Größere Not erfordert mehr Hilfe: Caritas

Größere Not erfordert mehr Hilfe: Caritas

Nothilfe ‐ „Nie zuvor waren so viele Menschen weltweit auf Hilfe angewiesen. Wir sind sehr dankbar, dass unsere Spender diese bedrückende Entwicklung aufmerksam registrieren und uns deshalb so nachhaltig unterstützen“, sagte Peter Neher, Präsident des Deutschen Caritasverbandes.

Erstellt: 15.07.2020
Aktualisiert: 15.07.2020
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Mit 82,2 Millionen Euro hat Caritas international, das Hilfswerk des Deutschen Caritasverbandes, im vergangenen Jahr insgesamt 725 Hilfsprojekte in 81 Ländern unterstützt. Das berichtete Caritas-Präsident Peter Neher heute (Mittwoch) in Freiburg bei der Vorstellung des neuen Jahresberichts des Hilfswerks. „Nie zuvor waren so viele Menschen weltweit auf Hilfe angewiesen. Wir sind sehr dankbar, dass unsere Spender diese bedrückende Entwicklung aufmerksam registrieren und uns deshalb so nachhaltig unterstützen“, sagte Neher. Als hilfsbedürftig gelten aktuell weltweit 168 Millionen Menschen. Rund 36 Millionen mehr als im Jahr zuvor.

Corona-Hilfsprojekte von Caritas international

Aus dem Corona-Hilfefonds von Caritas international sind bislang 600.000 Menschen weltweit unterstützt worden. Die Hilfsprojekte reichen von der medizinischen Ausstattung von Gesundheitsstationen bis hin zu Lebensmittelverteilungen für Tagelöhner, denen durch den Lockdown ihre Einkünfte weggebrochen sind. Das Hilfswerk der deutschen Caritas stellt sich darauf ein, dass insbesondere aufgrund der indirekten Folgen der Pandemie diese Hilfe noch lange fortgeführt werden muss: „Die wirtschaftlichen und sozialen Folgen von Corona werden uns weltweit wie ein langer Schatten verfolgen, selbst wenn die gesundheitlichen Folgen irgendwann kontrollierbar sein sollten. Hunderte Millionen Menschen werden in die Armut abrutschen und Hunger leiden“, warnt Oliver Müller, Leiter von Caritas international.

Herausforderungen der humanitären Hilfe

Große Sorge bereiten Caritas international die massiven Einschränkungen bezüglich der eigenen Handlungsmöglichkeiten als Hilfswerk: „Die Zahl der jährlich getöteten Helfer hat sich seit den 90er Jahren verdreifacht, und die Politisierung von humanitärer Hilfe nimmt zu. Humanitäre Hilfe wird aber auch immer häufiger gesellschaftlich in Frage gestellt, teilweise gar kriminalisiert. Diese Entwicklung bereitet uns große Sorgen“, so Oliver Müller, Leiter von Caritas international. Er verwies beispielsweise auf die Situation in Syrien, wo Hilfsorganisationen unter Terrorverdacht gestellt würden. In Kolumbien könnten Helfer vielfach kaum noch arbeiten. Im Jemen trete Saudi-Arabien einerseits als größter humanitärer Geldgeber und andererseits als aktive Kriegspartei auf.

„Die Zunahme an Einschränkungen und Repressionen, denen Hilfsorganisationen ausgesetzt sind, sind mittlerweile so massiv und vielgestaltig, dass unsere Möglichkeiten, Menschen in Not beizustehen, stark beschnitten werden“, sagte Müller.

Zugleich appellierte Müller, auch die anderen, „alten“ Krisen und Konflikte nicht zu vergessen. In afrikanischen Staaten führten Klimawandel, Dürren und Heuschreckenplagen zu wachsenden Hungerkatastrophen. In Syrien seien Millionen Flüchtlinge zum Spielball politischer Interessen geworden. Zuletzt habe ein Zyklon das Flüchtlingscamp der Rohingya in Bangladesch überflutet.

Caritas-Präsident Neher für neues EU-Asylsystem

Caritaspräsident Peter Neher ging auf die Situation von Flüchtlingen in der Europäischen Union ein. Er kritisierte die europäische Asylpolitik als beschämend und inhuman  und forderte neue Asylregeln. „Ich hoffe, dass es während der aktuellen deutschen EU-Ratspräsidentschaft gelingt, neue solidarische Regelungen zu finden“, sagte Neher. Für eine neue Asylpolitik müssten die bisherigen Dublin-Regeln aufgegeben werden, wonach nur das EU-Land für das Asylverfahren zuständig ist, das die Bewerber als erstes betreten.

Zugleich sprach sich Neher gegen den Vorschlag aus, an den EU-Außengrenzen Asyl-Vorprüfungen einzuführen. Wenn EU-weite Absprachen am Widerstand einzelner Staaten wie Ungarn oder Polen scheiterten, sollten sich die übrigen Länder auf neue Regeln einigen, so der Caritas-Präsident. „Wir müssen jetzt endlich den Stillstand überwinden.“

Eindringlich rief Neher auch dazu auf, Lösungen für die Flüchtlinge in den Camps auf den griechischen Ägäis-Inseln zu finden. Die von einigen EU-Staaten begonnene Aufnahme einzelner Kinder aus den Lagern sei ein wichtiges „humanitäres Zeichen, aber insgesamt viel zu wenig“. Es sei inakzeptabel, sich nur auf Minderjährige zu konzentrieren. Auf Lesbos, Chios und Samos lebten rund 33.000 Flüchtlinge unter zumeist „katastrophalen, ja menschenunwürdigen Umständen“.

Das Jahresergebnis in Zahlen

Der aktuelle Jahresbericht weist aus, dass Caritas international im Jahr 2019 Einnahmen in Höhe von 84,1 Millionen Euro erzielt hat. 30,4 Millionen Euro der Gesamtsumme stammen aus Spenden, 50,6 Millionen Euro aus öffentlichen und kirchlichen Zuwendungen. Gut 70 % der Projekte umfasste die Hilfe nach Naturkatastrophen und Kriegen; die restlichen knapp 30 % der Mittel flossen in soziale Projekte für Kinder sowie alte, kranke und behinderte Menschen. Die Werbe- und Verwaltungskosten lagen bei 9,2 %. Etwa ein Drittel der Hilfsarbeit leistete Caritas international in Afrika, je ein Fünftel in Asien und Nahost. Auf Lateinamerika, dabei vor allem Kolumbien, entfielen knapp 13 Prozent des Hilfsetats.

© Text: Deutscher Caritasverband/KNA