
Afrikanische Gegensätze
Missio-Aktion ‐ Am Wochenende haben die beiden Hilfswerke Missio Aachen und Missio München ihre Jahresaktion gestartet. Beispielland ist Tansania. Ein Land im Umbruch - mit historischen Verbindungen zu Deutschland.
Aktualisiert: 12.10.2015
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Wenn sich die Nacht senkt über Daressalam, sieht man sie: Staubige Gestalten, die sich auf Verkehrsinseln und an den Rändern der großen Durchfahrtsstraßen niederlassen. Gruppenweise verbringen die Ärmsten der Armen so die Nächte in der tansanischen Hafenmetropole. Das Tor zu Ostafrika zeigt aber auch ein anderes Gesicht: Tagsüber funkeln die Fassaden der neu errichteten Hochhäuser am Sokoine Drive im Sonnenlicht; hinter Zäunen und Toren in den Botschaftsvierteln wachsen Palmen und Ziersträucher in bestens gepflegten Gärten.
Tansania, das Beispielland der bundesweiten Missio-Aktion, ist ein Land der Gegensätze. Hinter Daressalam und dem langen Küstenstreifen am Indischen Ozean endlos scheinende Landflächen; vor Daressalam die Inselgruppe von Sansibar. Auf dem Festland siedeln die meisten Christen, auf Sansibar sind die Muslime in der Mehrheit. Es gibt Bodenschätze wie Gold und Diamanten. Trotzdem zählt das Land laut Entwicklungsindex HDI zu den ärmsten Staaten der Erde.
Tansania stehe vor großen Herausforderungen, sagt Missio-Präsident Klaus Krämer im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Als ein Beispiel nennt er neben der Armut die Verbreitung von Aids. Mit der „größten Solidaritätsaktion der katholischen Kirche weltweit“ wollen Missio Aachen und Missio München bis zum 25. Oktober, dem Weltmissionssonntag, aber auch auf Erfolgsgeschichten aufmerksam machen.
Einsatz für die Massai-Völker im Norden Ugandas
So wie die von Schwester Leah Kavugho. Seit mehr als zehn Jahren setzt sich die Oblatenschwester für die Gemeinschaften der Massai im Erzbistum Arusha ein. Seit Menschengedenken leben die Halbnomaden im Schatten des Kilimandscharo-Massivs im Süden Kenias und im Norden Tansanias. Angefangen hat alles mit einem Programm zur Senkung der Müttersterblichkeit, erzählt Schwester Leah im Gespräch mit dem Internetportal katholisch.de. Nach und nach kamen andere Projekte hinzu: Ackerbau-Kurse oder die Produktion von Souvenirs in Handarbeit.
Denn Tourismus, so Schwester Leah, ist eine immer wichtigere Einnahmequelle. Fast ein Drittel der Landesfläche sind als Reservate ausgewiesen. Dank Bernhard Grzimeks Naturfilmen ist seit Ende der 1950er-Jahre hierzulande vor allem der Serengeti-Nationalpark bekannt. Die Wildtiere werden nach Kräften geschützt. Die Massai und ihre traditionelle Lebensweise geraten dagegen zunehmend unter Druck.
Schwester Leah will Sensibilität dafür wecken – und zugleich die Rolle der Frauen stärken. So sind Polygamie, Beschneidung und Zwangsehen immer noch weit verbreitet. „Ich respektiere die Kultur der Massai“, betont die 43-Jährige, die selbst aus dem Kongo stammt. „Doch Frauen sollten wählen können, wie sie ihr Leben führen möchten.“ Perspektiven – das ist es, was nicht nur manchen Massai-Frauen in Tansania fehlt. Im fruchtbaren Süden des Landes beispielsweise geraten Dorfbewohner zwischen die Fronten von Behörden und Konzernen.
Wachsender Extremismus bereitet Sorge
Landgrabbing heißt das Phänomen, das immer weiter um sich greift. Hier, wo angeblich die Queen aus Tagen der britischen Kolonialära noch eigene Teepflanzungen besitzt, ist der Großkunde inzwischen König. Immer mehr internationale Unternehmen versuchen, große Ackerflächen zu kaufen, um dort etwa Kaffee, Holz oder Energiepflanzen anzubauen. Die Bewohner vor Ort profitieren oft kaum von den lukrativen Geschäften. Beobachter fürchten, zunehmende Landknappheit könne zu neuen sozialen Spannungen führen.
Trotzdem: Die politische Lage ist bisher vergleichsweise stabil in dem Land mit seinen über 100 Ethnien und ebenso vielen Sprachen, sagt Missio-Präsident Klaus Krämer. Sorge bereitet ihm ein wachsender Einfluss von islamistischen Strömungen. Ein mögliches Indiz dafür: In den Städten sind immer mehr komplett verschleierte Frauen unterwegs. Die Brüche und Konflikte einer globalisierten Welt machen auch vor Tansania nicht halt.
Verbindungslinien zwischen Tansania und Deutschland gibt es viele. Auch das wird bei einem Rundgang durch Daressalam augenfällig. Neben Hochhäusern und Hotelfassaden prägen zwei Kirchen die Silhouette, errichtet während der deutschen Kolonialzeit, die 1918 endete.
Von Joachim Heinz (KNA)
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