Konflikt in Mosambik schürt Menschenhandel

Konflikt in Mosambik schürt Menschenhandel

Pemba ‐ Enthauptungen, abgebrannte Dörfer und Tausende auf der Flucht: Seit knapp vier Jahren verbreiten Islamisten Terror und Angst im Norden Mosambiks. Nun kommen noch mehr Probleme hinzu.

Erstellt: 29.07.2021
Aktualisiert: 27.07.2022
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Die humanitäre Lage in Mosambik bereitet Beobachtern zunehmend Sorge: Nachdem Hunderttausende vor den Kämpfen in der nördlichen Unruheprovinz Cabo Delgado flohen, mehren sich nun Berichte von Menschenhandel und Landraub. Die eingetroffenen Soldaten aus afrikanischen Nachbarländern sollen den Vormarsch islamischer Fundamentalisten aufhalten - doch selbst die Friedensmission bringt nur wenig Hoffnung.

Seit 2017 kommt es in Cabo Delgado, an der Grenze zum Nachbarland Tansania, immer wieder zu Anschlägen durch Terroristen. Die Extremisten stehen im Verdacht, von der Terrormiliz „Islamischer Staat“ unterstützt zu werden. Dieser reklamierte auch den bisher schlimmsten Angriff Ende März auf die nordmosambikanische Stadt Palma für sich. Bei der tagelangen Belagerung köpften die Angreifer etliche Bewohner.

Die Übergriffe lösten eine Massenflucht von den Küstenorten ins Landesinnere aus: 900.000 Mosambikaner leben heute als Binnenflüchtlinge. „Die Camps sind völlig überfüllt“, sagte Tim Smith, Regionaldirektor des Jesuiten-Flüchtlingsdiensts JRS, in einem Webinar der Südafrikanischen Bischofskonferenz in dieser Woche. In den Zelt- und Barackenstädten fehle es an Wasser, Nahrung, Medikamenten und ärztlicher Versorgung. „Die Gastgebergemeinden rund um die Lager sind unheimlich großzügig und haben ihre Türen für die Vertriebenen geöffnet. Die Frage ist aber, ob und wie lange das so bleibt,“ so Smith.

Kein Zuhause mehr

Das vermutlich größte Problem seien Hunderttausende Kinder, die derzeit nicht zur Schule gehen: Sie machen laut der Flüchtlingsvertreterin der mosambikanischen Bischöfe, Marines Biasibetti, etwa die Hälfte aller Geflüchteten aus. Ihr zufolge hätten die Terroristen mindestens 46 Schulen in Brand gesteckt und mehr als 1.700 Lehrer in die Flucht geschlagen. Die Tatsache, dass 2.000 Kinder in dem Konflikt von ihren Eltern getrennt wurden, schüre Probleme wie Kinderarbeit, Prostitution und Menschenhandel. Junge Mosambikanerinnen seien gezwungen, sexuelle Gefälligkeiten gegen Lebensmittelhilfe zu tauschen. Die Zahl an Mädchen und Frauen, die illegal nach Südafrika gelangten, sei jüngst durch den Konflikt gestiegen.

Auch das Denis Hurley Peace Institute, eine Organisation der Südafrikanischen Bischofskonferenz in Pretoria, ist besorgt. Die Geflüchteten wollen in ihre Dörfer zurückkehren. Doch selbst wenn die Sicherheitssituation dies erlaube, hätten viele Betroffene kein Zuhause mehr, in das sie zurückkehren könnten: Die Regierung habe weite Teile des rohstoffreichen Landes bereits an Konzerne verpachtet. „Die Konsequenzen sind verstörend. Die gesamte Bevölkerung von Cabo Delgado und die meisten Bewohner der Provinz Nampula müssen letztlich umgesiedelt werden, um Öl- und Goldsuchern sowie dem Bergbau Platz zu machen“, so das katholische Institut.

Die Regierung in Maputo steht in der Kritik, die Bewohner im unterentwickelten Norden im Stich gelassen zu haben. Lange glaubte Präsident Filipe Nyusi daran, den Terroristen früher oder später selbst Herr werden zu können. Jetzt sollen Truppen der südafrikanischen Staatengemeinschaft SADC Frieden bringen. Auch Ruanda schickte zu Monatsbeginn 1.000 Soldaten nach Mosambik. „Sie sind gekommen, um Leben zu retten“, sagte Nyusi am Wochenende.

Allerdings wittern manche Experten in der Friedensmission ein Desaster: Die genauen Aufgaben der Soldaten blieben geheim. Die fehlende Zusammenarbeit zwischen ruandischen, mosambikanischen und SADC-Truppen verspreche Chaos im Kampfgebiet. Darüber hinaus ist die Angst groß, dass es erneut zu Menschenrechtsverletzungen kommen könnte, wie zuletzt bei dem Einsatz südafrikanischer Söldner in Cabo Delgado. „Mögliche Übergriffe auf Zivilisten könnten in Mosambik zu Zwietracht und politischer Gewalt führen“, warnt die südafrikanische Denkfabrik Institute for Security Studies.

Alarmiert ist auch der Apostolische Administrator der Diözese Pemba im Norden von Mosambik, Antonio Juliasse Sandramo: „Alles, was unternommen wird, muss auf die Wiederherstellung des Friedens abzielen und nicht darüber hinausschießen.“ Es sei entscheidend für die Soldaten, den „Respekt für Menschenleben“ zu wahren.

Von Markus Schönherr (KNA)

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