Neue Heuschreckenplagen in Ostafrika befürchtet
Hunger und Armut ‐ Ein einziger Schwarm kann zig Milliarden Tiere umfassen. Derzeit bedroht eine Heuschreckenplage Teile Ostafrikas. Schon bald könnte eine neue Generation der Insekten groß werden - mit katastrophalen Folgen für Ernten.
Aktualisiert: 08.06.2020
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Ein einziger Schwarm kann zig Milliarden Tiere umfassen. Derzeit bedroht eine Heuschreckenplage Teile Ostafrikas. Schon bald könnte eine neue Generation der Insekten groß werden - mit katastrophalen Folgen für Ernten.
Wo sie auftauchen, überlebt kein grünes Blättchen. Milliarden Heuschrecken haben seit Ende vergangenen Jahres Teile Ostafrikas verheert. Jetzt droht eine neue Welle, wie die Welternährungsorganisation FAO auf ihrer Internetseite locust watch dokumentiert. In den betroffenen Gebieten wächst gerade eine neue Generation von Heuschrecken heran, die ab Mitte Juni erwachsen werden. Das fällt mit dem Beginn der Ernte zusammen.
Ein bedrohliches Szenario für die Menschen in der Region, in der bereits Millionen Menschen von einer unsicheren Lebensmittelversorgung bedroht sind, wie Hilfsorganisationen wie Caritas international warnen. Nicht ausgeschlossen auch, dass der Wind die rund sieben Zentimeter großen Insekten weiter nach Norden treibt – nach Somalia, Äthiopien, in den Südsudan und den Sudan.
Die Zahlen sind erschreckend: In Kenia sei ein Schwarm von 60 Kilometer Länge und 40 Kilometer Breite beobachtet worden, berichtet der Trierer Heuschrecken-Experte Axel Hochkirch im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). „Die Anzahl der Tiere wird auf 95 Milliarden geschätzt. Die würden dann pro Tag so viel Nahrung benötigen wie alle Bundesbürger zusammen.“
Regenfälle und Krieg behindern Bekämpfung
Solche Naturereignisse sind nichts Neues: Im Alten Testament sind gefräßige Heuschrecken-Schwärme eine der zehn Plagen, die über Ägypten hereinbrechen, weil der Pharao das Volk Israel nicht ziehen lassen will. 2004 fraßen 70 Kilometer lange Heuschreckenschwärme in Afrika zwischen drei und vier Millionen Hektar Land kahl. Doch die jetzige Krise hat ein besonderes Ausmaß, auch weil sie durch die Corona-Pandemie verstärkt wird. „Das ist die größte Plage seit Jahrzehnten, manche sagen sogar seit Menschengedenken“, betont Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU).
Das Wetter hat das Ausmaß der Krise begünstigt: 2018 brachten zwei Zyklone ungewöhnlich viel Regen in die Sandwüsten der Arabischen Halbinsel. Feuchtigkeit und sprießende Vegetation boten günstige Bedingungen für die Heuschrecken. Doch auch der Krieg im Jemen und die unsichere Lebenssituation in der gesamten Region verhinderten nach Darstellung von Hochkirch eine schnelle Bekämpfung der Plage. Daten konnten nicht weitergeleitet werden; Material sei zerstört worden.
Einzelne der Tiere sind harmlos. Wenn sie jedoch dicht zusammengedrängt leben, ändern die Insekten ihr Verhalten und bilden Schwärme, die losziehen und auf ihrem Weg alles verschlingen. Drei Generationen lang vermehrten sich die Heuschrecken auf der Arabischen Halbinsel unbemerkt, bevor die Schwärme in den Jemen wanderten und Ende vergangenen Jahres dann auch in Ostafrika einfielen. Dort war im Sommer 2019 ebenfalls überdurchschnittlich viel Regen gefallen – ein guter Nährboden für weitere Generationen von Insekten. „Unter solchen Bedingungen kann es schon nach drei Monaten die nächste Generation geben“, sagt Hochkirch. Im Prinzip wächst die Menge der Heuschrecken mit jeder Generation um das 20-Fache, so eine Faustregel.
Kaum noch zu kontrollieren
Obwohl die Welternährungsorganisation FAO früh warnte, war die schiere Masse der Insekten bereits kaum noch zu kontrollieren. Besonders Kenia war zuletzt betroffen – laut UN vom schlimmsten Ausbruch seit 70 Jahren.
Vor allem Insektizide könnten jetzt noch helfen, sagt Hochkirch, der Professor für Naturschutzbiologie an der Uni Trier und designierter Präsident der weltweiten Vereinigung der Heuschrecken-Forscher ist. In den vergangenen Monaten wurden Freiwillige ausgebildet, um am Boden Pestizide zu versprühen. Auch aus der Luft werden die Insekten bekämpft – Tausende Hektar sind besprüht worden.
Die Gifte sind auch für den Menschen schädlich. „Wenn Heuschrecken gegessen werden, kann das zur Vergiftungen führen.“ Zudem töten die Insektizide auch viele andere Arten. Das Paradoxe: Weltweit gibt es rund 28.000 unterschiedliche Heuschreckenarten, und nur 12 davon neigen zu Massenvermehrungen und werden daher als Wanderheuschrecken bezeichnet. Während sie sich zur Plage entwickeln können, gehören viele andere auf die Rote Liste bedrohter Arten – auch in Afrika und Asien.
Von Christoph Arens (KNA)
© Text: KNA