Krise in Ecuador
Ecuador ‐ In Ecuador spitzt sich die Lage weiter zu. Präsident Moreno wirft seinem Amtsvorgänger Correa vor, einen Umsturz zu planen und zieht in sichere Guayaquil um.
Aktualisiert: 08.10.2019
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In Ecuador spitzt sich die Lage weiter zu. Präsident Moreno wirft seinem Amtsvorgänger Correa vor, einen Umsturz zu planen und zieht ins sichere Guayaquil um.
Die Polizeistation in Quito steht lichterloh in Flammen. Innenministerin Maria Paula Romo zeigt sich entsetzt: „Das ist kein Streik, das ist nicht friedlich, das ist organisiert – und die Absicht ist das Chaos“, kommentiert die sich selbst als links und feministisch bezeichnende Politikerin.
Die Szene vom späten Montagabend zeigt, dass sich die politische Krise in Ecuador immer mehr zuspitzt. Präsident Lenin Moreno verlegte seine Amtsgeschäfte angesichts der angespannten Lage in der Hauptstadt am Abend nach Guayaquil, nachdem der Regierungssitz in Quito vorübergehend evakuiert werden musste. Journalisten posteten Bilder von Stacheldraht und Sicherheitskräften, die das Gebäude umstellten.
Den ganzen Tag über gab es immer wieder Schreckensmeldungen: Lokale Medien berichteten über Ausschreitungen. Regierungsgegner veröffentlichten in den Sozialen Netzwerken ein Video, auf dem zu sehen sein soll, wie drei Demonstranten von der Polizei eine Brücke heruntergeworfen werden. Später allerdings tauchte ein anderes Video auf, in dem ein Augenzeuge berichtet, die Demonstranten seien bei der Flucht vor der Polizei von der Brücke gefallen und hätten sich dabei schwer verletzt. Andere Clips zeigen Polizeibeamte, die mit Knüppeln auf Demonstranten einschlagen.
In einer TV-Ansprache im Beisein von Militärs erhob Präsident Moreno am Abend schwere Vorwürfe gegen seinen Amtsvorgänger Rafael Correa und Venezuelas Präsident Nicolas Maduro; sie hätten die gewaltsamen Proteste organisiert und finanziert und planten einen Putsch. Correa, der inzwischen in Belgien lebt, dem Heimatland seiner Frau, kommentierte die Ereignisse des Tages via Twitter und nannte Moreno einen Faschisten. Correa gilt mit 3,5 Millionen Followern bei Twitter immer noch als einer der einflussreichsten Politiker in Ecuador. Zudem ist er immer wieder mit eigenen Interviews im spanischen Fenster des TV-Senders Russia Today zu sehen.
In Quito traf unterdessen ein Protestmarsch von Indigenen ein, der die Stimmung zusätzlich anheizte. Der Indigenen-Verband Conaie kritisiert die Regierung scharf und wirft den Sicherheitskräften ein brutales Vorgehen vor. Für die Gewalt bei den Demonstrationen seien infiltrierte Agenten verantwortlich, deren Aufgabe es sei, den Protesten die Legitimation zu entziehen.
Dem TV-Sender CNN sagte Conaie-Chef Jaime Vargas am Abend, der Streik werde so lange fortgesetzt, so lange die Regierung die umstrittenen Maßnahmen nicht zurücknehme. Das lehnte Moreno am Abend ab. Vargas wies Morenos Vorwürfe zurück, die Demonstrationen seien aus dem Ausland finanziert. „Wir unterstützen uns selbst“, so Vargas. Die Demonstranten würden von der indigenen Bevölkerung unterstützt.
Inmitten der aufgeheizten Atmosphäre meldeten sich auch Ecuadors Bischöfe zu Wort und riefen zu einem ernsthaften und respektvollen Dialog aller Konfliktparteien auf. Regierung, politische Akteure und Vertreter der Zivilgesellschaft müssten sich zusammensetzen, um die „Spannungen und Konflikte in der Gesellschaft zu lösen.“
Die Unruhen entzündeten sich in der vergangenen Woche an der Entscheidung der Regierung Moreno, die hohen Subventionen für Benzin und Diesel mit sofortiger Wirkung zu streichen. Als Folge stiegen die Preise deutlich an; das Transportgewerbe begann einen Streik. Die Maßnahme verhängte Moreno, weil die Weltbank im Gegenzug für einen Kredit von 4,2 Milliarden Euro die Senkung öffentlicher Ausgaben erwartet.
Von Tobias Käufer (KNA)
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