes, konkretes und angemessenes Sprechen über Schuld und Gewalt zur Gewaltüberwindung. Dazu gehöre auch die Anerkennung, dass Gewalt in der menschlichen Freiheit verankert sei. Konkrete Inspiration für Versöhnung und Frieden sieht Bischof Mussinghoff in der biblischen Verkündigung der Zusage Gottes und der biblisch begründeten Geschwisterlichkeit aller Menschen. „Es ist die Aufgabe der Kirche, das Bewusstsein von der Notwendigkeit, sich geduldig und langmütig mit der Geschichte der Gewalt und Schuld auseinanderzusetzen, zu stärken.“
Die Kirche müsse die Menschen immer wieder dazu ermutigen, sich auf den Weg der Versöhnung und des Friedens einzulassen. Ohne Buße und Wiedergutmachung bleibe allerdings jede Friedens- und Versöhnungsarbeit ohne konkrete Veränderungswirkung. Auch die Kirche selbst, unterstrich Bischof Mussinghoff, müsse lernen, „Verantwortung für die Schuld ihrer Glieder zu tragen“, um der Gesellschaft auf „ihrem Weg der Heilung“ zu helfen. Denn „nur wer seine eigene geschichtliche wie auch persönliche Verwobenheit bzw. Verstrickung in die Gewaltverhältnisse konkret benennt und aufarbeitet, kann ein glaubwürdiges Zeugnis bei der Überwindung von Gewalt ablegen“.
Eine Woche gemeinsamen Lernens
Der Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz, Pater Dr. Hans Langendörfer SJ, würdigte in einem Grußwort die Form der Erinnerungskultur, die letztlich auch zur Versöhnung beitrage: „Die Kirche hat Vieles vorbereitet für die Zukunft Kolumbiens. Keiner ist naiv und keiner hofft auf rasche und leichte Erfolge.“ An die Teilnehmer gewandt, sagte Pater Langendörfer: „Sie üben die Zukunft ein – und wissen, dass dies nicht gelingen kann, ohne der Vergangenheit gegenüber wahrhaftig zu sein.“ Der Workshop sei eine Woche gemeinsamen Lernens gewesen. „Sie zielte auf wechselseitige Inspiration und Ermutigung. Das Zeugnis der Kirche in Kolumbien ist für unsere eigene kirchliche Glaubwürdigkeit in Fragen von Frieden und Versöhnung von großer Bedeutung. Die Inspiration ist gegenseitig. Ihr Blick von außen hilft uns, dass wir uns nicht vorschnell mit dem zufriedengeben, was erreicht wurde. Wir haben Fehler gemacht und sind uns dessen bewusst. Wir wissen uns aber auch getragen und ermutigt von einem Größeren, von dem her aller Friede und jegliche Versöhnung ihren Anfang nehmen. Seine Wege gemeinsam gehen zu können, ist das eigentliche Geschenk“, sagte Pater Langendörfer.
Unter den Teilnehmern des Workshops waren sieben Bischöfe aus Kolumbien, darunter der Vorsitzende der Kolumbianischen Bischofskonferenz, Erzbischof Luis Augusto Castro Quiroga.