Spiritaner fliehen von Diözese Alindao in den Kongo
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Spiritaner fliehen von Diözese Alindao in den Kongo

Zentralafrikanische Republik ‐ Am Sonntag ist unser Blog-Autor, der Spiritaner Olaf Derenthal, mit seinen Mitbrüdern und Gemeindemitgliedern aus der Zentralafrikanischen Republik in den benachbarten Kongo geflohen. Grund dafür sind zunehmende Spannungen in der Diözese Alindao. Ein Überblick.

Erstellt: 30.05.2017
Aktualisiert: 30.05.2017
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Am Sonntag ist unser Blog-Autor, der Spiritaner Olaf Derenthal, mit seinen Mitbrüdern und Gemeindemitgliedern aus der Zentralafrikanischen Republik in den benachbarten Kongo geflohen. Grund dafür sind zunehmende Spannungen durch das Eindringen bewaffneter Gruppen in die Diözese Alindao. Das sagte uns Annette Funke, Länderreferentin vom Kindermissionswerk „Die Sternsinger“, mit der wir erst kürzlich über die sich verschärfende Situation in der Diözese Alindao sprachen. Sie steht in engem Kontakt mit Derenthal und dem Bischof der Diözese. Andere Informationsquellen zur Lage vor Ort gebe es auch kaum, so Funke, und zuletzt sei auch der Kontakt zu den kirchlichen Partnern schwierig: Olaf Derenthal hatte zwischenzeitlich weder Internet- noch Telefonanschluss. Er ist erst seit Oktober 2016 in der Region, war als Krankenpfleger und Missionar zuletzt in der Provinzhauptstadt Mobaye tätig. Doch dann ging plötzlich alles ganz schnell. Ein Überblick.

In der Provinzhauptstadt Mobaye herrscht Angst vor Angriffen der Anti-Balaka-Kämpfer. Bislang waren hier nur Séléka-Milizen, mit denen auch die lokale Kirche an sich ein friedliches Verhältnis pflegte. Mit dem Eindringen neuer bewaffneter Splittergruppen in den vergangenen Monaten nahmen die Spannungen zu. In Mobaye sind bereits drei Viertel der 24.000 Einwohner geflohen, die meisten auf die andere Flussseite in die Demokratische Republik Kongo. Über 5.000 Menschen harren in dieser Region auf Sandbänken im Fluss aus.

In Alindao, dem Bischofssitz der Diözese, hat es bereits Tote gegeben: Bei Auseinandersetzungen der Rebellengruppen wurden bis zu 148 Menschen getötet, mittlerweile suchen in der Stadt laut der Diözese über 16.000 vertriebene Menschen Zuflucht, davon über 14.000 in den katholischen Einrichtungen der Diözese.

Olaf Derenthal und zwei seiner Mitbrüder befanden sich zuletzt in der Grenzstadt Mobaye, die nur noch ein Fluss von der Demokratischen Republik Kongo trennt. Weil die Konflikte immer näher kamen, entschieden auch sie sie sich am vergangenen Sonntag zur Flucht über den Fluss – so wie viele tausend Menschen, die im Kongo nun als Kriegsflüchtlinge in Lagern des Flüchtlingshochkommissariats UNHCR und der Umgebung aufgenommen wurden. Pater Derenthal und seine zwei Mitbrüder sind bei einer Ordensgemeinschaft im nahegelegenen Ort Gbadolite untergekommen.

Kapazitäten der Kirche reichen nicht aus

Dabei ist eine Abwanderung kirchlicher Strukturen für die staatlich vernachlässigte Region in der Zentralafrikanischen Republik fatal. „Die katholische Kirche ist die einzige Institution, die im ganzen Land organisierte Strukturen hat und an der Basis präsent ist“, sagte Annette Funke, Länderreferentin für die Zentralafrikanische Republik vom Kindermissionswerk „Die Sternsinger“ uns bereits jüngst in einem Interview. Allerdings hätten eben auch kirchliche Helfer Grenzen, betont sie im erneuten Gespräch: Die Schwesternkongregationen der Diözese Alindao sind bereits in den Unruhen 2013 abgereist und nicht mehr zurückgekommen. In Alindao kümmern sich momentan sieben Priester und einige Caritas-Mitarbeiter um 14.000 Flüchtlinge. „Das ist einfach nicht zu gewährleisten“, so Funke. „Es bleibt ja nicht bei der seelsorglichen Hilfe, sondern es braucht Gesundheitsversorgung und Lebensmittel“. Inzwischen bahnt sich nämlich auch eine Ernährungskrise an. Die Kornspeicher wurden geplündert oder verbrannt, die Menschen können ihre Felder nicht mehr bestellen. Sie haben kaum Zugang zu sauberem Trinkwasser.

