„Verlasst eure Nester“
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„Verlasst eure Nester“

Jahr der Orden ‐ Fast eine Million katholische Ordensleute zählt die Kirche. Doch sie stehen vor großen Herausforderungen. Ein Themenjahr 2015 sollte sie dabei unterstützen. Heute zieht der Papst in Rom eine Bilanz.

Erstellt: 02.02.2016
Aktualisiert: 01.02.2016
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Mit einem eigenen Themenjahr wollte Papst Franziskus den katholischen Ordensgemeinschaften mehr weltweite Aufmerksamkeit verschaffen. Heute beschließt der Papst, selbst ein Jesuit, das „Jahr der Orden“ nach 14 Monaten mit einer Messe im Petersdom. Mehrere Kongresse und Treffen von Ordensleuten in Rom und unzählige Initiativen in der Weltkirche sollten die Bedeutung der rund 900.000 Gottgeweihten weltweit für die kirchliche Arbeit unterstreichen, ihre Rolle in der modernen Gesellschaft schärfer definieren und neues Interesse an ihrem Lebensstil wecken.

Damit sieht es zumindest im Westen düster aus. Überalterung und fehlender Nachwuchs haben hier in den vergangenen Jahrzehnten eine dramatische Schrumpfung bewirkt. In den meisten europäischen Ländern liegt die jährliche Zahl der Neuzugänge, die sich für eine Existenz in Armut, Keuschheit und Gehorsam entscheiden, im niedrigen zweistelligen Bereich.

Noch gibt es in Deutschland 22.000 Ordensleute; doch viele Häuser mussten schon geschlossen werden. Besonders Frauenorden, die mehr als zwei Drittel aller katholischen Gottgeweihten stellen, sind von dem Abwärtstrend betroffen. Teils nehmen sie sogar gar keine neuen Mitglieder mehr auf, weil die Zukunft der Gemeinschaften zu unsicher erscheint. Ganz anders sieht es auf der Südhalbkugel aus. In Afrika und in asiatischen Ländern wie Indien oder Südkorea verzeichnen die Orden Zuwächse. Der Trend hin zu einer „Kirche des Südens“ zeigt sich nirgends deutlicher als bei ihnen.

„Weckt die Welt auf“

„Weckt die Welt auf“, hatte Franziskus den Ordensleuten zu Beginn des Themenjahres in einer Videobotschaft auf den Weg gegeben. „Verlasst eure Nester und geht an die Peripherie der Männer und Frauen von heute.“ Das Ordensleben sei keine Weltflucht, sondern eine prophetische Mission, um den Menschen durch aktive Nächstenliebe das Evangelium zu bringen. Er lobte bei anderer Gelegenheit auch die Lebensform frommer Mönche und Nonnen, die sich in kontemplativen Orden hinter Klostermauern nur der Einkehr und dem Gebet widmen. Sie förderten das Wirken des Heiligen Geistes auf ihre Weise, so der Papst.

Doch sein Idealbild von Orden ist eher das einer vitalen Avantgarde für eine bessere Welt inmitten einer „Kultur der Ungerechtigkeit“. Sie sollten sich nicht in einer nutzlosen Sehnsucht nach früheren Zeiten verlieren, so Franziskus in einem Apostolischen Schreiben zum Auftakt der Initiative – einem von mehreren Grundsatzdokumenten, die der Vatikan in den vergangenen 14 Monaten veröffentlichte. Wiederholt mahnte der Papst auch Selbstkritik der Orden an. Sie hätten nicht zuletzt deshalb an Anziehungskraft eingebüßt, weil es innere Widerstände gegen den notwendigen Wandel gebe.

Mehrfach machte Franziskus während des Themenjahres deutlich, dass Orden in der Welt von heute neben ihrer karitativen Arbeit neue Aufgaben übernehmen sollten. Als „Experten der Gemeinschaft“ wünscht er sich von ihnen neue Impulse für die Ökumene der Christen und den Dialog der Kulturen und Religionen. Dafür spricht, dass die Gemeinschaften selbst immer multikultureller werden, weltweit vernetzt sind und ihre Mitglieder oft über internationale Erfahrung verfügen.

Papst sieht Ordensjahr als Erfolg

Gerade im Westen, dessen Kulturgeschichte sie über Jahrhunderte wesentlich mitprägten, haben die großen Orden ungeachtet der schwindenden Mitgliederzahlen oft noch erhebliche Besitztümer in Form von Immobilien, Grundstücken oder Kunstschätzen. Der Papst und die Ordenskongregation nutzten das Themenjahr deshalb auch für Appelle, verantwortungsvoll und transparenter mit dem Geld umzugehen. Just im Ordensjahr erschütterte ein Finanzskandal die Franziskaner, den drittgrößten katholischen Männerorden.

Ob das Themenjahr tatsächlich die Außenwahrnehmung der Gemeinschaften verbessert oder vorwiegend der Selbstanalyse gedient hat, bleibt die Frage. Franziskus hat immer betont, der Erfolg lasse sich nicht nur an der Zahl der Neueintritte messen. Bei einem Abschlusstreffen mit Tausenden Ordensleuten sprach er am Montag von einem hoffnungsvollen Ergebnis. Solange sie die Frohe Botschaft authentisch vorlebten, werde es immer Menschen geben, die diesen Weg auch gehen wollten.

Von Christoph Schmidt (KNA)

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