Positives Echo auf Enzyklika
Umwelt-Enzyklika ‐ Mit seiner am Donnerstag veröffentlichten Umwelt-Enzyklika stößt Papst Franziskus bei Politik und Wissenschaft auf positives Echo. Kirchenvertreter sprachen von einer wegweisenden Botschaft. Die beiden katholischen Hilfswerke Misereor und Adveniat sehen in der Umweltenzyklika eine Aufforderung zu einem radikalen Kurswechsel.
Aktualisiert: 12.07.2015
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Mit seiner am Donnerstag veröffentlichten Umwelt-Enzyklika stößt Papst Franziskus bei Politik und Wissenschaft auf positives Echo. Kirchenvertreter sprachen von einer wegweisenden Botschaft. Die beiden katholischen Hilfswerke Misereor und Adveniat sehen in der Umweltenzyklika eine Aufforderung zu einem radikalen Kurswechsel.
Das Lehrschreiben trägt den Titel „Laudato si“. Darin spricht sich das Oberhaupt der katholischen Kirche unter anderem dafür aus, Umweltschutz und den Kampf gegen Armut zusammenzudenken. Der Name – zu Deutsch „Sei gepriesen“ – ist dem Sonnengesang des Franz von Assisi (1181/82-1226) entnommen.
Der frühere UN-Generalsekretär Kofi Annan würdigte das Papier als „moralisch und ethisch stark“. Spitzenpolitiker aus Deutschland betonten mit Blick auf die bevorstehenden internationalen Treffen zu Klima- und Umweltschutz, das Schreiben erscheine zum richtigen Zeitpunkt.
Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) sprach gegenüber der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) von einem „Weckruf“. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) hob die „klare Sprache“ und die „Tiefe der Gedanken“ hervor. Diese böten Anstöße, „die weit über die katholische Welt hinaus Wirkung entfalten werden“.
Wissenschaftler wie der deutsche Klimaforscher und Mitautor der Enzyklika, Hans Joachim Schellnhuber, unterstrichen, dass dem Papst die dramatischen Folgen des Klimawandels deutlich vor Augen stünden. Der Münchner Wirtschaftsethiker Johannes Wallacher sagte der KNA: „Wenn die Spitze der katholischen Kirche sagt, jede Form der Leugnung des Klimawandels verschleiert Macht- und Partikularinteressen, dann ist das eine sehr kraftvolle Botschaft.“
„Wir können keines der großen Probleme auf diesem Planeten in Isolation lösen, sondern wir müssen tatsächlich die Art und Weise, wie wir auf dem Planeten leben, ändern.“
Auch der Kieler Klimaforscher Mojib Latif lobte das zweite Lehrschreiben von Papst Franziskus. „Laudato si“ spreche ihm aus der Seele, sagte er am Donnerstag dem Rundfunkreferat des Erzbistums Hamburg. Franziskus versuche, eine ganzheitliche Sicht der Dinge darzustellen. Das sei auch nötig. „Wir können keines der großen Probleme auf diesem Planeten in Isolation lösen, sondern wir müssen tatsächlich die Art und Weise, wie wir auf dem Planeten leben, ändern.“
Der Hauptgeschäftsführer von Misereor, Pirmin Spiegel, unterstrich am Donnerstag in Aachen, ein „Weiter-so“ in der Klima-, Umwelt-, Wirtschafts- und Finanzpolitik sei nicht mehr möglich. Auf den anstehenden internationalen Konferenzen müsse die Bundesregierung mit konkreten Taten vorangehen wie einem sozial verträglichen Ausstieg aus der Kohleverbrennung. Auch der Präsident des Deutschen Caritasverbands, Peter Neher, wertete die Umwelt-Enzyklika von Papst Franziskus als ein „unmissverständliches Zeichen an die Politik, endlich zu handeln“.
