„Der Frieden bleibt ein ferner Traum“

„Der Frieden bleibt ein ferner Traum“

Südsudan ‐ Hinter Pater Francis Joseph Naduviledathu liegen dramatische Tage. Zusammen mit seinen Mitbrüdern ist der Steyler-Pater aus seiner Missionsstation im umkämpften Südsudan geflohen. Im Interview berichtet der Ordensmann, wie es nun mit den Steylern im jüngsten Staat der Erde weitergeht.

Erstellt: 22.08.2016
Aktualisiert: 30.11.2022
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Die Steyler Missionare haben sich der Flucht der Lokalbevölkerung angeschlossen und ihre 2012 errichtete Missionsstation im Südsudan aufgegeben. Pater Francis Joseph Naduviledathu, der Leiter des Missionsteams, berichtet von den dramatischen Ereignissen vor Ort.

Frage: Pater Francis, gemeinsam mit Ihren Steyler Mitbrüdern haben Sie den Südsudan verlassen. Wie fühlen Sie sich?

P. Francis: Wir fühlten uns am Ende wie hilflose Zuschauer, gefangen in einem Wirbelwind aus Neid, Hass und nicht enden wollender Gewalt. Das Militär und die Milizen der Rebellen haben sich an unserem Einsatzort Lainya brutalste Kämpfe geliefert – und gleichzeitig das Eigentum der Bewohner einer ganzen Stadt zerstört. Der Frieden bleibt ein ferner Traum im Südsudan. Jedenfalls mit den aktuellen politischen und militärischen Führern, die die verschiedenen Ethnien im Land gegeneinander ausspielen.

Frage: Können Sie beschreiben, wie es zur Eskalation der Lage in Lainya gekommen ist?

Bild: © Steyler Missionare

P. Francis: Am 10. Juli, einem Sonntag, waren wir Steyler Missionare morgens zu dritt bei einem Gottesdienst in Limuro – das ist eine unserer Außenstationen. Nach der heiligen Messe informierte uns einer der Dorfältesten von Limuro über Unruhen zwischen Regierungssoldaten und Rebellen in der Hauptstadt Juba und im nahegelegenen Kenyi, einem Ort, den wir auf dem Rückweg zu unserer Missionsstation passieren mussten. Mit Gottes Hilfe sind wir trotzdem ohne Probleme zurück nach Lainya gekommen. Doch als wir uns der Stadt näherten, konnten wir überall Menschen beobachten, die ihre Besitztümer packten und in alle Richtungen flüchteten. Auch am nächsten Tag setzte sich dieser Exodus fort. Um die Mittagszeit am 11. Juli übernahmen dann die Rebellen die Stadt.

Frage: Sie selbst sind zunächst nicht geflüchtet. Warum?

P. Francis: Die Stadt wurde in den folgenden Tagen heftig umkämpft. Regierungssoldaten versuchten, sie zurückzuerobern. Von unserer Missionsstation hörten wir immer wieder heftige Schusswechsel, wir sahen, wie öffentliche Gebäude und die Häuser der Einwohner brannten. Am Anfang suchten gut 160 Menschen auf unserem Gelände Schutz. Wir beschlossen, so lange zu bleiben, wie Menschen Schutz bei uns suchten. Bereits eine Woche später waren die meisten, die bei uns untergekommen waren, weitergezogen. Am Ende blieben eine Handvoll Südsudaner und Ugander übrig – und uns gingen die Nahrungsmittel und Medikamente aus.

Frage: War die Steyler Missionsstation auch Ziel von Angriffen?

P. Francis: Zunächst nicht. Nachts streunten betrunkene Regierungssoldaten durch die Straßen von Lainya und schossen wild um sich. Am 26. Juli fielen Soldaten auch über unser Gelände her. Sie schüchterten uns mit ihren Waffen ein, wählten zwei der Ugander aus, schleppten sie in die Nähe der Kirche und feuerten auf sie. Einer der Ugander war sofort tot. Wir setzten seinen Leichnam später auf unserem Gelände bei. Der andere wurde schwer verletzt. Pater Romy versorgte seine Wunden, so gut es ging. Immer wieder suchten Soldaten unser Gelände heim, durchsuchten und plünderten unsere Räumlichkeiten. Wir organisierten unsere Abreise. Als die Soldaten uns verließen, hinterließen sie ein Schlachtfeld: Überall Matratzen, Moskitonetze und Kleidung, die sie aus den Hütten der Lokalbevölkerung geraubt hatten. Tagelang versuchten wir, sicheres Geleit nach Yei für uns und die verbliebenen, etwa 20 Flüchtlinge auf unserem Gelände zu arrangieren.

Frage: Sie konnten sich schließlich nach Yei retten und haben sich dort entschieden, das Land zu verlassen.

Bild: © Steyler Missionare

P. Francis: Am Ende war unser Einsatzort Lainya komplett von seinen eigenen Bewohnern verlassen. Wo keine Schafe sind, bedarf es auch keiner Hirten mehr. Wir haben uns entschieden, den Südsudan zu unserer eigenen Sicherheit zu verlassen. Zunächst sind wir von Yei nach Juba geflogen, von dort aus dann weiter nach Nairobi, wo uns der Provinzial der Steyler Missionare am Flughafen herzlich willkommen geheißen hat. In einer zweistündigen Sitzung haben wir mit unseren Mitbrüdern die aufwühlenden Ereignisse der vergangenen Woche Revue passieren lassen. Wir konnten mit ihnen unsere innersten Gefühle teilen, unseren Schock, unseren Zorn, unsere Frustration, unsere Angst und unsere Hilflosigkeit vor Ort.

Frage: Wie geht es nun weiter – mit den Steylern im Südsudan und mit Ihnen persönlich?

P. Francis: In absehbarer Zeit ist es unwahrscheinlich, dass wir Steyler Missionare in den Südsudan zurückkehren. Sollte sich die Situation nicht verbessern, werde ich darum bitten, wieder in Ghana eingesetzt zu werden, wo ich schon früher gearbeitet habe.

Das Interview führte Markus Frädrich.

© Steyler Missionare

Die Steyler Missionare im Südsudan

Im März 2012 haben die Steyler Missionare ihre Missionsarbeit im Südsudan begonnen. Ihr Einsatzort war Lainya, etwa 100 Kilometer der Hauptstadt Juba in der Diözese Yei im äußersten Süden des Landes gelegen. Die Pfarrei, in der die Steyler als Seelsorger gewirkt haben, erstreckt sich mit 36 Außenstationen auf einer Fläche etwa so groß wie Niedersachsen. Dort haben die Steyler das Evangelium verkündet, kranke Menschen versorgt und Brunnen gebaut. Sie sind für die Bildung von Kindern und Jugendlichen eingetreten und hatten ein offenes Ohr für die traumatisierte Bevölkerung der krisengeschüttelten Region. Im März 2015 gingen drei Wohnhütten der Missionare in Flammen auf. Als Ursache des Feuers wird Brandstiftung vermutet.