Katholische Organisationen sagen Menschenhandel den Kampf an
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Katholische Organisationen sagen Menschenhandel den Kampf an

Menschenhandel ‐ Katholische Organisationen sagten Anfang September in Nigeria dem Menschenhandel den Kampf an. Auf einer internationalen Konferenz in Abuja kamen Teilnehmer aus 43 Ländern und vier Kontinenten zusammen. Alexander Kalbarczyk aus dem Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz war auch mit dabei. Ein Gastbeitrag.

Erstellt: 16.09.2016
Aktualisiert: 15.09.2016
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Eine Menschheitsfamilie. Eine Stimme. Kein Menschenhandel.“ - Unter diesem Motto versammelten sich vom 5. bis 7. September 2016 etwa 140 Fachleute zu einer internationalen Konferenz in der nigerianischen Hauptstadt Abuja. Caritas Internationalis und der Päpstliche Rat für die Seelsorge für Migranten und Menschen unterwegs hatten hierzu eingeladen.

Es war in jeder Hinsicht eine Veranstaltung der Vielfalt: Inmitten des bevölkerungsreichsten Landes Afrikas – mit seinen zahlreichen Ethnien, Sprachen, religiösen und kulturellen Prägungen, aber eben auch mit seinen immensen Problemen und Spannungen – kamen Delegierte aus 43 Ländern und vier Kontinenten zusammen. Neben Vertretern von Bischofskonferenzen, Caritas-Verbänden, Regierungs- und Nicht-Regierungs-Organisationen war vor allem eine Gruppe in großer Zahl vertreten: Ordensschwestern aus aller Welt, die sich mit großer Empathie und Expertise für die Anliegen der Opfer von Menschenhandel einsetzen – im Gebet, politisch-anwaltschaftlich, in der konkreten Fürsorge und mit persönlicher Zuwendung.

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Die Konferenz schärfte das Bewusstsein für die verschiedenen Formen des Menschenhandels in und aus Afrika. Schwerpunktthemen waren Phänomene des Menschenhandels in Krisensituationen, Zwangsprostitution, Kinderhandel sowie Menschenhandel zum Zweck der Arbeitsausbeutung, sei es in Privathaushalten oder in der industriell betriebenen Fischerei. Ein besonderer Fokus lag außerdem auf dem Zusammenhang zwischen der Bekämpfung des Menschenhandels und den nachhaltigen Entwicklungszielen der Vereinten Nationen. Insgesamt war das Programm darauf ausgerichtet, neben den Handlungsperspektiven katholischer Organisationen auch Möglichkeiten der ökumenischen, interreligiösen und zivilgesellschaftlichen Kooperation zu vertiefen (zum Programm der Tagung).

Ein bewegender Einstieg ins Thema

Der Einstieg in das Thema der Konferenz hätte kaum aufrüttelnder sein können: Zwei junge Frauen – die eine aus Nigeria, die andere aus Kenia – berichteten von ihrem Leidensweg. Beide hatten mit dem Verlassen ihrer Heimat große Hoffnungen verbunden, beide wurden stattdessen Opfer von Menschenhandel und Ausbeutung. Die ehemalige UNO-Sonderberichterstatterin zum Thema Menschenhandel, Joy Ngozi Ezeilo, brachte derartige Erfahrungen in ihrem Vortrag auf die griffige Formel „human trafficking is migration gone wrong“. Viele Opfer begreifen sich selbst zunächst als Migranten, die auf der Suche nach besseren Lebensperspektiven sind, und erkennen erst allzu spät, dass sie in die Falle der modernen Sklaverei gelockt wurden. Die Rolle der Kirchen beschrieb Ezeilo mit sechs Aʼs:

  1. Advocacy – kirchliche Verantwortungsträger sind gegenüber Staat und Gesellschaft Fürsprecher der Opfer;
  2. Assistance – durch konkrete Hilfsangebote ermöglichen es kirchliche Organisationen den Opfern, aus ihrer Zwangssituation herauszukommen und in ihrer Gesellschaft wieder Fuß zu fassen;
  3. Awareness raising – indem die Kirchen immer wieder auf die verschiedenen Phänomene des Menschenhandels aufmerksam machen, sensibilisieren sie eine breitere Öffentlichkeit für das Thema;
  4. Action – kirchliche Akteure tragen dazu bei, dass die nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen erreicht werden können, darunter gute Arbeitsbedingungen für alle Menschen und Geschlechtergerechtigkeit;
  5. Alliances – die Kirchen nutzen ihre weltweiten Netzwerke und Partnerschaften zur Bekämpfung des Menschenhandels;
  6. Accountability – die Kirchen erinnern die staatlichen Institutionen immer wieder daran, all jene internationalen Abkommen, die im Themenfeld Menschenhandel und Migration von Relevanz sind, auch tatsächlich umzusetzen.

Großbritanniens unabhängiger Anti-Sklaverei-Kommissar, Kevin Hyland, der aufgrund seiner früheren Tätigkeit bei der London Metropolitan Police mit der strafrechtlichen Verfolgung von Menschenhandel gut vertraut ist, lenkte den Blick auf die besondere Verantwortung der Europäer: Zu einem großen Teil kann es der Nachfrage durch europäische Kunden zugeschrieben werden, dass Arbeitsausbeutung und Zwangsprostitution weiterhin lukrative Geschäftsmodelle bleiben. Die auf Initiative der Bischofskonferenz von England und Wales gegründete „Santa Marta Group“ stellte er als ein beispielhaftes Projekt für den Austausch zwischen kirchlichen und staatlichen Stellen vor: Bischöfe und leitende Polizeibeamten aus über 30 Ländern treffen regelmäßig zusammen, um gemeinsam über wirksame Strategien zur Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz der Opfer zu beraten.

Kardinal Tagle: Den Opfern Gehör verschaffen

Der Präsident von Caritas Internationalis und Erzbischof von Manila, Kardinal Luis Antonio Tagle, ging in seinem Grundsatzreferat auf die tieferen Ursachen für das Phänomen des Menschenhandels ein: Wenn der Mensch den Menschen als Gebrauchsgegenstand betrachtet, dann zeugt dies letztlich von einem gestörten Verhältnis zur Schöpfung. „Menschenhandel verletzt die Natur und Würde des Menschen“, so Kardinal Tagle. Ausgehend von einer unbedingten Hochachtung gegenüber dem menschlichen Körper und menschlichen Geist müssen Christen auf allen gesellschaftlichen Ebenen das Gespür für eine umfassende „Ökologie des Menschen“ wecken und wachhalten. Sein Appell an staatliche und kirchliche Verantwortungsträger war klar: Alle sozialen Verwerfungen, die den Menschenhandel befördern, gilt es zu überwinden; nichts darf unversucht bleiben, um die Sklaverei in all ihren Formen aus der Welt zu schaffen. Im Mittelpunkt muss dabei stets die Perspektive der Opfer stehen. Diese – und viele weitere – Forderungen fanden auch Eingang in die Abschlusserklärung, die die Teilnehmer in mehreren Workshops gemeinsam erarbeiteten.

Von Alexander Kalbarczyk

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Zum Autor

Alexander Kalbarczyk ist Geschäftsführer der Migrationskommission der Deutschen Bischofskonferenz und Referent für politische und gesellschaftliche Fragen der Migration im Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz.