Begonnen hatte der „Weg zu Heilung und Versöhnung“, wie das Projekt von Indigenen und katholischer Kirche heißt, vor drei Jahren in Kanada. Seit Sonntag nun hielt sich eine größere Delegation indigener Volksgruppen zusammen mit Bischöfen des Landes in Rom auf. Dort trugen Delegierte der Inuit, Metis und First Nations ihre Geschichten dem großen „Chief“ der katholischen Kirche vor.
Sie erzählten ihm von Kindern, die ihren Familien entrissen und in Internate gesteckt wurden, in denen sie ihre Sprache nicht sprechen, ihre Traditionen nicht pflegen durften. In denen sie der vermeintlich überlegenen Kultur europäischer Einwanderer angepasst werden sollten. Eltern, die jahrelang nicht wussten, was mit ihren Kindern geschah; die vergebens warteten, sie wiederzusehen, weil ihr Sohn, ihre Tochter an den elenden Bedingungen dort gestorben und auf dem Gelände anonym begraben worden war.
Bei Treffen am Montag und Donnerstag hörte Franziskus vor allem zu. Am Freitag in der Sala Clementina gesteht der Papst: Was ihm die Gäste erzählt hätten, habe ihn „mit Empörung und Scham“ erfüllt. Empört sei er, weil viele sich immer noch weigerten, aus der Vergangenheit zu lernen. Scham und Schmerz hingegen empfinde er „wegen der Rolle, die Katholiken hatten, vor allem Verantwortliche im Bildungswesen“. „Für das beklagenswerte Verhalten dieser Mitglieder der katholischen Kirche bitte ich Gott um Vergebung“, sagt Franziskus weiter. Er schließe sich den kanadischen Bischöfen und ihrer Bitte um Vergebung für das Unrecht an.
Der Papst hat begriffen, was wir ihm erzählt haben, bestätigt Cassidy Caron, Leiterin der Metis-Delegation, am Ende. „Die Entschuldigung war lange überfällig“, meint hingegen Natan Obed von den Inuit. Wie einzelne Betroffene sie empfänden, sei sicher unterschiedlich. Die Begegnung mit dem Papst sei aber nur „ein Puzzlestück“, so Obed. Weitere stünden aus; etwa die Auslieferung eines des Missbrauchs beschuldigten Ordensmanns aus Frankreich nach Kanada. Oder die Rückgabe von Inuit-Exponaten in den Vatikanischen Museen. Andere verlangten, kirchliche Dokumente, in denen von kultureller oder rassischer Überlegenheit die Rede ist, müssten widerrufen werden.
Chief Gerald Antoine vom Volk der Dene sprach in diesen Tagen mehrfach von einem „historischer Meilenstein“. Die Begegnungen mit dem Papst, wie die Reise insgesamt, erinnerten ihn an das Deckengemälde in der Sixtinischen Kapelle, wo der Zeigefinger einer Person (Gott) den einer anderen (Adam) berührt. Ein Moment, in dem ein Funke überspringt.
So lobt und würdigt der Papst am Freitag die Weisheit der indigenen Völker: ihr Traditionsbewusstsein, ihren Gemeinschaftssinn, ihre Einsichten in den Zusammenhang von Mensch und Schöpfung. Eine Aussage habe ihn besonders beeindruckt, gesteht Franziskus: „Wer heute eine Entscheidung trifft, muss sieben Generationen vorausdenken.“ Das ist Nachhaltigkeit, wie sie dem Verfasser der Sozial- und Umweltenzyklika „Laudato si“ vorschwebt. Bereits bei seinen Reisen nach Südamerika hatte Franziskus immer wieder die soziale wie ökologische Weisheit indigener Völker gelobt. Diese müssen mit wissenschaftlicher Forschung und westlichen Lehr-Curricula integriert werden.