Trotz aller Untersuchungen, die auch die antiklerikalen Machthaber in Mexiko seit Mitte des 19. Jahrhunderts veranlassten, ist bis heute unerklärlich, wie das Bild auf das Gewebe gelangt ist. Beobachter sehen in Details des Bildes – etwa in der Gestaltung der Kleidung, in den Augen, in dem ebenfalls abgebildeten Engel, Mond und Strahlen – diverse Zahlen- und Zeichensymbole. Zudem ist die „Morenita“ (Dunkelhäutige), wie die abgebildete Frau genannt wird, als Schwangere dargestellt.
Juan Diego wurde 1990 von Johannes Paul II. selig- und 2002 heiliggesprochen - als erster Indio der Kirchengeschichte. Der Seher ist eine Symbolfigur für die Verwurzelung der katholischen Kirche in Amerika. Seine Historizität gilt nach intensiven Untersuchungen durch eine vatikanische Historiker-Kommission als erwiesen.
Die Jungfrau von Guadalupe ist die Patronin Mexikos, von Nord- und Südamerika und den Philippinen, der Ungeborenen und der Indios. Die Verehrung ihres Gnadenbildes trug wesentlich dazu bei, dass sich die indianischen Völker Zentral- und Südamerikas zum Christentum bekehrten. Die mexikanische Madonna wird als „Brücke“ zwischen der von den Franziskanern evangelisierten aztekischen Kultur, dem iberischen Christentum und der Mestizen-Mischkultur gesehen.
Insgesamt gilt das Guadalupe-Ereignis heute als gelungenstes Beispiel für die Inkulturation der christlichen Botschaft in eine neue Umwelt.
Heute ist nicht nur in mexikanischen Kirchen, sondern auch in den Häusern und in der Alltagskultur des Landes das Bild der dunkelhäutigen Maria allgegenwärtig. Den ironisch gemeinten Ausspruch „Ich bin Atheist, aber Guadalupano“ griff Papst Franziskus zuletzt in einem Interview im Vorfeld seiner Mexiko-Reise auf, um das Ausmaß dieser Form der Marienverehrung hervorzuheben.
An der Stelle der Erscheinung am Tepeyac wurde zunächst eine kleine Kapelle errichtet, die nach dem Tod Juan Diegos zu einem wichtigen Pilgerort wurde. Später entstand am Fuße des Hügels ein eindrucksvoller Spätrenaissance-Bau. Als Mitte des 20. Jahrhunderts der Untergrund absank, musste die Basilika für Besucher gesperrt werden. Heute ist sie wieder zugänglich, wird jedoch nur noch als Museum genutzt.
Eine angrenzende neue Basilika, entworfen vom mexikanischen Architekten Pedro Ramirez Vazquez, wurde ab 1974 errichtet und 1976 geweiht. Der an ein „Zelt in der Wüste“ erinnernde Sakralbau bietet 40.000 Besuchern Platz und ist damit eine der größten Kirchen weltweit. Dies war zum Zeitpunkt der Errichtung auch deshalb von Bedeutung, weil es in Mexiko aufgrund einer streng antiklerikalen Gesetzgebung lange verboten war, Messen unter freiem Himmel zu feiern. Das Gnadenbild ist auf der Rückwand der Kirche angebracht. Um den Besucherandrang zu bewältigen, können sich die Gläubigen der „Tilma“ auf einer im Untergeschoss des Altarbereiches installierten mehrspurigen Rolltreppe für einige Sekunden nähern.