Der Hauptgeschäftsführer von Adveniat, Bernd Klaschka, griff den Appell von Papst Franziskus auf, Umweltfragen und soziale Gerechtigkeit zusammen zu denken. Jeder Einzelne sei gefragt, betonte der Chef des Lateinamerika-Hilfswerks. „Überwinden wir unseren persönlichen und nationalen Individualismus!“ Der Papst habe einen „großartigen Text“ verfasst. „Er ist nicht bequem und macht unser Leben vielleicht nicht bequemer; lebenswerter macht er es – wenn wir uns daran orientieren – allemal, nicht allein für die Armen in Lateinamerika und in anderen armen Weltregionen, sondern letztlich auch für uns selbst.“
Der Präsident von Missio München, Wolfgang Huber, betonte, Franziskus lege mit seiner Enzyklika den Finger in die Wunde.
Der brasilianische Befreiungstheologe Leonardo Boff dagegen zeigte sich in der „tageszeitung“ von der Durchschlagskraft der päpstlichen Botschaft überzeugt. „Es ist das erste Mal, dass ein Papst das Thema Ökologie ganzheitlich behandelt.“
„Es ist kein Schreiben, das als private Meditationshilfe gedacht ist, sondern Verantwortliche für Politik und Wirtschaft, aber auch die kleine Frau und den kleinen Mann aufrütteln will.“
Nach den Worten von Amazonas-Bischof Erwin Kräutler handelt es sich bei der Enzyklika um einen Appell an alle Menschen, unabhängig von Glaube und Herkunft: „Es ist kein Schreiben, das als private Meditationshilfe gedacht ist, sondern Verantwortliche für Politik und Wirtschaft, aber auch die kleine Frau und den kleinen Mann aufrütteln will.“
Ähnlich äußerte sich der aus Ghana stammende Kurienkardinal Peter Turkson bei der Vorstellung der Enzyklika im Vatikan. Die US-Bischöfe riefen zu einem schonenden Umgang mit natürlichen Ressourcen auf, vermieden aber den Begriff „Klimawandel“ bei einer Pressekonferenz in Washington weitgehend.
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, hob hervor, dass der Papst trotz aller vorhandener Probleme einen positiven Ton anschlage. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, sprach von einem leidenschaftlichen Appell.
Der Vorsitzende der Bischöflichen Kommission Weltkirche, Erzbischof Ludwig Schick, betonte am Donnerstag, mit einer eindringlichen, nüchternen und realistischen Warnung an die gesamte Menschheit habe der Papst deutlich gemacht, dass die derzeit stattfindende Zerstörung des Planeten nur durch eine „universale Solidarität“ aller Menschen gestoppt werden könne. Dabei seien die Politiker und Regierungen der Welt ebenso gefordert wie jeder Einzelne, der sein Verhalten hinterfragen und wissen müsse, dass Umweltverschmutzung Sünde sei, sagte Schick.
Aus Sicht des Vorsitzenden der Deutschen Kommission Justitia et Pax, Bischof Stephan Ackermann, ist die Umwelt-Enzyklika „ein Kompendium der globalen Solidarität“. Die Enzyklika komme im entwicklungspolitischen Schlüsseljahr 2015, wo es um die Verabschiedung einer neuen Agenda nachhaltiger Entwicklungsziele gehe, zur rechten Zeit.
Auch die katholischen Verbände würdigten den Zeitpunkt des Erscheinens der Enzyklika. Mit der Veröffentlichung wenige Monate vor dem Weltklimagipfel in Paris habe der Papst ein wichtiges Zeichen gesetzt, erklärten die Klima-Allianz Deutschland, die Katholische Landjugendbewegung Deutschland (KLJB), die Deutsche Pfadfinderschaft Sankt Georg (DPSG) und der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) in einer gemeinsamen Stellungnahme am Donnerstag.
Unterdessen ging am Donnerstagnachmittag kurzzeitig der Vatikan-Server in die Knie. Die Adresse www.vatican.va war für einige Zeit nicht erreichbar. Unklar blieb zunächst, ob die Störung einer erhöhten Nachfrage nach der Umwelt-Enzyklika oder einem Hackerangriff geschuldet war. (lek mit KNA)