Zehntausende fliehen in Nigeria vor Bandengewalt
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Zehntausende fliehen in Nigeria vor Bandengewalt

Nigeria ‐ In den Dörfern im Bundesstaat Zamfara leben Tausende Menschen in Angst vor neuen Überfällen. Sie fordern endlich Sicherheit und Lösungen gegen plündernde und mordende Banden. Kein gutes Omen vor der Wahl im Februar.

Erstellt: 14.01.2019
Aktualisiert: 14.01.2019
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In den Dörfern im Bundesstaat Zamfara leben Tausende Menschen in Angst vor neuen Überfällen. Sie fordern endlich Sicherheit und Lösungen gegen plündernde und mordende Banden. Kein gutes Omen vor der Wahl im Februar.

Musa Mailafia steht vor dem kleinen Krankenhaus von Tsafe, einer Kreisstadt im nigerianischen Bundesstaat Zamfara. Dutzende Menschen drängeln sich um den 52-Jährigen und wollen die Geschichte seines Bruders genau hören. Der war der Anführer der Selbstverteidigungsgruppe Civilian Joint Task Force (CJTF), die zahlreiche Dörfer im Norden Nigerias halten. „Er erhielt einen Anruf, in dem es hieß: Gemeinsam mit Polizei und Armee sollen die Banditen bekämpft werden.“

Banditengruppen sorgen in Zamfara seit Jahren für Unruhe. Begonnen hat es etwa 2010. Anfangs waren es Streitigkeiten zwischen Farmern und Viehhirten. Daraus entwickelten sich Banden, die Vieh stahlen. Heute werden Dörfer, so berichten Augenzeugen, brutal überfallen, Menschen ermordet, Wertvolles geraubt. Auch Entführungen und Lösegeldforderungen nehmen zu.

Das wollte der Bruder von Musa Mailafia vor einer Woche verhindern. Doch als er und neun weitere Mitglieder an die Stelle kamen, an der Sicherheitskräfte auf sie warten sollten, gerieten sie in einen Hinterhalt; nur drei Männer überlebten. „Als sie meinen Bruder erschießen wollten, funktionierte das Gewehr nicht. Deshalb nahmen sie einen Stein und schlugen auf seinen Kopf ein, bis er tot war“, erzählt Mailafa tonlos. Der Anruf war eine Falle.

Amnesty International geht davon aus, dass allein von Januar bis Juli 2018 mindestens 371 Menschen durch Überfälle starben. Nach Einschätzung der staatlichen Nothilfeagentur Zamfaras (Zama) sind 30.000 Menschen auf der Flucht, die in Camps und Gastkommunen untergebracht sind. In Gesprächen erlebt Zama-Exekutivsekretär Sanusi Muhamad Usman in der Provinzhauptstadt Gusau, wie stark traumatisiert viele sind. „Es gibt Eltern, die ihre Kinder zurückgelassen haben und nicht wissen, wo sie sind.“

All das geschieht wenige Wochen vor den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen am 16. Februar. Die Wahl zwischen Amtsinhaber Muhammadu Buhari (76) und Oppositionskandidat Atiku Abubakar (72) ist umkämpft, der Ausgang kaum vorhersehbar. In Zamfara sind laut Wahlkommission INEC zwar nur 1,7 Prozent der 84 Millionen Wähler registriert. Ärger und Unzufriedenheit könnten sich dennoch ausbreiten, da nicht sicher ist, ob die Binnenflüchtlinge in ihre Dörfer zurückkönnen. „Es hängt davon ab, ob es sicher ist“, sagt Sanusi Muhamad Usman. Diese Sorge teilen auch viele Einwohner, die nicht geflüchtet sind.

Vor dem Krankenhaus von Tsafe sagt Musa Mailafia: „Ich gehe nicht davon aus, dass wir künftig besser geschützt werden.“ Vor allem in ländlichen Regionen fehle es an Sicherheitskräften. Dass die Polizei dort nicht präsent ist, weist Polizeikommissar Mohammed Ibrahim Zanna aber von sich. So habe es etwa Erfolge bei der Aufklärung von Viehdiebstählen gegeben.

Allerdings muss er einräumen: „Die Zahl der Polizisten hat sich durch Versetzungen und Pensionierungen leicht reduziert.“ Aktuell sind gut 3.000 im Dienst – in einem Bundesstaat mit etwa 4,5 Millionen Einwohnern. „Man würde sich immer mehr wünschen.“

Es gilt als unwahrscheinlich, dass die Banditen aus Nachbarländern kommen. Experten zufolge leben viele in Zamfara und haben Informanten und Kollaborateure in den Dörfern. Auch im Fall von Tsafe dürfte das so gewesen sein. „Wir wissen nicht, wer die CJTF angerufen und sie in den Hinterhalt gelockt hat“, sagt Musa Mailafia – und zieht schließlich das ernüchternde Fazit: „Ich gehe davon aus, dass der Informant ein Bandit ist, gleichzeitig aber auch bei uns Mitglied war.“

Eine bloße Aufstockung von Polizei und Armee hilft nach Einschätzung des Leiters der nichtstaatlichen Organisation Center for Community Excellence, Adamu Abubakar Kotorkoshi, deshalb nicht. Erst mal müsste ermittelt werden, wer genau hinter den Überfällen steckt. Einfluss nehmen könnten neben dem Staat auch Vertreter der Zivilgesellschaft und Imame. „Sie spielen in Zamfara, wo 99 Prozent Muslime leben, eine große Rolle“, sagt Kotorkoshi und fordert: Im Freitagsgebet sollten Imame verstärkt das Banditentum verurteilen und zu mehr Frieden aufrufen.

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