Ex-Zornedinger Pfarrer zum Thema Rassismus
Weltkirche ‐ Rassistische Anfeindungen gegen den Pfarrer in Zorneding sorgten 2016 für Aufsehen. Der aus dem Kongo stammende Olivier Ndjimbi-Tshiende (68) im Interview über sein Buch „Und wenn Gott schwarz wäre - Mein Glaube ist bunt“, das am Montag erscheint.
Aktualisiert: 25.09.2017
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Rassistische Anfeindungen gegen den Pfarrer in Zorneding sorgten 2016 für Aufsehen. Der aus dem Kongo stammende Olivier Ndjimbi-Tshiende (68), seit 2011 deutscher Staatsbürger, war in die Schlagzeilen geraten. Grund war unter anderem sein Lob für die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin. CSU-Lokalpolitiker traten zurück, ein Rentner wurde wegen Volksverhetzung verurteilt, Tshiende verließ die Pfarrei und ging nach Eichstätt. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) sprach mit ihm über sein Buch „Und wenn Gott schwarz wäre - Mein Glaube ist bunt“, das am Montag erscheint.
Frage: Pfarrer Tshiende, mussten Sie zum Schreiben überredet werden?
Tshiende: Nein. Seit der Geschichte in Zorneding habe ich mir viele Gedanken über die Kirche und den Glauben gemacht. So dass es für mich fast selbstverständlich war, dies niederzuschreiben. Die Leute sollen wissen, was ich denke und möchte, nicht für mich, sondern für meine Kirche.
Frage: Wie denken Sie über Rassismus?
Tshiende: Der Rassismus ist eine Anfrage an uns und die Kirche. Denn sie predigt die Liebe als das größte Gebot Jesu Christi. Rassismus ist eine Tat gegen die Liebe und daher immer gottesfeindlich.
Frage: Wie geprägt sind Sie von der Kirche im Kongo?
Tshiende: Meine Eltern waren beide katholisch. In unserer Familie haben wir wirklich unseren Glauben in die Tat umgesetzt. Durchreisende haben bei uns übernachtet und wurden verpflegt. Jeden kirchlichen Festtag besuchten wir den Gottesdienst, auch wenn wir dorthin 18 Kilometer zu Fuß laufen mussten. Vor allem meine Mutter legte mir ans Herz, Gott zu respektieren, zu ehren und die Menschen zu lieben.
„Der Rassismus ist eine Anfrage an uns und die Kirche.“
Frage: Wo sehen Sie die Unterschiede zwischen der Kirche in Ihrem Heimatland und in Deutschland?
Tshiende: Der Gottesdienst im Kongo ist viel lebendiger. Die Kirchen sind zwar nicht so prunkvoll, aber deutlich voller. Die Musik ist für alle, und jeder singt kräftig mit, egal ob richtig oder falsch. In Deutschland singt in erster Linie der Chor, wie überhaupt die Musik von geschulten Leuten kommt. Das ist von anderer Qualität. In Afrika erzählt man zudem viel mehr von seinem Glauben, hier werden die liturgischen Bücher durchgegangen. Auf beiden Seiten könnte man voneinander lernen.
Frage: Sie kritisieren die Entfremdung unter den Menschen durch Globalisierung und Flexibilisierung. Wie kann die Kirche helfen?
Tshiende: Die Kirche sollte zurück zum Wesentlichen am Wort Gottes gehen, das sind Liebe und Nächstenliebe. Sie muss die Welt und die Politik daran erinnern, dass das Materielle nicht das Wichtigste ist. Wir Menschen unterscheiden uns von den Tieren durch den Verstand. Wenn wir die Globalisierung nur im Sinne der Wirtschaft verstehen und die Menschlichkeit nicht beachtet wird, sind wir auf dem falschen Weg. Wir arbeiten und entwickeln doch Sachen für die Menschen. Aber wenn wir diese kaputt machen, was für eine Welt schaffen wir dann?
Frage: Warum ist Papst Franziskus für Sie ein Hoffnungsträger?
Tshiende: Ich schätze an ihm seine Barmherzigkeit. Er beruft sich immer wieder auf Jesus Christus und dessen Verhalten. Dieser Papst nimmt das Wort Gottes ernst. Er redet nicht nur davon, sondern er lebt es und will die Menschen dazu bringen, dass sie das auch tun.
Frage: In Sachen Zölibat sind Sie anderer Meinung.
Tshiende: Der priesterliche Zölibat gehört nicht unbedingt zum Priestertum. Das ist ein Gesetz aus früheren Zeiten, das man ändern kann, weil es nicht von Gott, sondern von den Menschen kommt. Jesus hat für seine Nachfolge verheiratete und unverheiratete Menschen gewählt. Und wenn Jesus sich so verhalten hat, warum tut es dann nicht die Kirche?
Frage: Auch Frauen sind für Sie als Priesterinnen denkbar; für den Papst nicht.
Tshiende: Als einfacher Priester und Wissenschaftler bin ich da natürlich freier. Doch wenn wir wirklich logisch denken in Bezug auf das Evangelium und das Verhalten Jesu gegenüber Frauen betrachten, dann gibt es für mich da keine Frage. Das Priesteramt ist ein Amt in der Kirche. Auch Maria hatte ein Amt, nämlich den Sohn Gottes in die Welt zu bringen. Wenn eine Frau diese Würde besitzt, besitzt sie auch die Würde, Priester zu werden. Maria wird ja auch als Königin der Apostel verehrt. Ich sehe überhaupt kein Problem darin, dass Frauen Priester werden, auch Kardinäle oder Päpste.
Frage: Die evangelische Kirche hat verheiratete Pfarrer und Pfarrerinnen, aber dennoch gibt es zahlreiche Austritte. Warum?
Tshiende: Dafür gibt es viele Gründe. Menschen verlassen die Kirche oft wegen des Geldes, aber auch weil sie sich daran stören, wie wir als Amtsträger mit dem Volk Gottes umgehen. Manchmal ärgern sich die Leute, weil wir uns unmöglich verhalten. Das Priestertum der Frauen oder verheiratete Priester sind kein Allheilmittel gegen leere Kirchen. Wenn es um weltliche Probleme geht, reagieren beide Kirchen meist ähnlich. Sie orientieren sich weniger am Verhalten Gottes als an der Theologie. Doch Theologie ist nicht das Wort Gottes, sondern eine Wissenschaft über das Wort Gottes und über Gott.
Frage: Kritisch sehen Sie auch die Glaubenskongregation. Was stört Sie?
Tshiende: Dieses Gremium brauchen wir, damit in der Kirche der richtige Glaube bewahrt wird. Aber so wie es bis jetzt funktioniert, werden Dinge zunächst einmal gestoppt und dann Leute bestraft, wenn sie etwas anderes gesagt haben. Aber die Kongregation sollte nicht verurteilen. Schon Jesus hat gesagt: Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet. Stattdessen gilt es, brüderlich und geschwisterlich die Leute hinzuweisen: Vorsicht, so nicht.
Frage: Was soll Ihr Buch bewirken?
Tshiende: Wenn die Leute wieder über die Bibel, über das Wort Gottes und über die Werte des Lebens reden, wäre das schön. Ich würde mich wirklich sehr freuen, wenn es Diskussionen anregen könnte.