Die diözesanen Einrichtungen sind zwar bemüht, den Bedarf zu decken, aber die Kapazitäten reichen bei Weitem nicht aus. „Auch größere humanitäre Organisationen im Land sind eigentlich permanent überfordert, da es viele unterschiedliche Konfliktherde auf einmal gibt. Zudem fehlen aufgrund der bislang ruhigen Lage in Alindao Hilfsstrukturen und die südlichen Orte sind aufgrund mangelhafter Infrastruktur ohnehin schwer zu erreichen,“ so Funke. Hinzu komme, dass den Organisationen das Personal fehle, um die Hilfsoperationen zu sichern. Erste Übergriffe auf Helfer wurden bereits gemeldet.

Hintergrund für die neue Gewalt

„Die lang anhaltende Präsenz und das Wüten der bewaffneten Gruppen, der Séléka, in unserer Region ließen die Hoffnung der Bevölkerung auf ein Ende der Gewalt langsam zerbröckeln“, erklärt der Bischof von Alindao, Cyr-Nestor Yapaupa die neuerliche Gewalt. Schutzgelderpressung, Straßenbarrieren und eine systematische Kontrolle durch die Séléka hätten zunehmend zu Hass und Aggression gegenüber den bewaffneten Gruppen geführt. In den letzten Jahren sei es an unterschiedlichen Orten der Region mehrfach zu Plünderungen, Anschuldigungen, Morddrohungen, Gefangennahmen, Sanktionen, Zwangssteuern bis hin zu Mord, Massakern und abscheulicher Gewalt gekommen.

Papst Franziskus hatte im November 2015 die Zentralafrikanische Republik besucht und zu Frieden und Versöhnung aufgerufen. Als Zeichen seiner Nähe zu den Muslimen des Landes fuhr er gar mit dem Imam der Moschee von Bangui ein Stück mit dem Papamobil.

Dabei war zumindest in der Diözese Alindao das Verhältnis zwischen Muslimen und Christen bislang friedlich, betont der Bischof der Diözese, Cyr-Nestor Yapaupa. „Unsere Diözese ist eine der wenigen Regionen des Landes, wo noch alle Zentralafrikaner verschiedener Religion leben – auch Muslime.“ In seiner Diözese lebten Christen, ob Katholiken oder Protestanten, „in einer guten Symbiose“ mit den Muslimen. Es gebe in fast allen Unterpräfekturen sogenannte lokale interreligiöse Plattformen, um die interreligiösen Beziehungen zu stärken und den sozialen Frieden zwischen den verschiedenen Gruppen zu wahren. „Zu unserer großen Überraschung haben sich bei den aktuellen Ausschreitungen einige Muslime wie Henker gegenüber ihren christlichen Brüdern gezeigt. Dies wird sicherlich das vertrauensvolle Verhältnis untereinander stören. Aber wir werden alles tun, um durch Dialog die gegenseitige Akzeptanz und das Vertrauen wieder herzustellen,“ so der Bischof.

Bild: © Sternsinger

Die katholische Kirche hat sich immer wieder auf vielfältige Art und Weise für ein friedvolles Zusammenleben in der Zentralafrikanischen Republik eingesetzt – sowohl mit den lokalen interreligiösen Plattformen von Christen und Muslimen als auch mit der Kommission Gerechtigkeit und Frieden. Der Bischof von Alindao selbst hat Friedensverhandlungen mit dem Rebellenchef Ali Darass der Sélékagruppe UPC geführt – offenbar erfolgreich: der General der UPC rief in einer Presseerklärung vom 20. Mai zu Frieden auf, verurteilte die Gewalt der einzelnen bewaffneten Gruppen und mahnte die Bevölkerung, nicht gewaltbereiten Gruppen nachzugeben.

Die Zentralafrikanische Bischofskonferenz forderte unterdessen eine Verstärkung der Mediation, die Entsendung von UN-Truppen zur Trennung der Konfliktparteien und dem Schutz der Zivilbevölkerung. Außerdem müsse das Programm zur Entwaffnung und Reintegration beschleunigt werden und die staatliche Autorität sowie Maßnahmen für arbeitslose Jugendliche wiederhergestellt werden. Aktuell sind in der Konfliktregion auch alle Schulen geschlossen.

Das Kindermissionswerk „Die Sternsinger“ hat angesichts dieser schwierigen Situation ein Friedensgebet für die Zentralafrikanische Republik initiiert, die Missionare auf Zeit (MaZ) bildeten eine Gebetskette. Die Gebete müssten weitergehen, bekräftigte der Spiritaner Olaf Derenthal im letzten Gespräch mit dem Kindermissionswerk. Denn die Lage für die Menschen im Süden der Zentralafrikanischen Republik verschlechtere sich zunehmend. Immerhin: Vielen Menschen sei die Flucht gelungen und sie seien jetzt in Sicherheit.

Von Claudia Zeisel

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