
Ende des Hungers bis 2030
Entwicklungsagenda ‐ Die 70. UN-Generalversammlung will vom 25. bis 27. September die entwicklungspolitischen Weichen bis 2030 stellen. Kernaspekt sind die Nachhaltigkeitsverpflichtungen für alle Länder weltweit - auch für die reichen Industrienationen. Trotz umfangreicher Planung hängt die Umsetzung der neuen globalen Entwicklungsagenda von vielen Unbekannten ab.
Aktualisiert: 21.09.2015
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Die laufende 70. UN-Generalversammlung in New York ist in mehrfacher Hinsicht außergewöhnlich. Zum runden Datum will die Völkergemeinschaft ambitionierte globale Nachhaltigkeitsziele bis 2030 verabschieden: 17 Zielbereiche mit 169 Unterzielen - die Sustainable Development Goals (SDGs). Papst Franziskus hatte in seiner Enzyklika „Laudato si“ jüngst ein radikales Umdenken im Umgang mit der Schöpfung verlangt. Nun spricht er bei dem UN-Gipfel vom 25. bis 27. September, zu dem auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) anreisen werden.
„Niemanden zurücklassen“ lautet das Motto für UN-Generalsekretär Ban Ki Moon. Die SDGs sollen die acht Millenniumsentwicklungsziele (MDGs) ersetzen, auf die sich die Vereinten Nationen vor 15 Jahren geeinigt hatten. Dazu gehörten vorrangig der Kampf gegen Armut und Hunger, Kinder- und Müttersterblichkeit sowie der Einsatz für bessere Bildungschancen.
Die erste weltweite Kraftanstrengung für eine gerechtere Welt kann Erfolge vorweisen. Dennoch bleibt für Millionen Menschen die Lage bedrückend. Immerhin konnte seit 1990 eine Milliarde Menschen aus äußerster Armut befreit werden, vor allem in Lateinamerika und China. War damals jedes fünfte Kind untergewichtig, so ist es heute „nur“ jedes siebte. Aber rund 840 Millionen darben weiter, vor allem in Sub-Sahara-Afrika und in Südasien.
Industriestaaten in der Pflicht
Waren die MDGs noch stark auf Entwicklungshilfe ausgerichtet, streben die SDGs umfassende Veränderungen an, die auch die Industriestaaten in die Pflicht nehmen. Das gilt für den schonenden Umgang mit Ressourcen, die Verantwortung für Sozialstandards oder den Ausstoß klimaschädlicher Gase. Der Schwerpunkt liegt auf der Nachhaltigkeit.
Ferner soll der Mensch stärker im Mittelpunkt stehen. Vor allem die Kirchen und Entwicklungsorganisationen verlangen, die Menschenrechte als Querschnittsthema zu etablieren. Entwicklung ist damit nicht länger ein Akt der Großzügigkeit.
Überwindung von Armut und Hunger an erster Stelle
Die SDGs gehen über die bisherige Entwicklungspolitik hinaus und bilden Leitlinien für nachhaltige Entwicklung auf wirtschaftlicher, ökologischer und sozialer Ebene. An erster Stelle steht weiterhin die Überwindung von Armut und Hunger. Ebenso bleiben Gesundheit, Bildung und der Schutz von Lebensgrundlagen auf der Agenda. Allerdings kommen auch gesellschaftspolitische Ziele wie Gleichheit der Geschlechter, eine gerechte Steuerpolitik, die Verringerung der Ungleichheit zwischen Staaten oder der Zugang zu Rechtshilfe und inklusiven Institutionen hinzu.
Um eine möglichst breite Zustimmung zu erhalten, leiteten die UN den größten Planungs- und Konsultationsprozess ihrer Geschichte ein. Seit mehreren Jahren arbeiten unter anderem 60 UN-Unterabteilungen und internationale Organisationen an der „Post-2015-Agenda“. Maßgeblich für die SDGs waren die Nachhaltigkeitsziele des Rio+20-Gipfels vor drei Jahren zum Klimaschutz.
Eine „Open Working Group“ erarbeitete infolgedessen die 17 Ziele. Deutschland teilte sich einen Sitz mit Frankreich und der Schweiz und trat vor allem für die Verknüpfung von Entwicklung und Nachhaltigkeit, das Prinzip einer globalen Partnerschaft und die weltweite Gültigkeit der Ziele ein. Das G7-Treffen unter deutscher Ratspräsidentschaft im Juni dieses Jahres diente in Teilen der Vorbereitung der SDGs.
Frage der Finanzierung
Entscheidend für ein Gelingen ist auch die Finanzierung. Die Ergebnisse der UN-Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung in Addis Abeba im Juli blieben vage. Schwellen- und Entwicklungsländer sollen durch den Aufbau funktionierender Steuersysteme und den Kampf gegen Korruption mehr Mittel erhalten und die Geberländer bekräftigten ihre – bisher nur von den wenigsten eingehaltene – Verpflichtung, 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungshilfe auszugeben. Den Rest soll die Privatwirtschaft beisteuern. Die UN gehen von einem Jahresbedarf von drei Billionen US-Dollar aus.
Die Umsetzung hängt also von vielen Unbekannten ab. Dennoch könnten die SDGs das erste Regierungsprogramm einer „Weltinnenpolitik“ im Zeitalter der Globalisierung darstellen. Denn sie sind getragen von der Erkenntnis, dass alle Staaten voneinander abhängen, wenn es um ihre Zukunft geht.
Von Christoph Scholz (KNA)
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