Tropenmediziner Ochel über Antibiotika-Resistenzen und deren Folgen

Tropenmediziner Ochel über Antibiotika-Resistenzen und deren Folgen

Gesundheit ‐ Antibiotika können Leben retten. Doch immer häufiger versagen Therapien, da Krankheitserreger resistent geworden sind. Dadurch können auch einfache Infektionen zur tödlichen Gefahr werden. Welche Rolle die Problematik der Antibiotika-Resistenzen für die Kirche spielt, erklärt Tropenmediziner Dr. Klemens Ochel vom Missionsärztlichen Institut im Interview.

Erstellt: 12.12.2016
Aktualisiert: 01.12.2022
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Antibiotika können Leben retten. Doch immer häufiger versagen Therapien, da Krankheitserreger resistent geworden sind. Dadurch können auch einfache Infektionen zur tödlichen Gefahr werden. Mit einem Aktionsplan will Caritas Internationalis Antibiotika-Resistenzen den Kampf ansagen. Welche Rolle das Thema gerade für die Kirche spielt, erklärt Tropenmediziner Dr. Klemens Ochel vom Missionsärztlichen Institut im Interview.

Frage: Herr Ochel, heute beginnt im Vatikan eine Konferenz von Caritas Internationalis zum Thema Antibiotika-Resistenzen. Welche Verbindung hat gerade die Kirche zu diesem Thema?

Ochel: Die Kirche ist neben den Staaten der größte zivilgesellschaftliche Anbieter von Gesundheits- und Sozialdiensten in der Welt. Die katholische Kirche betreibt weltweit über 5.000 Krankenhäuser. Da ist der Einsatz von Antibiotika ein tagtägliches Thema. Genauso wie in Krankenhäusern der Ersten Welt wird auch in jenen der sogenannten Entwicklungsländer wahrgenommen, dass Antibiotika immer seltener wirksam sind.

Frage: In manchen Entwicklungsländern haben die Patienten erst gar keinen Zugang zu Antibiotika. Besteht dort überhaupt die Gefahr von Resistenzen?

Ochel: Es fehlt der Zugang zu den richtigen Antibiotika. Manchmal werden Medikamente eingesetzt, die zwar vorhanden, aber für das Krankheitsbild gar nicht wirksam sind. Die falsche Anwendung führt dazu, dass sich Resistenzen entwickeln. Hinzu kommen Fälle, in denen Antibiotika nicht vollumfänglich zur Verfügung stehen. Jede Therapie geht über einen gewissen Zeitraum – meist fünf bis sieben Tage; für Krankheiten wie Tuberkulose sogar sechs Monate und mehr. Dass die angezeigten Medikamente während der gesamten Therapie zur Verfügung stehen und zugleich auch richtig eingenommen werden, ist alles andere als selbstverständlich.

Frage: Wie kann man Antibiotika-Resistenzen vorbeugen?

Bild: © Missionsärztliches Institut

Ochel: Die Vermeidung von Resistenzen ist vielschichtig. Zunächst müssen Patienten darüber aufgeklärt werden, dass sie ihre Medikamente wie verordnet nehmen. Das setzt natürlich voraus, dass die entsprechenden Arzneien verfügbar sind. Darüber hinaus müssen Ärzte und Gesundheitsarbeiter lernen, Antibiotika entsprechend der internationalen Empfehlungen und Standards einzusetzen. Wichtig sind auch regelmäßige Untersuchungen auf Resistenzen. Dafür müssen Labore so ausgestattet sein, dass dort Bakterien kultiviert und Erreger wie Malaria auf mögliche Resistenzen getestet werden können. Das Missionsärztliche Institut arbeitet hier beispielsweise mit dem Bugando Medical College in Tansania zusammen. Wir testen insbesondere Gefährdungsgruppen, z. B. Gefängnisinsassen, auf Resistenzen bei HIV/Aids und Tuberkulose.  

Frage: Der Deutsche Ethikrat hat kürzlich darüber debattiert, ob im Kampf gegen Resistenzen der Antibiotika-Einsatz rationiert werden darf. Wie schätzen Sie diese Frage ein? Selbstregulierung oder gesetzliche Vorgaben?

Ochel: Ich halte sehr wenig von Zwangsmaßnahmen. Im Vergleich der OECD-Länder steht Deutschland gar nicht so schlecht da. In anderen Ländern, z. B. in Frankreich, werden noch mehr Antibiotika eingesetzt. Deutschland tut schon sehr viel, um diesem Problem entgegenzuwirken. In manchen Krankenhäusern finden beispielsweise regelmäßig Konferenzen statt, bei denen sich Ärzte über einen sinnvollen Einsatz von Antibiotika austauschen. Kurzum: Ausbildung und die Einhaltung von Standards sind bessere Wege als gesetzliche Zwangsmaßnahmen.

Frage: Die WHO spricht angesichts der akuten Bedrohung durch multiresistente Keime von einer „post-antibiotischen Ära“. Stimmen Sie dem zu?

Ochel: Wenn ich mir anschaue, mit welch hoher Rate Arzneimittel zurzeit unwirksam werden, mache ich mir große Sorgen. Geht es so weiter, werden wir in absehbarer Zeit keine Behandlungsmöglichkeiten mehr für schwerwiegende Infektionen haben. Die Folge davon ist, dass wir große medizinische Operationen, wie Herzkatheter-Untersuchungen, Herztransplantationen oder Krebsbehandlungen, bei denen schwere Eingriffe in das Immunsystem des Patienten nötig sind, nicht mehr durchführen können. Das Risiko der Ansteckung mit gefährlichen Keimen, für die wir keine Behandlungsmöglichkeit mehr haben, wäre einfach zu groß. Wir verlieren unsere Hochtechnologie im Kampf gegen resistente Keime.

Frage: Caritas Internationalis möchte auf der Konferenz einen Aktionsplan gegen Antibiotika-Resistenzen erstellen. Wie soll dieser konkret aussehen?

Ochel: Die katholische Kirche will durch diese Konferenz vor allem die Vielschichtigkeit des Themas aufzeigen und deutlich machen, wie Menschen in Entwicklungsländern bereits jetzt an Arzneimittel-Resistenzen leiden. Wir hören hier in Deutschland immer von exotischen Keimen, die in Neugeborenen-Stationen auftauchen, aber für die Menschen in Entwicklungsländern sind Arzneimittel-Resistenzen zu den großen Infektionskrankheiten – HIV/Aids, Tuberkulose oder auch Malaria – eine viel größere Gefahr. Die Konferenz in Rom wird u. a. mitgetragen von der amerikanischen Regierung und von Fachleuten der Georgetown University in Washington. Wir wollen uns mit diesen Partnern vernetzen und hoffen, gemeinsam konkrete Projekte, z. B. in den von Ebola betroffenen Gebieten, auf den Weg bringen zu können.

Das Interview führte Lena Kretschmann.

© weltkirche.katholisch.de

Gesundheitsdienste der Katholischen Kirche

Die römisch-katholische Kirche ist weltweit der größte zivilgesellschaftliche Anbieter von Gesundheitsdiensten. Laut dem Päpstlichen Rat für die Pastoral im Krankendienst betreibt sie 26 Prozent der weltweiten Gesundheitseinrichtungen - darunter rund 18.000 Kliniken, 16.000 Alten- und Pflegeheime und 5.500 Krankenhäuser. 65 Prozent dieser Dienste befinden sich in Entwicklungsländern. (Quelle: Wikipedia)