
Der vergessene Konflikt in den Nuba-Bergen
Sudan ‐ Der Alltag der Menschen in den Nuba-Bergen ist geprägt von Luftangriffen, Verfolgung, Hunger und Krankreit. Fernab von der öffentlichen Wahrnehmung spielt sich in der Grenzregion zwischen Sudan und Südsudan eine stille Katastrophe ab. Darauf machte das Kindermissionswerk in der vergangenen Woche mit einer Konferenz aufmerksam.
Aktualisiert: 05.12.2016
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Hilfen für die Menschen in den sudanesischen Nuba-Bergen standen im Zentrum einer dreitägigen Konferenz in der vergangenen Woche beim Kindermissionswerk „Die Sternsinger“ in Aachen. Ziel der Veranstaltung, an der Vertreter katholischer Hilfswerke aus Europa teilnahmen: die Opfer eines fast vergessenen Konfliktes wieder in den Fokus zu rücken.
Tägliche Angriffe mit Militärflugzeugen, Verfolgung, Hunger und Krankheit – so sieht der Alltag in den Nuba-Bergen aus, der Grenzregion zwischen dem Sudan und Südsudan. Macram Max Gassis, emeritierter Bischof der Diözese El Obeid, gab bei der Konferenz in Aachen Einblick in ein Drama, das sich abseits der Weltöffentlichkeit vollzieht.
Die Nuba-Berge liegen zwar im muslimisch dominierten Sudan, die Menschen dort fühlen sich aber dem Südsudan verbunden. Seit der Unabhängigkeit des Südsudan terrorisiert die sudanesische Regierung die Nuba immer wieder durch Bombenangriffe, die Region ist auch aufgrund von Erdölvorkommen von Interesse. Die Gewalt betrifft 1,3 Millionen Menschen, die Hälfte davon Kinder. Tausende haben sich auf die Flucht begeben. Das Vorgehen der sudanesischen Regierung gegen die Nuba kommt laut Macram Max Gassis einem Völkermord gleich:
„Wenn man Bomben auf Unschuldige wirft, vor allem auf Frauen, Kinder und Alte, wenn man sie hungern lässt, wenn man sie nicht mit Medizin versorgt … wie sieht dann die Zukunft dieser Menschen aus? Sie werden sterben – wenn nicht durch Kugeln oder Bomben, dann durch Krankheit oder Nahrungsmangel. Die Regierung in Khartum tötet unschuldige Zivilisten, damit wir keine Zukunft haben. Wie soll man das nennen? Auslöschung? Genozid? Für mich ist es eine komplette Zerstörung, was in den Nuba-Bergen geschieht.“
Nuba als Vorbild: Einheit in der Vielfalt

In den Nuba-Bergen leben traditionell verschiedene Volksgruppen mit jeweils eigenen Sprachen friedlich zusammen, die Gebirgsregion gilt als altes Rückzugsgebiet für kleinere ethnische Gruppen und Hirten, Arabisch ist hier nur zweite oder Verkehrssprache. Stammeskonflikte oder Religionskriege waren hier nie Thema, so Macram Max Gassis, die Auslöschung der Nuba wäre in seinen Augen auch deshalb fatal:
„Die Menschen aus den Nuba-Bergen geben Südsudan und den afrikanischen Ländern eine Lektion: Sie sind ein Geschenk. Afrikas Krebsgeschwür sind die Stammeskonflikte. Der Kontinent leidet unter dem Tribalismus, doch die Nuba können Afrika und Südsudan eine gute Lehre erteilen. Denn sie sind kein Stamm, sondern eine Rasse mit vielen Stämmen, und als solche leben sie zusammen. Religion spielt keine wichtige Rolle. In einer Nuba-Familie findet man also Katholiken, Protestanten, Muslime und diejenigen, die traditionellem Glauben anhängen. Sie leben Einheit in der Vielfalt. Deshalb muss die Kirche die Nuba vor der Vernichtung bewahren.“
Aufgrund der Kriegssituation sind die Basisversorgung und die internationalen Nothilfen für die Menschen in den Nuba-Bergen nahezu zum Erliegen gekommen. Das „Mother of Mercy“-Krankenhaus in Gidel, das einzige der Region, kommt mit der Behandlung von Kriegsverletzten und mangelernährten Kindern kaum noch nach. Fast allein die von Bischof Gassis gegründete Stiftung kann etwas Erleichterung für die Menschen bringen: Die „Bishop Gassis Relief and Rescue Foundation“ (BGREF) kooperiert mit katholischen Partner-Hilfswerken aus verschiedenen europäischen Staaten, in Deutschland etwa mit dem Kindermissionswerk, welches das Koordinationstreffen in der vergangenen Woche in Aachen ausrichtete. Ziel der Veranstaltung sei es, auf den blutigen Konflikt in der sudanesischen Grenzregion aufmerksam zu machen, so die zuständige Länderreferentin des Kindermissionswerks, Stefanie Frels. „Und auf der anderen Seite können unsere Partner zurückkehren und den Menschen sagen: Eure Probleme werden besprochen in Deutschland. Ihr seid nicht vergessen, ihr seid nicht abgehängt vom Rest der Welt.“ (Radio Vatikan/Kindermissionswerk)
Dieser Beitrag verwendet Ausschnitte eines Interviews mit Macram Max Gassis, das das Kindermissionswerk „Die Sternsinger“ in der vergangenen Woche in Aachen führte.
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