Unruhen erschüttern Simbabwe
Simbabwe ‐ Während die Proteste in Simbabwe eskalieren, reist der Präsident im Luxusjet um die Welt. Dafür erntet Staatschef Emmerson Mnangagwa jetzt den Zorn seines Volks.
Aktualisiert: 22.11.2022
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Während die Proteste in Simbabwe eskalieren, reist der Präsident im Luxusjet um die Welt. Dafür erntet Staatschef Emmerson Mnangagwa jetzt den Zorn seines Volks.
In Simbabwe eskaliert die politische Lage offenbar weiter. Nach landesweiten Protesten zu Wochenbeginn verhaftete die Polizei nun den regierungskritischen Pfarrer Evan Mawarire. Wie dessen Schwester Teldah Mawarire am Mittwoch mitteilte, umstellten und durchsuchten Sicherheitskräfte das Haus des Oppositionsaktivisten. Zuvor hatte Mawarire die Simbabwer über Facebook und Twitter dazu aufgerufen, die Regierung „zur Verantwortung zu ziehen“. Jetzt erwartet den Geistlichen laut seiner Schwester eine Anklage wegen „Anstiftung zur Gewalt durch Soziale Medien“.
In Simbabwe gehen Polizei und Militär seit Montag rigoros gegen Demonstranten vor. Die Proteste gegen die Regierung von Staatspräsident Emmerson Mnangagwa forderten bislang mindestens fünf Tote. In der Hauptstadt Harare und der zweitgrößten Stadt Bulawayo gingen die Sicherheitskräfte mit Sturmgewehren gegen Demonstranten vor. Mindestens 25 Menschen seien verletzt worden, berichteten örtliche Medien. 200 Personen wurden demnach festgenommen. Am Dienstag schoss die Armee Tränengas aus einem Helikopter auf Demonstranten.
Menschenrechtler kritisierten das Vorgehen der Sicherheitskräfte. Die Organisation Human Rights Watch (HRW) etwa verlangte Aufklärung. „Simbabwes Behörden haben die Pflicht, während Protesten die Ordnung aufrechtzuerhalten. Doch sie müssen dabei auf übertriebene Gewalt verzichten“, betonte der HRW-Sprecher für das Südliche Afrika, Dewa Mavhinga.
In einem Versuch, weitere Demonstrationen zu verhindern, stellte die Regierung am Dienstag das Internet ab. „Simbabwes Regierung muss umgehend wieder den Zugang zum Internet und zu Sozialen Medien freigeben. Die Simbabwer haben ein Recht darauf, zu erfahren, was geschieht, und darauf, ihre Meinung friedlich zu äußern“, so Mavhinga.
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Pfarrer Evan Mawarire war mit seiner „ThisFlag“-Kampagne in den vergangenen Jahren zur Stimme einer neuen Oppositionsbewegung in Simbabwe geworden. Bekanntheit erlangte der Baptisten-Pfarrer in dem südafrikanischen Land vor allem durch seine Internetvideos, in denen er – gehüllt in die Nationalflagge – die Simbabwer aufforderte, das Land von der politischen Elite „zurückzufordern“. In Sozialen Medien löste er damit eine Massenbewegung aus.
Jetzt riefen die Gewerkschaften des Landes zum Streik auf. Sie wollen ein Zeichen setzen gegen den wirtschaftlichen Verfall, der die Nation fest im Griff hat. Zudem sind die Simbabwer wütend über den Benzinpreis: Am Wochenende hatte Präsident Mnangagwa den Preis überraschend mehr als verdoppelt. Mit Kanistern waren Simbabwer daraufhin zu Fuß und per Auto ins Nachbarland Südafrika aufgebrochen, um günstigeren Treibstoff zu kaufen.
Mnangagwa reiste unterdessen zum Staatsbesuch nach Europa, wo er unter anderem am Weltwirtschaftsforum in Davos teilnehmen will. Die Oppositionspartei „Bewegung für Demokratischen Wandel“ (MDC) kritisierte den im vergangenen Jahr gewählten Staatschef und rief ihn zur Rückkehr nach Simbabwe auf. Seine Reise komme ausgerechnet zu einer Zeit, in der „das Land brennt“. Des Weiteren schüre eine Auslandsreise in Zeiten der Krise die „Möglichkeit für einen erneuten Putsch“, so ein Oppositionsvertreter.
In Simbabwe weckte der Sturz von Langzeit-Präsident Robert Mugabe im November 2017 die Hoffnung auf einen Neuanfang. 37 Jahre lang hatte der Despot das Land und seine Bewohner fest im Griff. Mnangagwa versprach den Simbabwern eine „Dämmerung“. Heute jedoch durchlebt das Land mit 80 Prozent Arbeitslosigkeit erneut eine Wirtschaftskrise. Die offizielle Währung, Schuldscheine, wurde zuletzt nahezu wertlos. Ärzte und Lehrer streikten daraufhin. Sie fordern eine Bezahlung in US-Dollar.
Das Vertrauen in Mugabes früheren Vize hat mit den jüngsten Protesten einen neuen Tiefpunkt erreicht. „Nur noch in einem von der UNO beaufsichtigten Referendum kann darüber entschieden werden, ob die Simbabwer Mnangagwas Regierung vertrauen“, so der simbabwische Politologe Rejoice Ngwenya auf Facebook. Kurz darauf war das Internet weg.