
Organisationen kritisieren Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte
Menschenrechte ‐ Auch deutsche Firmen nehmen Menschenrechtsverletzungen bei ihren Geschäften im Ausland in Kauf. Mit einem Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte will die Bundesregierung nun gegensteuern. Klingt gut, doch ein Ministerium blockiert den Entwurf. Entwicklungsexperten schlagen Alarm.
Aktualisiert: 24.10.2016
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Ob in Textilfabriken in Bangladesch, beim Kohleabbau in Kolumbien oder der Kakaoernte in Ghana: Viele Arbeiter weltweit verdienen unter menschenunwürdigen Bedingungen ihr täglich Brot, sind gesundheitlichen Risiken ausgesetzt oder werden von ihrem Land vertrieben. Auch deutsche Firmen nehmen in ihren Lieferketten solche Menschenrechtsverletzungen in Kauf.
Daher drängen Entwicklungsorganisationen und Verbände zum heutigen Welttag der menschenwürdigen Arbeit auf eine gesetzliche Verpflichtung für Unternehmen, bei ihren Geschäften im Ausland auf die Einhaltung der Menschenrechte zu achten.
Stein des Anstoßes ist der Nationale Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte, den die Bundesregierung derzeit verhandelt. Mit diesem Plan sollen die Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte in Deutschland umgesetzt werden. Unter der Federführung des Auswärtigen Amtes hatten sich die fünf beteiligten Bundesministerien (Arbeit, Wirtschaft, Justiz, Umwelt und Entwicklungshilfe) Anfang Juni auf einen gemeinsamen Entwurf geeinigt. Das Finanzministerium befürchtet jedoch Nachteile für deutsche Unternehmen und strich daraufhin wichtige Verbindlichkeiten und Kontrollmöglichkeiten.
Nichtregierungsorganisationen kritisieren Verwässerung des Entwurfs
Der aktuelle Entwurf sei auf Druck des Finanzministeriums so stark verwässert worden, dass er keine Wirkung mehr zeige, beklagen Organisationen wie der entwicklungspolitische Dachverband Venro, das Forum Menschenrechte, Misereor und Brot für die Welt. Mit einer Ballon-Aktion vor der Berliner Kongresshalle machten sie auf diesen Missstand aufmerksam. Dort fand am Donnerstag der Tag der Deutschen Industrie statt.

„Frau Merkel muss endlich klar Farbe bekennen: Auch bei ihren Auslandsgeschäften müssen deutsche Unternehmen dafür Sorge tragen, dass Menschenrechte geachtet werden. Dies ist keine Kür, sondern Pflicht“, erklärte der Venro-Vorsitzende Bernd Bornhorst am Donnerstag in Berlin.
Der Widerstand des Finanzministeriums und deutscher Unternehmerverbände gegen jegliche Form der Kontrolle sei nicht nachvollziehbar, klagte Heike Drillisch, Koordinatorin des Netzwerks für Unternehmensverantwortung. „Es wird Zeit, dass die Bundesregierung die richtigen Lehren zieht und die Unternehmen überprüfbar in die Verantwortung nimmt.“
Gemeinsam mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) sprachen sich Misereor, die Deutsche Kommission Justitia et Pax und die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung am Mittwoch ebenfalls für verbindliche gesetzliche Vorgaben aus. Geregelt werden solle, dass die Vergabe öffentlicher Aufträge und Außenwirtschaftsförderung nur zugelassen werden, wenn Unternehmen ihrer menschenrechtlichen Verantwortung und Sorgfaltspflicht nachkommen. Opfern müsse die Möglichkeit gegeben werden, eine Entschädigung einzuklagen, wenn deutsche Unternehmen ihre Menschenrechtsverpflichtungen im Ausland missachteten, so das Bündnis.
Gesetze statt freiwillige Selbstverpflichtungen
Der Vorsitzende der Deutschen Kommission Justitia et Pax, der Trierer Bischof Stephan Ackermann, erklärte, viele Arbeitnehmer weltweit lebten trotz einer Beschäftigung an oder sogar unter der Armutsgrenze. Oft hätten sie nicht einmal das Recht, sich gewerkschaftlich zu organisieren. Misereor-Hauptgeschäftsführer Pirmin Spiegel betonte, Deutschland trage dabei Mitverantwortung, denn auch deutsche Unternehmen bezögen Rohstoffe und Produkte aus dem Ausland, die unter menschenverachtenden Bedingungen gewonnen oder hergestellt würden.
Der DGB-Vorsitzende Rainer Hoffmann meinte, freiwillige Selbstverpflichtungen der Wirtschaft hätten sich nicht bewährt. Um Menschenrechte in der Wirtschaft zu schützen und zu fördern, „wäre ein beherzter gesetzlicher Rahmen für eine menschenrechtliche Sorgfaltspflicht sinnvoll“.
Bei einem Staatssekretärstreffen am heutigen Freitag soll der Entwurf des Aktionsplans erneut diskutiert und der Streit zwischen den Ressorts beigelegt werden. Ob sich die Ministerien tatsächlich auf einen gemeinsamen Aktionsplan einigen können, wird sich zeigen. (lek mit Material von KNA)
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