
„Hier ereignet sich gerade eine stille Katastrophe“
Mosambik ‐ In Mosambik herrscht die schlimmste Dürre, die das südafrikanische Land seit 35 Jahren erlebt hat. Fast zwei Millionen Menschen sind betroffen. Die Regierung hat den Notstand ausgerufen. Frauen und Kinder leiden besonders unter den Folgen des Hungers.
Aktualisiert: 18.08.2016
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In Mosambik herrscht nach Angaben der Hilfsorganisation Care die schlimmste Dürre, die das südafrikanische Land seit 35 Jahren erlebt hat. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) sprach in der Hauptstadt Maputo mit Care-Mitarbeiterin Johanna Mitscherlich, die vor verheerenden Auswirkungen der Nahrungsmittelknappheit vor allem auf Frauen und Kinder warnt.
Frage: Frau Mitscherlich, wie muss man sich diese historische Dürre konkret vorstellen?
Mitscherlich: Von einer richtigen Dürre spricht man hier in Mosambik seit Ende 2015. In vielen Regionen ist tatsächlich aber nun schon das zweite Jahr nacheinander der Regen ausgefallen. Im April 2016 hat die Regierung in Mosambik dann den Notstand ausgerufen.
Frage: Was bedeutet das für die Leute vor Ort?
Mitscherlich: Fast 80 Prozent der Menschen in Mosambik sind von Landwirtschaft abhängig. Die meisten, die außerhalb der Hauptstadt Maputo wohnen, haben seit Jahrzehnten kleine Felder, auf denen sie zum Beispiel Gemüse anbauen. Doch das wurde jetzt durch diese katastrophale Dürre zerstört. Die Familien, um die sich Care kümmert, konnten im Prinzip seit zwei Jahren gar nichts mehr auf den Feldern ernten. Fast zwei Millionen Menschen in Mosambik sind aktuell von der Dürre betroffen. Sie leben vor allem in den ländlichen Regionen und sind dringend auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen.

Frage: Was machen die Menschen, um zu überleben?
Mitscherlich: Für die meisten Farmer heißt es, dass sie alternative Einkommensmöglichkeiten suchen müssen. Und in den entlegenen Gebieten ist es häufig so, dass die Frauen wilde Früchte, Blätter oder kaktusähnliche Pflanzen sammeln und als Essen für ihre Kinder zubereiten. Meist gibt es nur eine Mahlzeit am Tag. Oft laufen die Menschen Stunden, um Wasser zu holen.
Frage: Hunger als tägliche Erfahrung für Kinder ...
Mitscherlich: Mosambik war auch vor dieser Dürre schon ein Land mit einer sehr hohen Rate an unterernährten Menschen. Etwa 40 bis 50 Prozent der Kinder entwickeln sich nicht so, wie sie sollten, weil sie nicht ausreichend Nahrungsmittel und Nährstoffe bekommen. Das verschärft sich jetzt noch einmal. Eigentlich kennen die Menschen im südlichen Afrika Dürren seit Jahrhunderten und hatten immer auch traditionelles Wissen, wie sie reagieren konnten. Aber damit sind sie in den vergangenen Jahren nicht mehr weiter gekommen. Denn die Dürren kommen immer häufiger und halten immer länger an. Das Wetterphänomen El Nino, das die große Dürre verstärkt hat, wurde schon im März 2015 ausgerufen.
Frage: Sterben viele Kinder, weil sie nicht genug zu essen haben?
Mitscherlich: Es gibt in Mosambik eine relativ hohe Sterberate von unter Fünfjährigen – und die droht nun noch einmal anzusteigen. Es wird befürchtet, dass in den nächsten sechs Monaten 100.000 Kinder von starker Unterernährung betroffen sein werden. Viele Familien erzählen uns, dass sie ihre Kinder zum Arzt bringen, damit sie Notnahrung bekommen. Oder die Mütter essen selbst fast nichts, um ihre Kinder durchzukriegen. Ältere Geschwister gehen nicht mehr zur Schule, um die Mütter bei der Nahrungssuche zu unterstützen. Andere Schüler kommen gar nicht mehr, weil sie viel zu schwach sind, um sich zu konzentrieren oder den langen Schulweg auf sich zu nehmen.
Frage: Prostituieren sich Frauen auch, damit ihre Familie überleben kann? Werden auch Minderjährige verheiratet?
Mitscherlich: Ja, manche Frauen verkaufen ihren Körper, oft für sehr wenig Geld, manchmal für einen oder zwei Euro, um wenigstens etwas Essen oder Medikamente kaufen zu können. Und etwa jedes zweite Mädchen vor dem 18. Lebensjahr wird in Mosambik verheiratet, damit es versorgt ist.
Frage: Über Mosambik ist in den Nachrichten wenig zu sehen. Warum?
Mitscherlich: Ja, hier ereignet sich gerade eine stille Katastrophe. Mosambik wird von der Welt angesichts anderer Krisenherde nahezu vergessen. Tatsächlich ist es aber ein täglicher Überlebenskampf für Millionen von Familien, insbesondere für Frauen und Mädchen. Etwa 87.000 schwangere und stillende Frauen in Mosambik brauchen dringend Hilfe, weil sie sich nicht ausreichend ernähren können – und schon gar nicht ausgewogen.
Frage: Wie sind Ihre Hilfsplanungen für die nächste Zeit?
Mitscherlich: In Mosambik plant Care gemeinsam mit anderen Hilfsorganisationen, in den kommenden Monaten 500.000 Menschen zu erreichen. Aber auch das ist nur knapp ein Drittel der zwei Millionen Menschen, die dringende Hilfe benötigen. Die Vereinten Nationen haben einen Hilfsappell in Höhe von 1,2 Milliarden US-Dollar (1,07 Milliarden Euro) an die Weltgemeinschaft ausgerufen. Doch davon wurden erst 19 Prozent zugesichert. Das ist einfach nicht genug.
Von Norbert Demuth (KNA)
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