Bischof Meier: Das europäische Projekt verteidigen
Vierzehnheiligen ‐ Die katholischen Bischöfe in Deutschland haben Russland vorgeworfen, in der Ukraine einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg zu führen. Der Augsburger Bischof Bertram Meier, der in außenpolitischen Fragen für die Deutsche Bischofskonferenz spricht, sagte am Mittwoch im Wallfahrtsort Vierzehnheiligen, die Russische Föderation sei dazu weder provoziert noch bedroht worden.
Aktualisiert: 22.06.2022
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Die katholischen Bischöfe in Deutschland haben Russland vorgeworfen, in der Ukraine einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg zu führen. Der Augsburger Bischof Bertram Meier, der in außenpolitischen Fragen für die Deutsche Bischofskonferenz spricht, sagte am Mittwoch im Wallfahrtsort Vierzehnheiligen, die Russische Föderation sei dazu weder provoziert noch bedroht worden. „Nichts, was die Führung in Moskau zur Begründung des Angriffs vorgebracht hat, vermag zu überzeugen“, so Meier. Das zeige die klare Verurteilung des Krieges durch die Vollversammlung der Vereinten Nationen auf eindrucksvolle Weise.
Er fügte hinzu, die deutschen Bischöfe verurteilten das Vorgehen der Russischen Föderation ohne Wenn und Aber. „Wir stehen an der Seite der ukrainischen Nation, die das Recht der Selbstverteidigung besitzt, das im Völkerrecht kodifiziert ist, aber auch von der kirchlichen Friedenslehre für den Fall eines Angriffs bejaht wird“.
Zur Debatte um ein stärkeres militärisches Eingreifen westlicher Staaten zur Verteidigung der Ukraine sagte Meier, dies sei eine Gratwanderung. „Die Länder des Westens haben sich entschieden, die Ukraine bei ihrer Selbstverteidigung zu unterstützen – auch mit Waffenlieferungen – und zugleich deutlich gemacht, dass sie sich, angesichts der andernfalls drohenden Gefahren für den Frieden in ganz Europa und in der Welt, nicht unmittelbar in diesem Krieg engagieren werden.“ Diese „Mischung aus Beistand für ein angegriffenes Land und einer Selbstbeschränkung um eines höheren Gutes willen“ sei aus Sicht der Bischöfe „prinzipiell vereinbar mit den Grundlagen der christlichen Friedenslehre“.
„Unheilvolle Dynamik“
Dabei betonte Meier das grundlegend kritische Verhältnis der Kirche zur Gewalt: „Wir wissen: Gewalt und Gegengewalt erzeugen eine unheilvolle Dynamik. Es entstehen Spiralen der Gewalt, die sich immer mehr der Kontrolle entziehen, zu immer mehr Zerstörung führen, zu Traumata und zu Hass, der das kollektive Bewusstsein ganzer Völker vergiftet und über Generationen hinweg echten Frieden unmöglich macht.“ Deshalb sei die Perspektive der Kirche immer der „gerechte Friede“, der dann entstehe und gedeihe, wenn die Rechte der Staaten, der Völker und der einzelnen Menschen gewahrt sei. „Auch mitten im Krieg darf allen Beteiligten dieser Horizont des Friedens nicht entschwinden. Die Dynamik der totalen Verfeindung muss vermieden werden.“
Mit Blick auf das Leiden der Zivilbevölkerung in der Ukraine sagte Meier, es seien konkrete Menschen, die in den „Mühlen des Krieges“ zerrieben werden. „Natürlich die toten und schwer verletzten Soldaten auf beiden Seiten. Aber auch trauernde Angehörige, eine Unzahl von Zivilisten, die – auch durch völkerrechtswidrige Formen des Kampfes, wie wir sie gerade erleben – wenn nicht ihr Leben, so doch ihr Hab und Gut, ihre Lebensgrundlage verlieren und deren Zukunftschancen begraben werden. Hunderttausende haben sich als Flüchtlinge auf den Weg gemacht, um der Gewalt zu entrinnen.“ Diese seien nun auf Unterstützung angewiesen: „Die Staaten und nicht weniger die Bevölkerungen in ganz Europa sind aufgerufen, Hilfe zu geben und zu ermöglichen.“
Bischof Meier: Das europäische Projekt verteidigen
Zudem bezeichnete der Weltkirche-Bischof den Angriff auf die Ukraine als Attacke auf die freiheitliche Demokratie in Europa. „Wir schätzen die Menschenrechte und die bürgerlichen Freiheiten, wir treten ein für gemeinsame Sicherheit der Staaten und den Austausch zwischen ihnen auf der Grundlage verbindlicher und fairer Regeln. All das wurde auch attackiert durch den Angriff auf die Ukraine.“
Die „Auseinandersetzung mit den Kräften, die ein anderes Europa im Sinn haben“ über den aktuellen Krieg in der Ukraine hinaus werde weiter gehen. Der Bischof äußerte sich am Rande der Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz.
Meier betonte, die Perspektive der Kirche sei nicht eine Spirale der Gewalt sondern ein „Horizont des Friedens“ und die Hoffnung auf Versöhnung jenseits der aktuellen kriegerischen Auseinandersetzung. Großen Respekt zollte Meier der polnischen Bevölkerung und der Kirche in Polen für ihre Hilfsbereitschaft für Millionen von Flüchtlingen aus der Ukraine. Er dankte jenen Kräften in der ukrainischen Orthodoxie, die sich gegen den russischen Angriffskrieg positioniert haben.
Zurückhaltung des Papstes verteidigt
Bertram Meier verteidigte auch die rhetorische Zurückhaltung des Papstes, der bislang den russischen Präsidenten Wladimir Putin nicht direkt beschuldigt hat. „Ich halte es eher für hilfreich“, sagte der Augsburger Bischof am Mittwoch in Vierzehnheiligen. Franziskus gehe es darum, dass möglichst schnell die Waffen schwiegen und nicht, sich auf eine Seite zu schlagen. „Er möchte als Heiliger Stuhl Brückenbauer sein, Pontifex maximus. Deshalb möchte er sehr vorsichtig sein, Namen zu nennen.“
Wer die Äußerungen des Papstes höre, wisse, wo Franziskus stehe, so Meier weiter. Es gebe keinen öffentlichen Auftritt, in dem er nicht zu den Themenfeldern Krieg, Flüchtlinge oder schutzlose Menschen spreche. Seine Gedanken seien: „Wenn Krieg herrscht, gibt es immer einen großen Verlierer: Der Mensch, die Menschlichkeit, vielleicht die Menschheit“, so der Bischof. Außerdem verwies er auf die Initiativen des Vatikans zur Vermittlung in dem Konflikt, etwa den Besuch des Papstes in der russischen Botschaft am Heiligen Stuhl. Dies sei eine wichtige Geste gewesen, denn normalerweise kämen Botschafter zum Papst.
Weltkirche.de/KNA/DBK
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