Den Druck erhöhen
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Den Druck erhöhen

Umwelt-Enzyklika ‐ Die Zivilgesellschaft muss bei sozialen und ökologischen Fragen noch viel mehr Druck auf Politik und Wirtschaft ausüben, findet der Referatsleiter für Lateinamerika/Europa bei Caritas international, Claudio Moser. Als Teilnehmer an der Umweltkonferenz im Vatikan, die an diesem Freitag zu Ende geht, fordert er schnelleres Handeln beim Klimaschutz und ein Umdenken bei den Konsumenten in Nord und Süd.

Erstellt: 06.07.2018
Aktualisiert: 06.07.2018
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Die Zivilgesellschaft muss bei sozialen und ökologischen Fragen noch viel mehr Druck auf Politik und Wirtschaft ausüben, findet der Referatsleiter für Lateinamerika/Europa bei Caritas international, Claudio Moser. Als Teilnehmer an der Umweltkonferenz im Vatikan, die an diesem Freitag zu Ende geht, fordert er schnelleres Handeln beim Klimaschutz und ein Umdenken bei den Konsumenten in Nord und Süd.

Frage: Herr Moser, Sie nehmen gerade für die deutsche Caritas an der Umweltkonferenz im Vatikan teil. Zentrales Thema ist die Umwelt-Enzyklika „Laudato si‘“ von Papst Franziskus. Wie beschäftigen sich die Teilnehmer damit?

Moser: Bei der Konferenz geht es um alle Fragen, die den Zusammenhang von sozialen und ökologischen Problemen betreffen. Etwa die Vergiftung der Böden, die Biodiversät, das Thema Wasser und Landwirtschaft. Es gibt Arbeitsgruppen, die sich auf den Klimagipfel in Kattowitz vorbereiten. Ich bin eben aus einer Arbeitsgruppe herausgekommen, die sich dem Klimawandel widmet. Eine andere Gruppe fragt wiederum nach den ökonomischen Zusammenhängen von den sozialen und ökologischen Krisen. Es geht auch viel darum, wie man diese Themen stärker in das Bewusstsein der Menschen bringt – einerseits in das der Verbraucher und der Leidtragenden. Aber auch in Richtung Wirtschaft und Politik.

Frage: Welche Themen und Impulse bringen Sie für die Caritas mit ein?

Moser: Für uns ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass die ökologische Krise heute schon Opfer fordert. Dass besonders die armen Menschen jetzt schon durch die Häufung von Extremwetterereignissen zu Leidtragenden werden. Wir wollen unsere Arbeit im Bereich der Not- und Katastrophenhilfe noch stärker mit dem Thema Klimawandel in Verbindung bringen.

Frage: Was fordern die anderen Teilnehmer?

Moser: Wir müssen möglichst schnell aus der Nutzung von fossilen Energiequellen wie Kohle und Erdöl raus. Wir müssen sehen, wie es gelingt, die Aufmerksamkeit von Wirtschaft und Politik dahingehend zu gewinnen. Wichtig ist auch die Rolle der Zivilgesellschaft. Ich habe den Eindruck, dass sie noch viel mehr Druck aufbauen muss, damit sich in sozialen und ökologischen Fragen etwas ändert. Auch der Zusammenhang zwischen Nord und Süd ist wichtig: Dass sich die Gesellschaften im Süden stärker engagieren für Veränderungen in der Landnutzung, im Stopp der Abholzung der Wälder. Das wäre wichtig z.B. in Bezug auf den Konsum extrem ressourcenaufwändiger Produkte wie Fleisch. Bei all diesen Themen ist Dringlichkeit geboten, hier muss jetzt ein neues Denken und Handeln einsetzen.

Frage: Die Enzyklika hat diese Punkte so ja auch schon benannt. Ist die Konferenz auch eine Art Zwischenbilanz, was die Umsetzung der Forderungen angeht?

Moser: Ja, das kann man so sagen. In der Enzyklika stehen ganz viele Anregungen und der wichtige Ansatz, dass die soziale und ökologische Krise untrennbar miteinander verbunden sind. Aber jetzt bedarf es vieler praktischer Konsequenzen. Professor Hans Joachim Schellnhuber vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) hat bei der Konferenz einen eindringlichen Appell abgegeben und dafür ein drastisches Bild gewählt: Er sagte, die Erde sei wie ein Patient, der zum Arzt gehe, und die Diagnose Krebs erhalte. Man könne diesen behandeln, das setze aber einen sehr intensiven Behandlungsprozess voraus. Entsprechend hat Prof. Schellnhuber uns Teilnehmenden auch die Fieberkurve der Erde gezeigt, die ständig steigt. Und er sagte, wenn es so weitergehe wie bisher, sei die Katastrophe nicht zu vermeiden. Deswegen muss sich jetzt sofort etwas ändern.

Frage: Auf der Konferenz ist man sich ja weitestgehend einig darüber. Die Umwelt-Enzyklika will aber auch die Wirtschaft und die Politik erreichen. Inwieweit findet sie denn dort Gehör?

Moser: Vor kurzem erst hat der Papst Chefs der Mineralölkonzerne bei sich empfangen. Dabei betonte er die Dringlichkeit, aus den fossilen Energieträgern auszusteigen. Das hat auf jeden Fall Eindruck gemacht. Wie die Mineralölkonzerne darauf reagieren werden und wie sie dann wirtschaftlich weiterhandeln werden, vermag ich nicht zu sagen. Aber der Papst sieht schon die Notwendigkeit, auch mit den Wirtschaftsvertretern direkt zu sprechen und ihnen die Dringlichkeit eines neuen Handelns zu vermitteln.

Bild: © Caritas

Frage: Franziskus bleibt auch innerhalb der Kirche dran an diesen Themen, etwa mit der Amazonas-Synode, die er für kommendes Jahr anberaumt hat. Was erwarten Sie da als Lateinamerika-Referent der Caritas?

Moser: Amazonien ist – passend zur Umwelt-Enzyklika – eine sehr komplexe Wirklichkeit mit sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Problemen. Es gibt innerhalb der Kirche Amazoniens viele hoffnungsvolle Zeichen, etwa das über die Amazonas-Anrainerstaaten gehende kirchliche Netzwerk Repam. Einige Vertreter und Vertreterinnen davon sind auch bei der Konferenz in diesen Tagen dabei, um von der Basis zu berichten. Sie erinnern uns: Es gibt einen ganz klaren Zusammenhang zwischen Amazonien und unserem Wirtschaftsmodell. Wenn wir so weiter konsumieren wie jetzt, ist es klar, dass Amazonien zerstört wird. Von dort kommen Aluminium, Erze, Erdöl, Hölzer, Soja, Fleisch. Das sind alles Dinge, die wir hier konsumieren und die nicht nachhaltig sind. Man kann nicht einfach sagen: „Amazonien ist irgendwo weit weg“, sondern die Zerstörung Amazoniens findet hier bei uns statt.

Frage: Was erhoffen Sie sich nun von der Umweltkonferenz?

Moser: Ich hoffe vor allem, dass die Hoffnung der Akteure dabei gestärkt wird. Dass sie sehen, sie sind in einem großen Verbund unterwegs mit vielen Menschen, die sich bemühen und dass da weltweit etwas in Bewegung ist. Wenn wir alle zusammenarbeiten, ist Veränderung möglich.

Das Interview führte Claudia Zeisel

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