„Saudi-Arabien ist die Spitze des Eisbergs“
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„Saudi-Arabien ist die Spitze des Eisbergs“

Rüstungsexporte ‐ Die Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung hat die deutsche Regierung aufgefordert, Genehmigungen für Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien zurückzunehmen. Die Menschenrechtssituation in dem Land sei „abgründig“, mahnt die Leiterin der katholischen Geschäftsstelle der von beiden großen Kirchen getragenen Organisation, Gertrud Casel.

Erstellt: 08.01.2016
Aktualisiert: 16.12.2022
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Wer von Frieden spricht, aber gleichzeitig Waffen verkauft, handelt heuchlerisch“, heißt es in einem Zitat von Papst Franziskus, der sich in seinen Ansprachen und Predigten immer wieder gegen den Waffenhandel einsetzt. Deutschland könnte sich davon durchaus angesprochen fühlen, wenn es um mögliche Waffenlieferungen nach Saudi-Arabien geht. Das sagt die GKKE, die Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung. Sie fordert die deutsche Regierung auf, Genehmigungen für Rüstungsexporte in den Nahen Osten zurückzunehmen.

Anlass dieser Forderung sei beileibe nicht nur der Ausbruch der aktuellen Konflikte zwischen Saudi-Arabien und dem Iran, so die Leiterin der katholischen Geschäftsstelle der von beiden großen Kirchen getragenen Organisation, Gertrud Casel. Schon seit ungefähr zehn Jahren sieht der Verband keine Grundlage für deutsche Rüstungsexporte an die Saudis. Sie liefen den Richtlinien der Bundesregierung zuwider. Schließlich hielten diese Richtlinien fest, dass Waffenexporte in sogenannte Drittstaaten – außerhalb von Nato und EU – nur im Ausnahmefall genehmigt würden. Doch nach Angaben des GKKE-Rüstungsexportberichts erhielten im letzten Jahr 62 Länder Zusagen für Rüstungsgüter, deren Menschenrechtssituation als „sehr bedenklich“ eingestuft wird. Eines davon: Saudi-Arabien.

„Abgründige Menschenrechtssituation“

„Von daher haben wir immer gesagt: Saudi-Arabien ist die Spitze des Eisbergs, weil die Menschenrechtssituation abgründig ist. Es ist gerade in den Konflikten rund um den Golf eines der Länder, die immer in der Gefahr stehen, die Gewaltdynamik und die Konfliktdynamik anzuheizen. Und die Argumentation der Bundesregierung, dass es ein sogenannter Stabilitätspartner sei, leuchtet überhaupt nicht ein, wenn man die Verbindungen mit dem Salafismus und auch – mindestens indirekt – zur Finanzierung des Islamischen Staats betrachtet. Von daher haben wir Lieferungen an Saudi-Arabien schon immer kritisiert, aber auch die Bundesregierung aufgefordert, generell keine Waffenexporte in Konfliktregionen – und dazu zählt der Nahe Osten insgesamt – zuzulassen“, so Casel.

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Aus dem Zwischenbericht der Bundesregierung geht laut GKKE hervor, dass allein in der ersten Hälfte des vergangenen Jahres die Lieferung von Rüstungsgütern an Saudi-Arabien im Wert von rund 178,7 Millionen Euro genehmigt wurde. Die Regierung in Riad war damit nach Großbritannien und Israel auf den dritten Platz der Bestimmungsländer vorgerückt.

Kampf um Vorherrschaft in der Golfregion neu angeheizt

Die aktuellen Spannungen, die Hinrichtungen eines schiitischen Predigers und 46 weiterer Menschen zeigten deutlich die angespannte Lage, so Casel. „Und damit zeigt sich nach meiner Auffassung wie in einem Brennglas die Kritik, die wir schon seit Jahren jetzt auch gegenüber den Lieferungen nach Saudi-Arabien vorbringen. Es handelt sich um ein Land, das immer weniger geneigt sein wird, nach friedlichen Lösungen von Konflikten und von Machtbalance zu suchen, wenn wir es immer weiter mit Waffen ausstatten und in eine Überlegenheitssituation bringen. Wir wissen von der Friedens- und Konfliktforschung, dass da, wo die Waffenmengen ansteigen, die Gefahr der gewaltsamen Eskalation von Konflikten sehr hoch ist. Das ist im südchinesischen Meer nicht anders als hier im Nahen Osten.“

Deutschland habe unter anderem den Export von Geländefahrzeugen und Teilen für gepanzerte Fahrzeuge, für Kampfflugzeuge und Übungsdrohnen für das Training von Kampfpiloten genehmigt. Insgesamt hatte die Bundesregierung im ersten Halbjahr 2015 Waffenexporte im Wert von 3,5 Milliarden Euro gestattet – und damit fast so viele wie im gesamten Jahr 2014. Deutsche Waffen seien bereits im Jemen aufgetaucht, sagt Casel. Das zeige, dass man keine Kontrolle habe und diese Waffen in einem Stellvertreterkrieg eingesetzt würden.

Casel würdigt Transparenz der Bundesregierung

Der einzige Fortschritt, so Casel, sei, dass die Bundesregierung derzeit eine größere Transparenz bezüglich der Rüstungsdaten zeige – der halbjährliche Bericht helfe, eine Übersicht zu schaffen und den GKKE-Rüstungsexportbericht zu erstellen. Jährlich gebe es zu diesem Thema auch ein parlamentarisches Fachgespräch. Während sich die Opposition am Thema Rüstungsexporte immer besonders interessiert zeige, hielten sich die an der Regierung beteiligten Parteien jedoch bedeckt, denn sie seien die Verantwortlichen für diese Exportgenehmigungen: „Trotzdem kann man sagen, dass wir bei den Grünen und bei der Partei Die Linken auf Unterstützung stoßen. Bundesminister Gabriel von der SPD und die CDU/CSU sind da eher ein problematischer Gesprächspartner“, erklärt die Menschenrechts-Expertin.

Immerhin lädt, wie die GKKE-Verantwortliche lobend vermerkt, Wirtschaftsminister Gabriel die wichtigen Rüstungsexport-Akteure und eben auch den Kirchenverband zum runden Diskussionstisch ein.  

„Wir wissen aber aus einem anderen Fall, dass Gabriel damals nach der Eskalation des Ukraine-Konfliktes die Genehmigung für die Lieferung eines Gefechtsübungszentrums nach Russland widerrufen und dann die Auslieferung gestoppt hat. Von daher – und durchaus in dem Wissen, dass es Kompensationsforderungen gegeben hat – meinen wir: Wo ein politischer Wille ist, da ist ein Weg. Und wenn der Wille stark genug ist, muss es möglich sein, jetzt auch die Lieferungen an Saudi-Arabien zurückzuziehen. Ich glaube, dass wäre ein Zeichen, das durchaus auch bei der Regierung in Saudi-Arabien Wirkungen hinterlassen würde“, betont Casel, die auch Vorsitzende der Deutschen Kommission Justitia et Pax ist.

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Zur GKKE

Die Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) wurde 1973 als ökumenischer Arbeitsverbund zur Entwicklungspolitik gegründet. Sie steht im Gespräch mit politischen Institutionen und gesellschaftlichen Interessengruppen. Getragen wird die Konferenz von der katholischen Menschenrechts- und Entwicklungskommission Justitia et Pax und von „Brot für die Welt - Evangelischer Entwicklungsdienst“.