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Ökobauer: Landwirtschaft beim Klimaschutz berücksichtigen

Klimagipfel ‐ Landwirtschaft - dieser Begriff taucht im Pariser Klimaabkommen kein einziges Mal auf, kritisiert Felix Prinz zu Löwenstein, Ökobauer und Vorsitzender des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft. Dabei ist Landwirtschaft Opfer und Verursacher des Klimawandels.

Erstellt: 14.11.2017
Aktualisiert: 14.11.2017
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Landwirtschaft - dieser Begriff taucht im Pariser Klimaabkommen kein einziges Mal auf, kritisiert Felix Prinz zu Löwenstein. Der Ökobauer und Vorstandsvorsitzende des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft wünscht sich mehr Aufmerksamkeit für dieses Thema in Politik und Medien, ist die Landwirtschaft doch Opfer und Verursacher des Klimawandels zugleich.

Frage: Herr Löwenstein, Sie kritisieren, dass im Klimaabkommen von Paris das Wort Landwirtschaft nicht einmal vorkommt. Warum?

Löwenstein: Das ist wirklich sehr problematisch, weil Landwirtschaft als erste betroffen ist von der globalen Erwärmung. Und zwar dort, wo die Menschen am wenigsten zum Klimawandel beigetragen haben. Auf der anderen Seite produziert die Landwirtschaft einen erheblichen Anteil an Klimagasen, die den Klimawandel verursachen. Da wäre sehr viel Änderung möglich und nötig. Die Landwirtschaft verfügt eigentlich über die technischen Möglichkeiten, Kohlenstoff in Böden zu speichern und ihn damit der Atmosphäre zu entziehen – und das in einem nicht unerheblichen Maße. Die Französische Regierung hat in Paris eine solche Initiative vorgebracht, die auch von der deutschen Regierung unterstützt wurde. Sie wurde aber kaum wahrgenommen. Die Landwirtschaft muss ins Zentrum der Diskussion gerückt werden. Es macht mich ganz krank, dass dieser wichtige Hebel in Medien und Politik weder genannt noch betätigt wird.

Frage: Sie haben von Ihrer Familie einen jahrhundertealten Gutshof übernommen und sich entschieden, zum Ökobauern zu werden. Haben Sie den Eindruck, dass es da ein Umdenken gibt bei den deutschen Bauern?

Löwenstein: Es gibt zunehmend Nachdenklichkeit bei den Kollegen, viele sind aber in ihrem System gefangen, etwa, wenn sie eine Mast mit 10.000 Schweinen aufgebaut haben. Hinzu kommt ein Mangel in der Ausbildung: Die jungen Leute lernen an den Fachschulen und Unis nichts über ökologischen Anbau. In der Regel gibt es da sogar eher Vorurteile. Ich plädiere dafür, die ökologische Landwirtschaft dort zum Prüfungsfach zu machen. Auch die Forschung in diesem Bereich muss stärker als bislang gefördert werden. Ein Problem sind da auch die politischen Rahmenbedingungen. Bislang hat immer noch derjenige die größten Chancen auf dem Markt, der die meisten Produktionskosten auf die Allgemeinheit abwälzt, um dann ein billiges Produkt anzubieten.

„Es macht mich ganz krank, dass dieser wichtige Hebel in Medien und Politik weder genannt noch betätigt wird.“

—  Zitat: Felix Prinz zu Löwenstein, Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft

Frage: Beim Klimagipfel in Bonn begegnen Sie Vertretern von Bauern aus der ganzen Welt, etwa aus den Philippinen. Da wird berichtet von den Folgen des Klimawandels und dem Einsatz von Pestiziden des US-Saatgutherstellers Monsanto, den das deutsche Unternehmen Bayer demnächst zu übernehmen plant. Wünschen Sie sich gerade mit Blick auf die Bauern in ärmeren Ländern mehr Verantwortungssinn von Seiten der deutschen Wirtschaft?

Löwenstein: Eine Sache gilt global – egal, ob hier oder auf den Philippinen: Landwirtschaft ist ein Teil des Ökosystems. Und wenn dieses Ökosystem zusammenbricht, funktioniert Landwirtschaft auch nicht mehr. Wir nehmen das jetzt endlich wahr mit Blick auf das massive Insektensterben hier in Deutschland. Wir brauchen vor allem deshalb eine andere Landwirtschaft, weil wir sie momentan betreiben zu Lasten der Grundlagen, die die Landwirtschaft braucht, um produzieren zu können: Biodiversität, Wasser, Bodenfruchtbarkeit. Der Klimawandel, den die Landwirtschaft mit verursacht, ist rückwirkend ja auch wieder eine Beeinträchtigung der Produktionskapazität.

Wenn wir auf die Bauern in den Philippinen schauen, dann sehen wir agrarökologische Produktionssysteme, die versuchen, natürlichen Systemen so nah wie möglich zu sein. Dadurch können sie unabhängig werden von teuren Einkaufsmitteln wie industriellen Spritz- und Düngemitteln. Das ist die einzig wirklich funktionierende Alternative für die Kleinbauern. Die Kleinbauern sind ja keine aussterbende Spezies – im Gegenteil: In Asien umfasst ein landwirtschaftlicher Betrieb im Schnitt 1,4 Hektar. Die Welternährung beruht auf Kleinbauern. Das heißt, wenn wir über neue Agrarsysteme nachdenken, müssen wir diese Menschen im Blick haben.

Das Interview führte Claudia Zeisel

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