Gesund werden - Gesund bleiben: Das Programm für Brandverletzte in Assiut (Ägypten)
Ägypten ‐ Eine ungeschickte Bewegung in der Küche, eine kurze Unaufmerksamkeit beim Spiel - und schon ist es passiert... Davon kann jedes Kind im Zentrum für Brandverletzungen im ägyptischen Assiut seine eigene, schmerzhafte Geschichte erzählen. Eine Reportage.
Aktualisiert: 19.11.2021
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Eine ungeschickte Bewegung in der Küche, eine kurze Unaufmerksamkeit beim Spiel - und schon ist es passiert... Davon kann jedes Kind im Zentrum für Brandverletzungen im ägyptischen Assiut seine eigene, schmerzhafte Geschichte erzählen.
Die achtjährige Malak stieß beim Spiel versehentlich einen Kessel mit kochendem Wasser vom Herd und erlitt dabei schlimme Verbrühungen an den Beinen. Noran packte draußen ihre Spielsachen zusammen, als sie an ein offen liegendes Stromkabel stieß und einen Kurzschluss auslöste. Ihr Gesicht wurde dabei großflächig verbrannt. Yousef lag krank auf dem Sofa, als der Wasserkessel neben ihm umkippte und die heiße Flüssigkeit ihn an Brust, Rücken und Beinen verbrühte. „Wenn ich andere Kinder mit Verbrennungen sehe, tut mir das selbst weh, weil ich weiß, wie groß ihre Schmerzen sind“, sagt der Elfjährige.
Einzigartige Hilfe für Brandverletzte
Um Kindern wie Malak, Noran und Yousef zu helfen, wurde 1989 das Programm für Brandverletzte in Assiut (Assiut Burns Programme, kurz ABP) gegründet. Die Stadt liegt in Oberägypten, einer sehr armen Region. Rund ein Drittel der Bevölkerung lebt unterhalb der Armutsgrenze. Die Familien wohnen oft in beengten Verhältnissen. Gekocht wird auf billigen Kerosin- und Gaskochern. Es gibt keinen Brandschutz. Immer wieder kommt es zu Unfällen mit schweren Verletzungen. Nur wenige Menschen können sich die nötige medizinische Behandlung leisten. Das ABP ist die einzige Einrichtung dieser Art in der Region. Kinder aus armen Familien werden hier kostenlos behandelt. Jährlich nimmt die Einrichtung 1.500 bis 2.000 Menschen mit Verbrennungen auf. Fast zwei Drittel der Patienten sind Kinder. „Während defekte Gasöfen oft schlimme Explosionen verursachen, verbrennen Kinder sich vor allem an heißen Flüssigkeiten oder verletzen sich durch Elektrizität“, erklärt Hany Mokhtar, Direktor des Zentrums. Wochen oder gar Monate dauert die Behandlung, bis nach Operationen, regelmäßigen Verbandswechseln und Physiotherapie die Verletzungen geheilt sind. Was bleibt, sind die äußeren, aber vor allem die inneren Narben. Auch hier hilft das Team um Hany Mokhtar. In Feriencamps werden Kinder mit entstellenden Brandverletzungen psycho-sozial begleitet. Sie lernen, ihre Traumata zu verarbeiten und neues Selbstvertrauen zu entwickeln.
So helfen die Sternsinger
Die Sternsinger unterstützen das Programm für Brandverletzte in Assiut seit 2004. Mit ihrer Hilfe konnte der Partner bisher tausende Kinder mit Verbrennungen behandeln. Zudem veranstaltet er regelmäßig Aufklärungskampagnen für Kinder, Eltern und Multiplikatoren in den Dörfern der Region. Kinder mit schweren Verbrennungen nehmen an Sommercamps teil und werden wieder in die Schulgemeinschaft integriert.Puppentheater klärt über Gefahren auf
Ein weiteres wichtiges Arbeitsfeld des Programms sind Puppentheater-Aufführungen an Schulen, um Mitschüler und Lehrer für Brandschutz und den behutsamen Umgang mit Verbrennungsopfern zu sensibilisieren. Hamdy Hassan ist Leiter des ABP-Puppentheaters. Mehr als tausend Aufführungen an Grundschulen hat sein Team aus Puppenspielern bereits organisiert. So erreichen Hassan und sein Team jährlich rund 8.000 Kinder. „Ich bin überzeugt, dass man mit Theater Wissen am besten vermitteln kann“, sagt er. Am wichtigsten ist jedoch die Reintegration der Verbrennungsopfer in die Schulgemeinschaft. Oft werden sie von den Mitschülern angestarrt oder gar gehänselt, etwa wenn ihr Gesicht durch die Verbrennungen sichtbar entstellt ist. Hassan integriert die Kinder ins Theaterstück. Vor allen Schülern erzählen sie, was ihnen passiert ist. „So bekommen sie ihr Selbstbewusstsein zurück“, sagt Hamdy Hassan. Viele der Puppenspieler haben selbst Verbrennungen erlitten.
In der Region liegt die Haushaltsarbeit fast ausschließlich in den Händen von Frauen. Für sie organisiert der Sternsinger-Partner Seminare und klärt sie mit Videos, Broschüren und Plakaten über Gefahrenquellen im Haushalt auf. Regelmäßig besuchen Mitarbeiter die Familien auch zuhause. In der Küche spielen sie Alltagssituationen durch, etwa, wie man Kaffee in den typischen langstieligen Kaffeekannen möglichst gefahrlos zubereitet: stets auf der hinteren Herdplatte, den Stiel Richtung Wand, damit die Kanne nicht umgestoßen werden kann. „Wir wollen auch hier die Situation verbessern und Unfällen vorbeugen“, erzählt Helferin Ana Amudia (23). „Ich gebe viel Wissen an die Menschen weiter, ich lerne aber auch selbst immer wieder sehr viel.“
Von Susanne Dietmann
© Kindermissionswerk ‚Die Sternsinger‘