Kakaobauern in der Elfenbeinküste setzen auf Fairen Handel
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Kakaobauern in der Elfenbeinküste setzen auf Fairen Handel

Fairer Handel ‐ In der Fairen Woche stellt Misereor eine Bio-Fair-Kooperative aus der Elfenbeinküste vor. Von dort stammt mehr als ein Drittel der Welt-Kakaoernte. Interview mit Pauline Zei Epse Epelekou, die mit ihrer Organisation die Bauern berät.

Erstellt: 19.09.2018
Aktualisiert: 14.09.2018
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In der Elfenbeinküste werden heute mehr als ein Drittel der Welt-Kakaoernte erzeugt. Überwiegend von Klein- und Mittelbetrieben, die ihre Ernte an große Konzerne verkaufen, die den globalen Kakao-Markt beherrschen. In der Elfenbeinküste selbst findet so gut wie keine Verarbeitung der Bohne statt - die Wertschöpfung und damit die Gewinne werden im globalen Norden realisiert.

Der Anbau von Kakao entwaldet ganze Landstriche und ausbeuterische Kinderarbeit ist weit verbreitet: Rund 1,2 Millionen Kinder, so schätzt die Tulane University in New Orleans in einer Studie, sollen dort auf Kakao-Plantagen arbeiten. In diesem schwierigen Umfeld hat sich eine Gruppe von Kleinbäuerinnen und Kleinbauern in der „Société Coopérative Équitable du Bandama“ (SCEB) dazu entschlossen, ihre Produktion komplett auf Bio-Kakao umzustellen und sich den Regeln des Fairen Handels anzuschließen. Beraten wird die für die Elfenbeinküste einmalige Bio-Fair-Kooperative von der Misereor-Partnerorganisation „Inades Formation Côte d’Ivoire“. Ein Interview mit Pauline Zei Epse Epelekou, Direktorin von Inades.

Frage: Frau Epelekou, meist wird der Kakao in der Elfenbeinküste unter Einsatz von chemischen Pestiziden angebaut. Waldrodung und Kinderarbeit im An- und Abbau sind weit verbreitet. Welche Chancen bietet der faire und ökologische Anbau von Kakao dort?

Pauline Zei Epse Epelekou: Die Elfenbeinküste ist mit etwas mehr als zwei Millionen Tonnen im Jahr 2017/2018 weltweit das führende Land im Kakaoanbau. Die konventionelle Produktionsweise stößt jedoch zunehmend an ökologische, gesundheitliche und ethische Grenzen. Nationale Studien haben gezeigt, dass Wasserverschmutzung und Sedimentablagerungen im Grundwasser in der Nähe von großen Kakaoplantagen nachweisbar sind, in denen chemische Düngemittel und Pestizide eingesetzt werden. In den gleichen Gebieten wurden bei Fischen verschiedene Chlor-Rückstände in den Organen und Pestizidrückstände in der menschlichen Muttermilch festgestellt. Der große Vorteil dieser ökologischen Kakaoproduktion ist, dass der Einsatz von chemischen Pestiziden verringert und damit die Lebensbedingungen der Menschen verbessert werden. Um Schädlingsbefall vorzubeugen, setzten die Kakaobauern zum Beispiel Bio-Pestizide ein, die sie Dank der Ausbildung – wie in der Kakaoerzeuger-Kooperative Société Coopérative Equitable du Bandama  (Anm. d. Red.: SCEB) – selbst herstellen können. Und die Bauern verwenden Kompost aus den Abfallprodukten der Kakaoproduktion. Die Ergebnisse sind durchaus zufriedenstellend. Die bio-faire Kakao-Produktion ist zudem ein wirksames Mittel zur Bekämpfung der Kinderarbeit auf Kakaoplantagen. Ein Grundsatz der Zertifizierung ist die Nicht-Anstellung von Kindern in landwirtschaftlichen Betrieben. Die Bioproduzenten halten sich strikt an diese Vorgaben.

Frage: Warum arbeiten so viele Kinder auf Kakaoplantagen in der Elfenbeinküste?

Epelekou: Die Hauptursachen sind Armut, durchlässige Grenzen, Migration von Erwachsenen aus Dörfern in Slums, unzureichender Zugang zu Bildung oder Unwissenheit der Familien über die Risiken, denen die Kinder ausgesetzt werden. Armut veranlasst Eltern dazu, ihre Kinder als Arbeitskräfte anzubieten, um ihr dürftiges Einkommen zu erhöhen. Auch das Phänomen des Menschenhandels mit Kindern aus Nachbarländern hat sich in der Elfenbeinküste verschärft. Alles dreht sich darum, Arbeitskosten zu senken. Dieses Denken hat auch dazu beigetragen, dass der sozialisierende Aspekt von Arbeit als Teil der Kindererziehung in Afrika völlig entwertet wurde: nämlich dass Kinder ihren Eltern bei der Arbeit im ländlichen Raum durchaus aushelfen können, solange  ihre Gesundheit, ihre körperliche Unversehrtheit, Sicherheit, Schulbildung oder Freiheit nicht gefährdet wird.

