2030 endlich Aids-frei?

2030 endlich Aids-frei?

Welt-Aids-Konferenz ‐ Mitte Juli kamen Tausende Politiker, Aktivisten, Prominente und Patienten aus 180 Ländern auf der Welt-Aids-Konferenz im südafrikanischen Durban zusammen. Ihr Ziel: Die Aids-Epidemie bis 2030 beenden. Was braucht es dafür? Experten sind gemischter Meinung.

Erstellt: 29.07.2016
Aktualisiert: 12.04.2018
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Es ist ein ambitioniertes Ziel, das auf der diesjährigen Welt-Aids-Konferenz im südafrikanischen Durban formuliert wurde: Bis zum Jahr 2030 soll die Immunschwächekrankheit besiegt sein. So wollen es auch die Vereinten Nationen. Ob dies eine realistische Zielsetzung ist, bleibt jedoch fraglich.

Um den Kampf gegen die Aids-Epidemie voranzutreiben, stellten die rund 1.800 Politiker, Forscher, Aktivisten und Regierungsvertreter auf der 21. Internationalen Aids-Konferenz vom 18. bis 22. Juli klare Forderungen. So erklärte die Geschäftsführerin der Deutschen Aids-Hilfe, Silke Klumb, man erwarte eine höhere finanzielle Unterstützung durch die deutsche Bundesregierung als dies bislang der Fall sei. „Deutschland muss jetzt bei der Finanzierung der weltweiten Maßnahmen mit gutem Beispiel vorangehen.“

Neben einer Aufstockung der Fördergelder sprach sie sich zudem für die Einführung einer medikamentösen HIV-Prophylaxe auch innerhalb Deutschlands aus. „Es gilt nun, alle Kräfte zu mobilisieren, damit mehr Menschen Zugang zu Therapie und Prävention erhalten, nicht weniger“, betonte Klumb. Sie verwies dabei auf den bereits erfolgreichen Einsatz der prophylaktischen Medikamente „PrEP“ und Truvada im Ausland, durch die die Infektionszahlen merkbar gesunken seien.

Robert Vitillo von Caritas international erklärte, dass der Zugang zu prophylaktischen Medikamenten vor allem in den Ländern West- und Zentralafrikas sichergestellt werden müsse. „Wir haben immer noch das Problem, dass manche Menschen nicht behandelt werden, so in ländlichen Regionen oder auch Angehörige ethnischer oder religiöser Minderheiten“, so Vitillo im Interview mit Radio Vatikan. Rund 50 Prozent der Infizierten wüssten gar nicht, dass sie den Virus in sich trügen, da sie sich nicht hätten testen lassen. Das erhöhe die Ansteckungsgefahr.

Behandlung von Kindern im Fokus

Als besonders positiv würdigte Vitillo, dass die Konferenz ihren Schwerpunkt in diesem Jahr auf die Behandlung von HIV-infizierten Kindern lege. „Zum ersten Mal bekommen Kinder so viel Aufmerksamkeit auf der Tagesordnung der Internationalen Anti-Aids-Konferenz“, so der Caritas-Referent gegenüber Radio Vatikan. Viele der Kinder würden über die Aufnahme der Muttermilch infiziert, da die Mütter selbst keine Medikamente zur Behandlung einnähmen. Die Aufwertung dieses Themas sei dabei auch dem Vatikan zu verdanken, mit dessen Unterstützung im April dieses Jahres ein Aktionsplan für eine verbesserte Behandlung von Kindern mit HIV verabschiedet worden sei. „In vielen Ländern Afrikas sind es die Kirchen und auch Organisationen anderer Religionen, die sich um die Behandlung von 50 Prozent der Infizierten kümmern“, betonte Vitillo.

Auch Bärbel Breyhan, Fachreferentin für Gesundheit beim Kindermissionswerk „Die Sternsinger“, beklagte mit Blick auf die Welt-Aids-Konferenz die schlechte Behandlungssituation von Kindern. „Von 2,6 Millionen Kindern, die weltweit mit HIV infiziert sind, erhalten nur 35 Prozent eine Therapie.“ Bei Kindern mit Behinderungen, Straßenkindern und Kindern in Kriegssituationen sei der Anteil noch geringer. „HIV-positive Kinder leiden nicht nur unter ihrer Krankheit, sondern weiterhin auch unter erheblicher Diskriminierung und schlechten Bildungschancen“, so die Gesundheitsexpertin.

UN setzt „90-90-90-Ziel“

Die Teilnehmenden der Tagung in Durban beratschlagten außerdem darüber, wie das von den Vereinten Nationen ausgesprochene „90-90-90-Ziel“ konkret realisiert werden könne. Nach diesem sollen bis 2020

  • 90 Prozent aller Menschen mit HIV ihren HIV-Status kennen
  • 90 Prozent derjenigen mit positivem HIV-Test umgehend eine Therapie mit antiretroviralen Medikamenten erhalten
  • bei 90 Prozent der Patienten in Behandlung das Virus durch eine effektive Therapie erfolgreich eingedämmt werden, so dass die Viruslast im Blut unter dem nachweisbaren Niveau bleibt. 

Laut der Organisation „Ärzte ohne Grenzen“ würde dies bedeuten, dass bis 2020 etwa 30 Millionen Menschen mit Medikamenten versorgt und einen sichergestellten Zugang zu lebenswichtigen Therapien erhielten. Bislang gelte dies nur für 17 Millionen Infizierte.

Es bleibt abzuwarten, ob die Welt-Aids-Konferenz ihr selbst gestecktes Ziel, die Epidemie bis 2030 vollends bekämpft zu haben, tatsächlich erreicht. Auf dem Weg dorthin bleibt aus der Sicht von Sr. Alison Munro noch viel zu tun. Sie leitet das Aids-Büro der Südafrikanischen Bischofskonferenz und betonte: „Wir müssen Neuinfektionen, insbesondere auch unter jungen Mädchen, verhindern.“ Ebenso wichtig seien die Behandlung von Kranken in schwer zugänglichen Gebieten sowie der Kampf gegen Stigmatisierung und Diskriminierung.

2030 endlich Aids-frei? Ein langer, aber kein unmöglicher Weg, wie die SPD-Politikerin und ehemalige Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul betont. In einem Gastbeitrag für die Online-Ausgabe des Tagesspiegels hält sie allen Skeptikern der 2030er-Zielmarke selbstbewusst entgegen: „Niemand muss an HIV/Aids sterben. Es sei denn, wir lassen es zu.“

Von Marita Wagner und Lena Kretschmann (mit Material von KNA, Radio Vatikan, Ärzte ohne Grenzen, Sternsinger, u.a.)

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