Indiens Bischöfe: „Lassen uns nicht unterkriegen“
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Indiens Bischöfe: „Lassen uns nicht unterkriegen“

Indien ‐ Die Situation der etwa zwei Prozent Christen in Indien ist alles andere als einfach. Zunehmende Anfeindungen radikaler Hindu-Nationalisten machen ihnen das Leben schwer. Umso mehr hoffen sie auf einen Besuch von Papst Franziskus noch in diesem Jahr. Auch die gemeinsame Fastenaktion mit dem deutschen Hilfswerk Misereor soll neue Impulse bringen, betont Bischof Theodore Mascarenhas, der Generalsekretär der Bischofskonferenz, im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) am Rande der Bischofsvollversammlung im südindischen Bangalore.

Erstellt: 07.02.2018
Aktualisiert: 04.01.2023
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Die Situation der etwa zwei Prozent Christen in Indien ist alles andere als einfach. Zunehmende Anfeindungen radikaler Hindu-Nationalisten machen ihnen das Leben schwer. Umso mehr hoffen sie auf einen Besuch von Papst Franziskus noch in diesem Jahr. Auch die gemeinsame Fastenaktion mit dem deutschen Hilfswerk Misereor soll neue Impulse bringen, betont Bischof Theodore Mascarenhas, der Generalsekretär der Bischofskonferenz, im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) am Rande der Bischofsvollversammlung im südindischen Bangalore.

Frage: Bischof Mascarenhas, wie erleben Sie die aktuelle Situation der katholischen Kirche in Indien?

Mascarenhas: Das Klima wird rauer. Mit einzelnen regelrechten Hasskampagnen, die sehr gefährlich sind. Da wird uns etwa vorgeworfen, wir wollten alle Hindus missionieren oder wir seien eine Gefahr für die Hindu-Mehrheit. Und diese Kampagnen – mit Facebook-Aufrufen und immer mehr gewalttätigen Übergriffen – macht vielen Christen Angst.

Frage: Was ist dran an den Vorwürfen?

Mascarenhas: Nichts. Gar nichts. Die katholische Minderheit ist seit jeher eine friedliebende Gemeinschaft in Indien, die allen hilft und sich für die Würde und das Wohl aller Menschen einsetzt, egal welcher Religion sie angehören. Denken Sie etwa an die mehr als 25.000 Schulen und anderen Bildungseinrichtungen – zum Teil ohne einen einzigen katholischen Schüler. Oder die mehr als 85.000 Betten pro Tag in unseren Krankenstationen, Kliniken und anderen medizinischen Einrichtungen. Und mit unserer Hilfe erreichen wir ganz viele Menschen an den Rändern, die Armen und Ausgegrenzten, um die sich sonst oft niemand kümmert.

Frage: Wie reagieren Sie auf diese zunehmenden Anfeindungen, Drohungen und tatsächlichen Angriffe?

Mascarenhas: Natürlich sind viele beunruhigt und vorsichtig. Aber wir setzen unsere Arbeit fort, wir lassen uns nicht unterkriegen. Ich sage immer: Die Kirche ist dann am stärksten, wenn sie besonders angefeindet wird. Wir machen weiter – geduldig, mit langem Atem. Aber es gibt schon die Angst, es könnte noch viel schlimmer werden.

Frage: Hilft ihnen die Politik?

Mascarenhas: Wir haben viele gute Gespräche mit der politischen Führungsspitze. Und wir wollen ja auch keine Sonderrechte für Christen – oder Muslime oder Hindus. Wir haben eine säkulare Verfassung, und ich erinnere sie immer wieder an die Werte unserer Verfassung! Steht zu diesen Werten und setzt sie durch, sage ich Politikern aller Parteien! Lasst unser Land ein säkulares Land bleiben, dass von Recht und Gesetz bestimmt wird – und nicht von randalierenden Mobs oder von religiösen Fundamentalisten und Nationalisten.

Frage: Sie starten in dieser Situation erstmals eine gemeinsame Fastenaktion mit dem katholischen Hilfswerk Misereor aus Deutschland. Was erhoffen Sie sich davon?

Mascarenhas: Eine Menge! Ich denke, dieser innovative Ansatz zeigt den Weg in die Zukunft. Die Kirche in Deutschland hilft uns seit vielen Jahren vorbildlich und ist ein echter Partner für die Armen. Aber die gemeinsame Aktion zeigt noch viel deutlicher, dass beide Seiten aktiv sein müssen für eine bessere Welt – wie es auch das Motto sagt ...

Frage: Also „Hab' ich heute schon die Welt verändert?“ Inwiefern?

Mascarenhas: Es heißt eben nicht: Hat Misereor die Welt verändert? Oder die Kirche? Nein: Habe ich die Welt verändert? Die Aktion rüttelt uns alle wach, dass jeder Einzelne aktiv werden muss. Ich habe es in der Hand, die Welt zu verbessern. Etwa indem ich im Alltag auf den Klimaschutz achte, auf fairen Handel und gute Arbeitsbedingungen. Und indem ich als armer Mensch nicht auf Almosen warte, sondern mein Schicksal selbst in die Hand nehme und auch für meine Rechte kämpfe.

Frage: Was muss sich alles ändern in Indien?

Mascarenhas: Oh Gott (lacht), wo soll ich da anfangen bei dieser Riesenliste? Als Vertreter der Kirche sage ich: Unsere Option gilt immer den Armen, den Menschen am Rand, den unterdrückten Minderheiten wie den Dalits, den Kastenlosen. Und jeder von uns muss alles dafür tun, dass der Reichtum in unserem Land nicht länger nur ganz wenigen Menschen zugutekommt. Endlich müssen alle davon profitieren und müssen auch die Armen und Kranken und diese Menschen am Rand eine faire Chance bekommen, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen.

Frage: Für all das steht auch Papst Franziskus. Er spricht davon, 2018 gerne Indien besuchen zu wollen. Kommt er hierher?

Mascarenhas: Wir warten, dass ihn der Premierminister einlädt – mehr möchte ich eigentlich nicht dazu sagen.

Frage: Und wenn er käme, was wäre dann?

Mascarenhas: Oh, das wäre der größte Segen, den Gott uns je geben könnte. Die Menschen sehnen sich danach, warten auf ihn. Als Botschafter des Friedens und als Mann mit einer klaren Option für die Armen und Benachteiligten würde er eine starke und klare Botschaft verkünden – nicht nur für die Katholiken: Ihr seid alle Schwestern und Brüder und lebt zusammen in einem gemeinsamen Land und ihr müsst friedlich und gut zusammenleben und das Beste daraus machen.

Frage: Wie gefährlich wäre ein Papstbesuch?

Mascarenhas: Eigentlich gar nicht. Indien ist ein friedliches Land, ein tief religiöses und spirituelles Land. Wir respektieren einander und erst recht die Oberhäupter aller Religionen. Nur eine kleine Gruppe von Hindu-Nationalisten macht hier Ärger und startet Kampagnen voller Hass, und diese Gruppe muss endlich gestoppt werden. Denn eigentlich sagen wir hier in Indien: Der Gast ist unser Gott! Und Papst Franziskus würde wie Gott selbst empfangen von den Menschen in Indien.

Frage: Dann muss ihn Premierminister Modi also nur noch einladen ...

Mascarenhas: Wir haben ihn schon darum gebeten. Und ich mache das hier gerne nochmals in einem offenen Appell: Laden Sie den Papst ein! Das würde unser ganzes Land voranbringen und Indien guttun!

Von Gottfried Bohl

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