Vor 30 Jahren endete der Bürgerkrieg in El Salvador
San Salvador ‐ Am 16. Januar 1992 setzte ein Friedensvertrag den Schlusspunkt unter einen zwölfjährigen Bürgerkrieg in El Salvador. Doch die Ursachen des Konflikts beschäftigen das kleinste Land Mittelamerikas bis heute.
Aktualisiert: 13.07.2022
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Die Kathedrale in San Salvador ist längst zu einer Pilgerstätte geworden. In der Krypta ruhen die sterblichen Überreste von Oscar Romero, der in El Salvador inzwischen den Status eines Nationalheiligen hat. Immer wieder halten Menschen vor Romeros Grab inne, verharren in Gebet oder Andacht. Am 24. März 1980 wurde der Erzbischof auf Betreiben der damaligen Militärjunta ermordet. Die Tat gilt als Fanal für einen blutigen Bürgerkrieg, in dessen Verlauf schätzungsweise 75.000 Menschen starben.
Vor 30 Jahren, am 16. Januar 1992, setzte der Friedensvertrag von Chapultepec den Kämpfen zwischen dem Militär und der linksgerichteten FMLN-Guerilla ein Ende. Die UN-Beobachtermission ONUSAL überwachte bis 1995 die Umsetzung des Vertrags, der unter anderem die Anerkennung der FMLN als Partei vorsah. „Der Prozess galt lange als Musterbeispiel liberaler Friedensentwicklung“, urteilt der Politologe Jonatan Suarez Palomino. Doch Gewalt, politische Gegensätze und soziale Ungleichheit prägen El Salvador bis heute.
Immer noch fehlt es vielen Bürgern des Landes an Perspektiven. Für internationale Schlagzeilen sorgen die Migrantenbewegungen Richtung USA oder eine hohe Kriminalitätsrate, für die auch die Jugendbanden stehen, die Maras. Die Ursachen für die labile Situation im kleinsten Staat Mittelamerikas sind vielfältig. Seit Jahrzehnten gibt es Konflikte um Landnutzung. Wirtschaftlich ist El Salvador nach wie vor vom Export landwirtschaftlicher Erzeugnisse wie Kaffee oder Zuckerrohr abhängig. Sinken die Preise, sorgt das für zusätzlichen Druck. Neu hinzu gekommen sind die Folgen des Klimawandels.
Wenige Familien mit Wurzeln in Spanien oder anderen Ländern Europas dominieren die Gesellschaft. Die meisten Nachfahren der eingesessenen Bevölkerung leiden dagegen unter Ausgrenzung und Rassismus. Bereits 1932 gab es unter Militärdiktator Maximiliano Hernandez Martinez ein Massaker an der indigenen Bevölkerung. Öl ins Feuer gossen immer wieder die USA, die Mittelamerika als ihren „Hinterhof“ betrachteten. Als Ende der 70er Jahre in Nicaragua die Sandinisten an die Macht kamen, setzten die USA alles daran, in anderen Ländern der Region einen Linksrutsch zu verhindern. Sie pumpten Milliarden in einen Krieg gegen den Kommunismus.
Etwa zur gleichen Zeit wandelte sich die Stimmung in Teilen der katholischen Kirche in El Salvador. Lange standen deren Vertreter aufseiten der herrschenden Elite. Auch Oscar Romero trat zunächst als eher konservativer Kirchenmann in Erscheinung, der sich aus dem Konflikt zwischen Militär und linken Guerilla-Gruppen heraushalten wollte. Steinig und gewunden war der Weg zum Sympathisanten der innerkirchlich lange umstrittenen „Theologie der Befreiung“ und späteren scharfzüngigen Kritiker der Regierung.
Ein Auslöser dafür war der Mord an dem Jesuiten Rutilio Grande und seinen Begleitern Manuel Solorzano und Nelson Lemus am 12. März 1977. In Aguilares, etwa 40 Kilometer nördlich von San Salvador, leitete Grande eine Pfarrei. Zeitzeugen erinnern sich, wie der Pater immer wieder die Ausbeutung von Landarbeitern anprangerte und damit die Besitzer der großen Plantagen gegen sich aufbrachte.
„Er hat Gerechtigkeit gepredigt“, sagen sie über Rutilio Grande. Mit seinen beiden Begleitern wurde der Ordensmann auf einem Zuckerrohrfeld erschossen. Der erschütterte Oscar Romero hielt die Totenmesse und forderte die Aufklärung des Verbrechens. Dadurch geriet auch er ins Fadenkreuz von Großgrundbesitzern und Militärs.
Grande, Solorzano und Lemus sollen am 22. Januar seliggesprochen werden – zusammen mit dem italienischen Priester und Missionar Cosma Spessotto, der 1980 im Alter von 57 Jahren in dem Städtchen San Juan Nonualco getötet wurde. Die Zeremonie soll im Hof der Kathedrale von San Salvador stattfinden, unweit von Romeros Grab. Kurz nach dem 30. Jahrestag des Friedensvertrags von Chapultepec, an dessen Zustandekommen auch die Kirche mitwirkte, schließt sich in gewisser Weise ein Kreis – während viele Menschen in El Salvador weiter hoffen, dass der Teufelskreis aus Armut und Gewalt eines Tages endgültig durchbrochen wird.
Von Joachim Heinz (KNA)
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