Frage: Was kann getan werden, um ihre Situation zu verbessern?

Epelekou: Die Prinzipien des Fairen Handels, die Kinderarbeit auf Kakaoplantagen verbieten, sind ein sehr wichtiges Instrument im Kampf gegen Kinderarbeit. Diese Grundsätze müssen jedoch von weiteren Maßnahmen flankiert werden; zum Beispiel entführte Kinder aufzuspüren und in ihre Herkunftsgemeinschaft wieder einzugliedern. Auf Ebene der Kakao-Produzenten und -Händler muss das Bewusstsein für Kinderarbeit unbedingt geschärft werden – und dass dies massiv ihrem Image schadet! Und schließlich muss eine lokale Schul-Infrastruktur aufgebaut werden, um den Zugang der Kinder zu Bildung zu verbessern. Genossenschaften, die am Fairen Handel beteiligt sind, können durch die erhaltene Entwicklungsprämie hierzu einen Beitrag leisten.

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Frage: Können Sie auch wirtschaftliche Vorteile des Anbaus und der Vermarktung von ökologisch angebautem Kakao benennen?

Epelekou: Unsere Erfahrungen mit der SCEB haben gezeigt, dass die Einkommen der Bio-Kakaobauern deutlich verbessert sowie Produktionskosten gesenkt werden konnten.  Auch wenn das zu niedrigeren Renditen führt, kann der vereinbarte Kaufpreis diesen Verlust gut ausgleichen. Seit fast zehn Jahren befasst sich die Genossenschaft SCEB mit dem ökologischen und fair gehandelten Kakaoanbau: ihr Umsatz verbesserte sich von 33.000 Euro im Jahr 2010 auf 134.000 Euro im Jahr 2016. Fast 75 Prozent des Gewinns werden direkt an die Erzeuger ausgezahlt. So hat es die Bio- und Fairtrade-Zertifizierung möglich gemacht, die Einkommen der Produzenten zu sichern und die Lebensbedingungen der Familien zu verbessern: sei es im Bereich der Bildung und Gesundheit der Kinder, beim Bau oder der Ausbesserung ihrer Häuser, bei der Verbesserung der Hygiene durch den Bau von Latrinen, beim Erwerb von Motorrädern für Reisen oder bei der Entwicklung einkommensschaffender Aktivitäten wie der Gründung von Kleinunternehmen. Seit der Umstellung sind die Produzenten auch von den Schwankungen der konventionellen Kakaopreise nicht mehr betroffen. Die Genossenschaft hat sich einen guten Ruf erworben und nimmt an wichtigen nationalen und internationalen Veranstaltungen teil.

Frage: Vor welchen Herausforderungen steht die Kakao-Genossenschaft SCEB – und wie kann Inades Formation sie dabei unterstützen?

Epelekou: Die Hauptaufgabe des SCEB besteht darin, ihre Position als Bio- und Fair-Trade-Kakao-Genossenschaft nun zu behaupten. Die Kooperative muss in der Lage sein, die wachsende Nachfrage ihrer Bestandskunden zu befriedigen, aber auch ihre Geschäftsbeziehungen zu diversifizieren, um das Risiko aufgrund von Kundenengpässen zu reduzieren. Um dies zu erreichen, muss SCEB seine Produktion jährlich steigern. Diese Erhöhung muss über zwei Wege erfolgen: Die Verbesserung des Produktionssystems, um die Anfälligkeit der Kakaopflanzungen gegenüber Schädlingsbefall zu verringern und die Erträge zu verbessern sowie die Erhöhung der Zahl der an der Bio-Zertifizierung beteiligten Bauern. Wir unterstützen die Genossenschaft kontinuierlich bei der Bewältigung dieser Herausforderungen. Auch wollen wir  ein weites Netz von Kooperativen zur Erzeugung von Bio-Kakao schaffen.

Frage: Welche Politik ist in der Elfenbeinküste nötig, um die landwirtschaftlichen Methoden im Bereich des Kakao-Anbaus nachhaltig zu verbessern?

Epelekou: Langfristig wollen wir erreichen, dass der Staat den ökologischen Landbau endlich als Garant für die Nachhaltigkeit seiner weitgehend auf Landwirtschaft basierenden Volkswirtschaft anerkennt. Diese Einsicht sollte auch multinationalen Unternehmen im Verarbeitungs- und Vertriebssektor kommen, damit sie ihre Anforderungen endlich anpassen. Unsere Arbeit – zum Beispiel zu Transparenz im Ressourcenmanagement, zu einem garantierten Mindestpreis und zur Schaffung eines starken Branchenverbandes, der auf glaubwürdigen Erzeugerorganisationen basiert – soll und muss die Initiativen der Regierung im Rahmen der seit 2012 umgesetzten Kakaoreform verstärken.

Das Interview führte Rebecca Struck, Misereor-Pressestelle.

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