
Kolumbien: FARC-Rebellen setzen auf die Kirche
Kolumbien ‐ Nach jahrelangen Verhandlungen unterzeichnen FARC-Guerilla und die Regierung heute in Kolumbien den Friedensvertrag. Ein historischer Schritt, aber wie geht es danach weiter? In der heiklen Post-Konflikt-Phase kommt der katholischen Kirche in Kolumbien eine besondere Rolle zu.
Aktualisiert: 26.09.2016
Lesedauer:
Heute wird in Cartagena der Friedensvertrag unterzeichnet und am Wochenende stimmt das kolumbianische Volk über die historische Vereinbarung zwischen der linksgerichteten Guerilla-Organisation FARC und der Regierung von Präsident Juan Manuel Santos ab. Dann herrscht zumindest auf dem Papier Frieden und der älteste bewaffnete Konflikt Lateinamerikas ist beigelegt.
Doch was passiert, wenn sich einzelne FARC-Kämpfer nicht an die Abmachungen halten, rechte paramilitärische Gruppen Jagd auf entwaffnete Ex-Rebellen machen oder die rivalisierende ELN-Guerilla in das Machtvakuum drängt? In diesem Fall, vor dem sich viele Menschenrechtsorganisationen in Kolumbien fürchten, ist eine unabhängige dritte Kraft, ein neutraler Vermittler notwendig, um die Post-Konflikt-Phase zu stabilisieren und neue Konfliktherde zu entschärfen. Diese Rolle kommt nach Ansicht vieler Experten der katholischen Kirche zu.
„Wir schätzen die Ankündigungen des Papstes in Hinblick auf seine Unterstützung für den Friedensprozess sehr“, sagte FARC-Anführer Carlos Antonio Lozada der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) beim Nationalen Guerilla-Kongress der FARC in El Diamante. Franziskus hatte sich immer wieder hinter den schwierigen Dialog gestellt, offen seinen Rückhalt ausgedrückt. Das hat die FARC-Spitze beeindruckt. Wenn der Papst nächstes Jahr nach Kolumbien kommt, wird die Übergangszeit nach Abschluss des Friedensvertrags ein Thema seines Besuches werden. So sieht es auch Friedensnobelpreisträger Adolfo Perez Esquivel. Er sagte jüngst in Buenos Aires: „Die Kirche kann in Kolumbien zum Motor der Versöhnung werden.“
„Die Kirche kann in Kolumbien zum Motor der Versöhnung werden.“
Das mehrtägige Treffen der Guerilleros ging am Wochenende mit der Annahme des Friedensvertrages durch die Basis zu Ende. Gut eine Woche diskutierten die Rebellen über die Zeit danach, wenn aus der Guerilla-Bewegung eine neue Partei werden soll, die ihren ideologischen Kampf ohne Waffen, dafür aber mit Worten fortsetzt. Die katholische Kirche, so Lozada, aber auch alle anderen religiösen Gruppen, hätten die Kraft, für die Versöhnung innerhalb der kolumbianischen Gesellschaft zu sorgen. „Wir verpflichten uns diesem Aufbau eines neuen Kolumbiens.“
Das Bild der Kirche hat sich gewandelt
Was für die FARC-Kommandostrukturen gilt, gilt auch für die Basis. Guerillero Ademar (38) hat Vertrauen in die katholische Kirche: „Ich glaube, sie kann eine wichtige Stütze sein, wenn wir versuchen ein neues Kolumbien zu schaffen“, sagte er. Und auch bei denen, die nicht an Gott glauben, besitzt die Kirche einen hohen Stellenwert.
Das Bild, das die Guerillera und FARC-Krankenschwester Rubi (27) von der katholischen Kirche in Kolumbien hat, hat sich in den vergangenen vier Jahren stark verändert. Lange galten aus ihrer Sicht die Bischöfe als Komplizen der mächtigen kolumbianischen Eliten. Doch die ruhige, besonnene und vor allem neutrale Art, in der sich die Kirche hinter den Kulissen immer wieder in die Verhandlungen zwischen FARC und Regierung einschaltete, zeigt Wirkung.
Dieses hart erkämpfte Vertrauen kann noch einmal wichtig werden, im neuen Kolumbien, wenn der harte Alltag des Versöhnungsprozesses die Wunden aufreißt und alte Feindschaften wieder offen zutage treten.
Von Tobias Käufer (KNA)
© KNA