Krise in Bolivien spitzt sich weiter zu
Bolivien ‐ Während ein Rücktritts-Ultimatum der Opposition an Boliviens Präsident Evo Morales ergebnislos verstrich, versucht eine internationale Prüfungskommission, die umstrittene Wahl vom 20. Oktober zu untersuchen.
Aktualisiert: 15.11.2022
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Während ein Rücktritts-Ultimatum der Opposition an Boliviens Präsident Evo Morales ergebnislos verstrich, versucht eine internationale Prüfungskommission, die umstrittene Wahl vom 20. Oktober zu untersuchen.
Und wieder strömten am Montagabend Zehntausende Regierungsgegner unter der Christus-Statue in Santa Cruz zusammen. In der Oppositionshochburg wollten die Kritiker des sozialistischen Präsidenten Evo Morales darüber beraten, wie mit der aktuellen Situation umzugehen ist. Zuvor war ein Ultimatum zum Rücktritt abgelaufen, das Teile der Opposition Morales gestellt hatten.
Doch wie erwartet blieb der 60-Jährige. Der seit 2006 regierende Präsident wertet die Demonstrationen und die Kritik am umstrittenen Wahlergebnis vom 20. Oktober als Putschversuch. Die Opposition kontert mit einem Griff ins Archiv: 2005 hatte Morales als Oppositionsführer den damaligen Präsidenten Carlos Mesa (66), der heute sein Herausforderer ist, in einer Staatskrise zum Rücktritt aufgefordert. Das lasse sich nicht vergleichen, sagt die Regierungspartei MAS heute.
Von nun an gelte es, alle staatlichen Institutionen und die Grenze auf friedliche, aber entschlossene Weise zu blockieren, so der Initiator und Anführer der Proteste in Santa Cruz Luis Fernando Camacho vor den versammelten Demonstranten. Er warf der Regierung vor, Militärs und Sicherheitskräfte mit der Zahlung eines Extrabonus von umgerechnet etwa 390 Euro kaufen zu wollen. Aus seiner Sicht existieren inzwischen zwei bolivianische Gesellschaften: die des Volkes, das unter Repression der Regierung leide, und die der Regierung, die weiter Geld über die Staatskasse einnehme.
Für Aufregung sorgte am Montag ein Zwischenfall mit einem Präsidentenhubschrauber. Bei einem Flug von Colquiri nach Oruro versagte offenbar die Technik, die Maschine sackte 15 Meter ab. Verletzte gab es nicht; dafür machten aber sofort Gerüchte über ein Komplott gegen den Staatschef die Runde. Morales kündigte eine Untersuchung an und dankte für die erhaltenen „Zeichen der Solidarität“. Die Armee sprach von einem Rotorschaden.
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Derweil rief die Organisation Amerikanischer Staaten OAS, die eine Überprüfung der jüngsten Wahlergebnisse vornehmen soll, Boliviens Bevölkerung auf, Beweismaterial einzureichen. Die OAS habe Kanäle eingerichtet, um Informationen und Dokumentationen zur Präsidentenwahl und den Ereignissen danach zu erhalten. Um die Übergabe des Materials zu koordinieren, sei eine eigene E-Mail-Adresse eingerichtet worden.
Die Opposition zweifelt Morales' Sieg an. Nach offiziellen Angaben lag er nur ganz knapp über jener Hürde, die eine Stichwahl notwendig macht. Am Wahlabend hatte die Wahlbehörde zunächst noch einen zweiten Wahlgang in Aussicht gestellt, später dann aber nach einem Auszählungsstopp Morales zum Sieger erklärt. In einer Stichwahl hätte der konservative Herausforderer Mesa aufgrund einer Kooperation mit den anderen unterlegenen Kandidaten gute Chancen gehabt.
Schon unmittelbar nach dem Wahlgang sprachen Menschenrechtsorganisationen und Kirchenvertreter von Hinweisen auf eine mögliche Manipulation. Am Wochenende rief die katholische Bischofskonferenz alle Konfliktparteien zu direkten Gesprächen auf: „Der einzige geeignete, demokratische Ausweg ist ein ehrlicher, transparenter und demütiger Dialog.“
Zugleich stellten sich die Bischöfe hinter die Überprüfung der Ergebnisse durch die OAS. Diese könnte eine Grundlage zur Beilegung des Konflikts sein, hieß es. Teile der Opposition lehnen die Überprüfung ab; sie beharren auf ihrer Rücktrittsforderung. Morales indes erwartet eine „technisch-juristische“, aber keine „politische“ Bewertung der Wahlergebnisse.
Von Tobias Käufer (KNA)
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