Beten allein reicht nicht

Klimawandel ‐ In fünf Wochen startet der UN-Klimagipfel in Paris. Die Erwartungen sind hoch - die Ängste vor einem Scheitern ebenfalls. Für ein neues Klimaabkommen braucht es mehr als gute Worte, mahnen jetzt auch Religionsvertreter.

Erstellt: 20.10.2015
Aktualisiert: 20.10.2015
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Lange Jahre regte sich wenig im Hauptgebäude des World Conference Center Bonn (WCCB). In diesen Tagen herrscht nun Hochbetrieb in dem Millionenbau, der in der Vergangenheit eher wegen eines Finanzskandals für Schlagzeilen sorgte. Was aktuell in der Bundesstadt am Rhein verhandelt wird, hat internationale Tragweite. Bis Freitag will sich die Staatengemeinschaft auf den Entwurf für ein neues Klimaabkommen verständigen, das beim UN-Gipfel vom 30. November bis 11. Dezember verabschiedet werden soll. Noch allerdings, so berichten Beobachter, ist vieles in Fluss.

Demnach wurden zu Beginn des Treffens vor allem Verfahrensfragen heiß diskutiert. Das große Ziel, die Erderwärmung auf unter zwei Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu begrenzen, scheint weitgehend Konsens zu finden. Strittig sind Detailfragen: Wer überprüft die Einhaltung der einmal getroffenen Vereinbarungen? Wann ist ein globaler Ausstieg aus der umweltschädlichen fossilen Energie möglich? Und: Wie können jene Länder, die bereits jetzt schon unter den Folgen des Klimawandels leiden, die Anpassung an diesen Wandel finanzieren?

Das klingt abstrakt – aber die Zeit drängt. Der Präsident von Kiribati, Anote Tong, funkte kürzlich noch einmal SOS. Den Bewohnern des Pazifikstaates steht schon jetzt das Wasser buchstäblich bis zum Hals. Die Verwüstungen des Zyklons „Pam“, der im März über die 33 Inseln hinwegfegte, sind immer noch nicht behoben. „Die Menschen destabilisieren das Gleichgewicht, das Gott erschaffen hat, indem sie durch ihr Verhalten das Klima verändern“, sagte Tong in einem „Zeit“-Interview. „Wir auf Kiribati haben dieses Problem nicht verursacht, aber wir müssen die Folgen tragen.“

154 Religionsführer rufen zum Kampf gegen Klimawandel auf

Die Bewahrung der Schöpfung und der Ruf nach Gerechtigkeit: Beides steht auch im Mittelpunkt eines Appells von 154 Religionsvertretern, der am Dienstag der Chefin des UN-Klimaschutzsekretariates (UNFCCC), Christiana Figueres, überreicht wurde. Darin fordern die Unterzeichner, darunter der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, und der Weltkirche-Beauftragte der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Ludwig Schick, einen schrittweisen Ausstieg aus der fossilen Energie bis 2050.

In Paris gelte es, verbindliche und faire Übereinkünfte zu treffen; deren Einhaltung seien „mindestens alle fünf Jahre“ zu überprüfen. Der grüne Klimafonds müsse mit mindestens 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr ausgestattet werden, um Länder wie Kiribati zu unterstützen. Gefragt seien aber nicht nur Politik und Wirtschaft, sondern auch jeder Einzelne, betonen die Religionsvertreter. Es bedürfe einer grundlegenden Änderung des Konsumverhaltens hin zu einer ressourcenschonenden Lebensweise.

Bild: © weltkirche.de

„Das klingt nach einer guten Zusammenfassung eines guten Abkommens in Paris“, nimmt UNFCCC-Chefin Figueres den Ball auf – und spielt ihn wieder ins Feld der Unterzeichner zurück. Einen globalen Rahmen für einen besseren Schutz des Klimas zu schaffen, sei das eine. Wichtig bleibe aber auch, die Regierungen vor Ort zum Umdenken zu bringen, um die Folgen des Klimawandels in fairer Weise schultern zu können. Für diesen „moralischen Imperativ“ sollten sich gerade die Religionen ins Zeug legen.

ZdK-Vizepräsidentin: Klimawandel treibt Menschen in die Flucht

„Wir sehen jetzt, was es bedeutet, wenn sich Menschen aus Kriegs- und Krisengebieten in Bewegung setzen“, schlägt die Vizepräsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Karin Kortmann, den Bogen zur aktuellen Flüchtlingsdebatte. Wenn es nicht gelinge, den Anstieg der weltweiten Durchschnittstemperatur zu bremsen, „reden wir über bis zu 400 Millionen Klimaflüchtlinge“.

Beten allein reicht nicht. Am Montag wollen katholische Bischöfe mit einem Appell an die Teilnehmer des Klimagipfels nachlegen. Die Initiative, die sich an die Forderungen aus der Umweltenzyklika von Papst Franziskus anlehnt, wurde vom Päpstlichen Rat für Gerechtigkeit und Frieden organisiert. Auch der Papst hatte zu Jahresbeginn einen schnellen Ausstieg aus der fossilen Energie gefordert – und für einen grundlegenden Kurswechsel in Wirtschaft und Konsumverhalten plädiert.

Von Joachim Heinz (KNA)

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