P. Klaus Väthröder über den neuen Generaloberen der Jesuiten
Jesuiten ‐ Nachdem bereits ein Jesuit aus Argentinien Papst geworden ist, hat der Orden vor wenigen Wochen mit Padre Arturo einen Venezolaner zum obersten Chef der mehr als 16.000 Jesuiten gewählt. Pater Klaus Väthröder, Leiter der Jesuitenmission in Deutschland, stellt ihn vor.
Aktualisiert: 29.11.2016
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Nachdem bereits ein Jesuit aus Argentinien Papst geworden ist, hat der Orden vor wenigen Wochen mit Padre Arturo Sosa SJ einen Venezolaner zum obersten Chef der mehr als 16.000 Jesuiten gewählt. Pater Klaus Väthröder, Chef der Jesuitenmission in Deutschland, stellt ihn vor:
Als ich Anfang der 1990er Jahre zum Studium nach Venezuela kam, wurde heftig im ganzen Land über einen möglichen Militärputsch gegen den damaligen Präsidenten Carlos Andrés Pérez spekuliert. Als Neuankömmling mit Militärputschen wenig vertraut, fragte ich einen landesweit anerkannten Politologen, meinen Mitbruder P. Arturo Sosa SJ, nach diesen Putschgerüchten und bekam als Antwort: „Da gibt es eher einen Militärputsch in Deutschland als in Venezuela.“
Prophezeiung eines Politologen
Ich war beruhigt. Einige Wochen später kam Arturo am Abend nach Hause in unsere Kommunität und fragte beim Abendessen in die Runde: „Wisst ihr, ob morgen eine Militärparade angesetzt ist? Da sind so viele Militärfahrzeuge auf den Straßen.“ Nach kurzem Nachdenken wurde diese Frage in der Runde verneint und wir gingen zu Bett. Drei Stunden später, es war der 4. Februar 1992, wurden wir von Maschinengewehrfeuer geweckt. Unter Anführung des damaligen Oberstleutnants und späteren Präsidenten Hugo Chávez versuchten die Putschisten vergeblich, den Präsidentenpalast einzunehmen, der etwa 800 Meter von unserer Kommunität entfernt ist. Gemeinsam mit Padre Arturo haben wir noch oft im Nachhinein über diese Geschichte gelacht. Das ist eine Charaktereigenschaft unseres neuen Pater General, der am 14. Oktober 2016 von der 36. Generalkongregation in Rom gewählt wurde: Er hat Humor und kann auch über sich selbst lachen.
Padre Arturo statt Pater General
Von 1991 bis 1997 lebte ich mit Padre Arturo in einer Kommunität in Caracas. In der Kommunität war er mein Oberer und im Sozialzentrum Centro Gumilla mein Chef. Während meines zweiten Aufenthaltes von 2000 bis 2007 in Venezuela war er die ersten Jahre mein Provinzial vor Ort, bevor er in Táchira die katholische Universität neu gründete und aufbaute. Arturo ist auf nationaler Ebene sehr bekannt und präsent in den venezolanischen Medien. Trotzdem ist er nie „abgehoben“, sondern ist für alle immer Padre Arturo geblieben – ein Name, den er ja auch als Generaloberer der Gesellschaft Jesu behalten möchte.
Rezeptaustauch mit der Köchin
Er hat eine große Fähigkeit, mit anderen Menschen in Beziehung zu treten. Er lässt sich immer ganz auf sein Gegenüber ein, egal ob er mit unserer Köchin Mercedes Kochrezepte austauscht, mit dem Präsidenten der Republik hohe Politik diskutiert, dem Kleinganoven im Barrio ins Gewissen redet oder einen schwierigen Mitbruder besänftigt. Auch als Professor, Provinzial und Universitätsrektor hat er den Kontakt zu den Armen nie abreißen lassen. Er arbeitete mit kleinen Kaffeebauern einer Kooperative und hatte immer ein pastorales Standbein unter den marginalisierten Bewohnern der Barrios. Die Nähe zu den Armen, der Dienst am Glauben sowie die Förderung der Gerechtigkeit, im Kontext der kulturellen Vielfalt, durchzieht sein Leben.
Das Unmögliche hoffen
„Glauben heißt: Das Unmögliche versuchen, das Unmögliche hoffen“ – dieses Thema seiner ersten Predigt als Generaloberer lebt er selbst und ermutigt auch andere dazu. Padre Arturo hat die Fähigkeit, die Realität zu durchdringen, neue Wege zu entdecken und strategische Visionen zu entwickeln. So geschehen in der zutiefst polarisierten politischen Situation Venezuelas oder später in der komplexen Grenzregion Kolumbien-Venezuela. Dabei bezieht er andere immer mit ein, um eine konsensfähige Entscheidung herbeizuführen, die er anschließend kompetent umsetzt. Beeindruckt hat mich der apostolische Planungsprozess der venezolanischen Provinz, an dem auch ich teilhaben durfte. Von Beginn an wurden auch nicht-jesuitische Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen verantwortlich einbezogen und er übertrug die Koordination des Prozesses einer Frau, was für manchen Jesuiten nicht einfach war. Das Ergebnis war ein apostolischer Provinzplan 2000–2020, nach dem die jesuitischen Werke der Provinz bis heute in einem Netzwerk zusammenarbeiten. Auch als Pater General bleibt er für mich Padre Arturo, der den Mitbrüdern, den Mitarbeitern und den Menschen in seiner Umgebung nahe ist. Er wird sicher die Gesellschaft Jesu auch in komplexen Situationen gut führen und aus seinem Glauben sowie der gemeinsamen Unterscheidung heraus neue Visionen für den Orden entwickeln.
Von Klaus Väthröder SJ
Aus: Weihnachtsausgabe des Magazins „weltweit“ der Jesuitenmission. Mit freundlichem Dank für die Genehmigung.
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