Hilfswerke legen sechsten Weltrisikobericht vor
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Hilfswerke legen sechsten Weltrisikobericht vor

Katastrophen ‐ Zwei schwere Erdbeben gab es in den vergangenen Tagen: eines in Italien, eines in Myanmar. Wann und warum solche Naturereignisse zu Katastrophen werden können, untersucht seit 2011 der alljährliche Weltrisikobericht.

Erstellt: 25.08.2016
Aktualisiert: 25.08.2016
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Papst Franziskus betete für die Opfer; die vatikanische Feuerwehr rückte aus, um zu helfen. Seit die mittelitalienische Region Umbrien in der Nacht zum Mittwoch von einem schweren Beben erschüttert wurde, läuft die Suche nach Toten und Verletzten, erhalten die Menschen in den abgelegenen Ortschaften Hilfe. Fast zur gleichen Zeit zitterte die Erde in Südostasien; das Epizentrum lag in Myanmar.

Dass es darüber hierzulande zunächst wenig Informationen gab, hat sicher mit der schlichten Tatsache zu tun, dass Italien näher an Deutschland liegt. Vielleicht gibt es aber auch andere Gründe: die Vernetzung von Behörden und Helfern beispielsweise oder die Erreichbarkeit der betroffenen Region.

Genau an diesem Punkt setzt der sechste Weltrisikobericht an, der am Donnerstag in Berlin vorgestellt wurde. Unter Federführung des Instituts für Umwelt und menschliche Sicherheit der Universität der Vereinten Nationen (UNU-EHS) gehen Experten der Frage nach, welche Staaten besonders von extremen Naturereignissen bedroht sind und wie groß das Risiko ist, dass diese Ereignisse zu einer Katastrophe führen.

Welche Rolle spielen Logistik und Infrastruktur bei einem Erdbeben?

Auftraggeber ist das „Bündnis Entwicklung Hilft“, dem unter anderem die beiden kirchlichen Hilfswerke Misereor und „Brot für die Welt“ angehören. Der Schwerpunkt des diesjährigen Berichts liegt auf dem Thema „Logistik und Infrastruktur“. Welche Rolle spielt das bei einem Erdbeben und dessen Bewältigung?

Wenn ein Beben die Infrastruktur zerstört hat, braucht es Kapazitäten, um die Verluste zu kompensieren und der Bevölkerung zu helfen, erläutert Studienleiter Matthias Garschagen. „Ausweichrouten, die noch befahrbar sind, Helikopter, die Hilfsflüge übernehmen, und Eisenbahnlinien, die so konstruiert sind, dass ihnen etwa Erdrutsche, die es nach Beben häufiger mal gibt, wenig anhaben können.“

In all diesen Bereichen hätten gerade Entwicklungs- und Schwellenländer große Defizite, so der Geograf, der am Bonner Standort der UN-Universität arbeitet. Dies wiederum ist ein Grund dafür, warum Myanmar in dem zum Weltrisikobericht gehörenden Weltrisikoindex auf Rang 42 von 171 erfassten Staaten liegt und damit einen hohen Gefährdungsgrad aufweist. Italien belegt dagegen Platz 119 und gilt damit als vergleichsweise „katastrophenfest“, auch wenn wie beim jüngsten Beben viele Tote zu beklagen sind.

Egal ob der pazifische Inselstaat Vanuatu, der den Weltrisikoindex wie in den vergangen Jahren anführt, oder der Golfstaat Kuwait, der das Ranking als in dieser Hinsicht sicherstes Land beschließt: Die moderne Technik erreicht im Ernstfall inzwischen auch die entlegensten Regionen. Via Satellitenbilder können sich Helfer binnen weniger Tage einen Überblick über das Ausmaß der Zerstörungen durch Beben, Dürren, Überschwemmungen oder Stürme verschaffen. Facebook, Twitter und Co ermöglichen den Betroffenen, sich zu vernetzen und etwa den Wiederaufbau zu organisieren.

Autoren warnen vor blinder Technikgläubigkeit

Aber die Autoren warnen vor blinder Technikgläubigkeit. Zum einen lehrt die Erfahrung der vergangenen Jahre, dass bessere Technik nicht automatisch mehr Schutz vor Naturereignissen bedeutet. Im Gegenteil: Im Katastrophenfall nehmen die sogenannten Kaskaden-Effekte zu, wie Garschagen erläutert. So führte 2012 der Hurrikan „Sandy“ zu einem Blackout des Stromnetzes in Teilen von New York. Dadurch war die Kommunikation via Internet nicht mehr möglich. „Im schlimmsten Fall“, so der Wissenschaftler, „führt das dazu, dass Sie kurzfristig überhaupt keine Hilfslieferungen mehr auf die Beine stellen können.“

Umgekehrt können über soziale Netzwerke gestreute Gerüchte und Fehlinformationen die Arbeit von Helfern massiv behindern. Und eine Drohne mag für einen Aufklärungsflug über ein Katastrophengebiet gut sein – „aber Hilfsgüter können Sie damit nicht transportieren“, sagt Garschagen. So gelangte in Nepal nach den beiden Erdbeben 2015 das gute alte Radio als Austauschplattform zu neuen Ehren, wie Misereor und Brot für die Welt in einem Projektbeispiel schildern. Mitarbeiter wurden gezielt auf Krisenkommunikation vorbereitet. Manche Stationen erhielten Solarsysteme – um auch im Katastrophenfall schnell sendefähig zu sein.

Von Joachim Heinz (KNA)

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Weltrisikobericht 2016

Zahlen, Statistiken und Schaubilder zum Weltrisikobericht 2016 finden Sie unter