Wie Afrika sich selbst hilft: Viel Eigeninitiative im Kampf gegen Corona
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Wie Afrika sich selbst hilft: Viel Eigeninitiative im Kampf gegen Corona

Corona-Pandemie ‐ Weshalb ist Afrika im Kampf gegen Corona auf Hilfe von außen angewiesen, fragen afrikanische Journalisten beharrlich. Die Antworten kommen immer selbstbewusster. Vielerorts ist der Kontinent unterwegs zu mehr Selbsthilfe.

Erstellt: 15.05.2020
Aktualisiert: 12.05.2020
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Weshalb ist Afrika im Kampf gegen Corona auf Hilfe von außen angewiesen, fragen afrikanische Journalisten beharrlich. Die Antworten kommen immer selbstbewusster. Vielerorts ist der Kontinent unterwegs zu mehr Selbsthilfe.

Ende April landet ein Flugzeug der Ethiopian Airlines in Addis Abeba. An Bord befinden sich keine Passagiere, sondern fast fünf Millionen Masken, eine halbe Million Corona-Tests und Handschuhe, 2.000 Thermometer und 300 Beatmungsgeräte. Gespendet wurde das dringend benötigte Equipment von dem chinesischen Geschäftsmann und Wohltäter Jack Ma. Seine Unterstützung für Afrika sorgt nicht nur für Hoffnung in Ländern mit maroden Gesundheitssystemen – sondern mitunter auch für Kritik.

Weshalb ist Afrika im Kampf gegen Corona auf Hilfe von außen angewiesen?, lautet mittlerweile eine Routinefrage afrikanischer Reporter, wenn die kontinentale Gesundheitsbehörde Africa (CDC) ihre wöchentliche Online-Pressekonferenz abhält. Weniger Medienaufmerksamkeit erhielten bislang Forscher und Unternehmer auf dem Kontinent, die selbst die Initiative ergriffen. „Jedes Land braucht neben globalem Zugang auch lokale Lösungen“, meint Melinda Suchard, zuständig für das Impf- und Immunisierungsprogramm des südafrikanischen National Institute for Communicable Diseases. Gemeinsam mit ihren Kollegen entschlüsselte die Forscherin im April erstmals im südlichen Afrika das Genom des Coronavirus. 

Auch in Kenia, Algerien und Nigeria untersuchen Wissenschaftler die Genetik von SARS-CoV-2, ebenso wie in der Demokratischen Republik Kongo. Dass ausgerechnet das Bürgerkriegsland mit mangelnder Gesundheitsversorgung viele Gensequenzierungen durchgeführt hat, überrascht Beobachter nicht. „Die hohe Zahl erklärt sich durch die Entwicklung von Laboren während des Ebola-Ausbruchs im Land“, berichtet die kenianische Zeitung „The Star“.

Während das Rennen um einen Corona-Impfstoff begonnen hat, untersuchen Ärzte weltweit altbekannte Medikamente, die möglicherweise auch gegen Covid-19 wirken. Einer von ihnen ist Andreas Diacon. Der Schweizer lebt seit 20 Jahren in Südafrika, führt mit seinem Non-Profit-Unternehmen TASK Studien für lokale Forscher durch. Seine Hoffnung ruht nun auf dem Bacillus Calmette-Guerin, kurz BCG.

„Der Impfstoff besteht aus 100 Jahre alten Bakterien, die früher Rindertuberkulose verursacht haben, aber heute so manipuliert sind, dass sie keine Krankheit mehr verursachen können“, so der Lungenfacharzt. Seit dem ersten Einsatz habe der Wirkstoff nicht nur gegen TBC, sondern auch gegen eine Reihe anderer Atemwegserkrankungen und Lungenkrebs geholfen. Weshalb, blieb der Wissenschaft bislang ein Rätsel. 
Diacon: „Wir hoffen, dass wir mit dieser Impfung die Corona-Symptome in den Griff kriegen, damit wir weniger schwere Erkrankungen bekommen.“ In Kapstadt hat diese Woche die Immunisierung von 500 Testpersonen begonnen, allesamt Gesundheitsarbeiter in Krankenhäusern.

Lebensrettendes Equipment, made in Kenia

Vielerorts in Afrika fehlt lebensrettendes Equipment. Im Südsudan etwa stehen Berichten zufolge nur vier Beatmungsgeräte für elf Millionen Bürger bereit. „Wir haben einen Appell an afrikanische Wissenschaftler und Erfinder gerichtet, die den lokalen Kontext verstehen – und das Interesse ist groß“, so WHO-Afrika-Direktorin Matshidiso Moeti. In Ruanda und Südafrika etwa haben Ingenieure notdürftige, aber funktionsfähige Beatmungsgeräte entworfen, die nur einen Bruchteil von herkömmlichen Apparaten kosten.

Das südafrikanische Modell funktioniert auch mit Solar- oder Batteriestrom. In Kenia, wo ebenfalls die Massenproduktion anläuft, betont Handelsministerin Betty Maina: „Das beweist, dass lokale Hersteller wichtiges medizinisches Material herstellen können, wenn es darauf ankommt.“ Ähnliches gilt für die Masken, auf die etliche afrikanische Textilunternehmen in den vergangenen Wochen umsattelten.

Wie erfinderisch Not macht, zeigt auch der ostafrikanische Inselstaat Madagaskar – jedoch anhand eines eher fragwürdigen Beispiels. Diese Woche startete dort eine klinische Studie, die die Wirksamkeit eines traditionellen Kräutertrunks testen soll. Madagaskars Präsident Andry Rajoelina hatte den „Covid-Organics“ getauften Drink bereits vor zwei Wochen als „Kur und Prävention“ gegen Corona vorgestellt. Die WHO warnte daraufhin am Montag vor einem überstürzten Einsatz traditioneller Heilmittel. Afrikaner hätte „Medikamente verdient, die nach denselben Standards geprüft wurden wie für Menschen in der restlichen Welt“.

Von Markus Schönherr (KNA)

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