Umweltschutz heißt Konsumverzicht
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Umweltschutz heißt Konsumverzicht

Umwelt-Enzyklika ‐ Die Enzyklika „Laudato si“ ist eine Premiere - und das nicht nur, weil durch eine Indiskretion schon am Montag eine vorläufige Fassung im Internet abrufbar war. Noch nie hat sich ein Papst so detailliert und in so verbindlicher Form zum Schutz der Umwelt geäußert wie auf diesen rund 220 DIN-A5-Seiten; vom Klimawandel, fossilen Energieträgern und genveränderten Pflanzen bis hin zur Abholzung der Regenwälder im Amazonas-Becken, Quecksilbervergiftungen in Goldminen und Würmern und Algen.

Erstellt: 18.06.2015
Aktualisiert: 02.08.2022
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Die Enzyklika „Laudato si“ ist eine Premiere – und das nicht nur, weil durch eine Indiskretion schon am Montag eine vorläufige Fassung im Internet abrufbar war. Noch nie hat sich ein Papst so detailliert und in so verbindlicher Form zum Schutz der Umwelt geäußert wie auf diesen rund 220 DIN-A5-Seiten; vom Klimawandel, fossilen Energieträgern und genveränderten Pflanzen bis hin zur Abholzung der Regenwälder im Amazonas-Becken, Quecksilbervergiftungen in Goldminen und Würmern und Algen.

Franziskus Kernbotschaft ist unbequem: Ein effizienter Kampf gegen Umweltzerstörung und Klimawandel sei nur möglich, wenn die reichen Industrienationen und der wohlhabende Teil der Menschheit ihren Konsum einschränkten und ihren Lebensstil grundlegend änderten. Er gibt ihnen eine „ökologische Schuld“, weil sie die natürlichen Rohstoffe in weniger entwickelten Ländern rücksichtlos ausbeuteten. Grund ist aus Sicht des Papstes ein allein auf Profit ausgerichtetes Wirtschaftssystem. Die tiefere Ursache für diese Fehlentwicklung sieht Franziskus in einer übersteigerten Selbstbezogenheit des Menschen, einem „despotischen Anthropozentrismus“, der sich nicht um die anderen Geschöpfe kümmere.

Klimawandel ist ein zentrales Thema

Ein zentrales Einzelthema des Schreibens ist wie erwartet der Klimawandel. Der Papst schließt sich hier, wenn auch mit einigen Vorbehalten, ausdrücklich der wissenschaftlichen Mehrheitsmeinung an, dass dieses Phänomen „vor allem“ vom Menschen verursacht ist. Das birgt vor allem für Konservative in den USA einigen Sprengstoff, die eine solche Erklärung bis heute strikt ablehnen.

Franziskus fordert einen schnellstmöglichen Ausstieg aus fossilen Energieträgern und eine Umstellung auf erneuerbare Energien. Eine ausdrückliche päpstliche Verurteilung oder Sanktionierung der Kernenergie, wie sie wohl manche erwartet oder erhofft hatten, findet sich in der Enzyklika hingegen nicht. Der Papst vermeidet den Begriff offenbar bewusst. Es sei „legitim, für das geringere Übel zu optieren oder auf Übergangslösungen zurückzugreifen“, solange die erneuerbaren Energien noch nicht genügend entwickelt seien, schreibt er und lässt damit sowohl Gegnern als auch Befürwortern der Kernenergie einigen Interpretationsspielraum.

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Ganzheitliche Ökologie aus Sicht der Ärmsten

„Laudato si“ ist weit mehr als nur eine Umweltenzyklika. Das Schreiben ist eine „grüne“ Sozialenzyklika – freilich nicht im politischen Sinne. Franziskus buchstabiert hier eine „ganzheitliche Ökologie“ aus der Sicht der Ärmsten. Aus Sicht jener, die nicht in „ökologischen Wohnanlagen“ leben, die nur einigen wenigen dienten und „wo man zu vermeiden sucht, dass andere eintreten und die künstliche Ruhe stören“. Ein wirklich „ökologischer Ansatz“ sei immer auch ein „sozialer Ansatz“, schreibt der Papst. Über Umweltschutz kann man aus seiner Sicht nicht sprechen ohne soziale Gerechtigkeit, das internationale Wirtschaftssystem, Flüchtlingsströme und Menschenrechte in den Blick zu nehmen.

Franziskus macht in der Enzyklika wie seine Vorgänger Johannes Paul II. und Benedikt XVI. auch deutlich, dass ein konsequenter Umweltschutz immer auch Lebensschutz bedeute. Es sei „nicht vereinbar“, die Natur zu verteidigen, Embryonen aber für nicht schutzwürdig zu halten, so Franziskus.

Zitate aus den Ortskirchen

Aufschlussreich ist auch ein Blick aufs Kleingedruckte: In den Fußnoten der Enzyklika zitiert Franziskus auffallend oft Stellungnahmen nationaler Bischofskonferenzen aller Kontinente; die Bischofskonferenzen von Brasilien und den Philippinen ebenso wie jene Kanadas und die Deutsche Bischofskonferenz. Damit zeigt er zum einen, dass er das Lehramt der Bischöfe und die Rolle der Ortskirchen ernst nimmt. Zum anderen dokumentiert dies freilich auch, dass etliche Ortskirchen in Sachen Umweltschutz Rom um einiges voraus waren.

Neu ist an der Enzyklika die Verankerung des Umweltschutzes als fundamentales theologisches Thema. Auch frühere Päpste hatten sich schon dazu geäußert. Doch Franziskus hat jetzt endgültig klar gemacht, dass es sich hierbei nicht um einen theologischen Nebenschauplatz handelt. Das menschliche Dasein gründe auf drei grundlegenden, eng miteinander verbundenen Beziehungen, schreibt der Papst: die Beziehung zu Gott, zum Nächsten und zur Erde. Damit greift er nicht nur auf den biblischen Schöpfungsbericht, sondern auch auf eine Denkfigur der indigenen lateinamerikanischen Theologie zurück. Seit „Laudato si“ kann man nun nicht mehr sagen, Umweltschutz sei etwas für christliche Weltverbesserer – er ist jetzt verbindlicher Teil der offiziellen katholischen Lehre.

Von Thomas Jansen (KNA)

Enzyklika „Laudato Si“

Die Enzyklika kann in deutscher Sprache auf der Webseite der Deutschen Bischofskonferenz heruntergeladen werden. Dort finden Sie auch eine Inhaltsangabe, in der die wichtigsten Inhalte des päpstlichen Lehrschreibens auf sieben Seiten zusammengefasst sind: Dokument „Enzyklika Laudato si‘ – Über die Sorge für das gemeinsame Haus“ Inhaltsangabe „Laudato si‘ – Über die Sorge für das gemeinsame Haus“