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Die beiden Kaziken und Schwester Paulina kommen zu einem Haus, vor dem ein Garten mit Heilkräutern angelegt wurde. Hier wachsen Melisse, Myrrhe, Pfefferminze, Zitronengras, Rosmarin und vieles mehr. In dem Haus lebt die 16-jährige Tuliana Silva do Carmo mit ihrer Familie. Vor drei Jahren kam sie nach Kulina Madiha. Die junge Frau gehört dem Volk der Kumaruara an und ist eines der aktivsten Mitglieder der indigenen Jugendgruppe in der Kirche. „Viele Brasilianer glauben, dass die indigene Kultur nichts wert sei, und viele Ureinwohner fürchten sich aus Angst vor Vorurteilen, ihre Kultur zu zeigen“, sagt die selbstbewusste junge Frau, die an der Kasse eines Supermarkts arbeitet. Viele Brasilianer hielten die ursprünglichen Völker des Landes für faul und zurückgeblieben, erzählt sie. Auch Brasiliens Präsident, Jair Bolsonaro, behauptet das. Besonders die Indigenen in den Städten leiden darunter, weil ihnen die Gemeinschaft fehlt, die ihnen Kraft und Selbstvertrauen gibt.
Die von der Familien-Pastoral unterstützte Jugendgruppe von Tuliana nennt sich „Kanata Kuema“, „Morgendämmerung“. „Viele kennen ihre Kultur nicht mehr“, erzählt Tuliana. „Sie ist vom Aussterben bedroht. Aber wir merken, dass sich immer mehr Jugendliche für unsere Aktivitäten interessieren.“
Dazu gehören beispielsweise das Einstudieren traditioneller indigener Tänze, die auf Festen präsentiert werden, und die traditionellen Bemalungen im Gesicht, am Hals und auf den Armen. Ebenso versuchen die Indigenen, ihre Sprachen zu bewahren und zu sprechen, weil sie sonst im Alltag nur Portugiesisch reden. „Die Familien-Pastoral und Schwester Paulina ermutigen uns, weiterzumachen“, sagt Tuliana. „Sie machen uns Mut, unseren Weg weiterzugehen, uns nicht beirren zu lassen. Wenn ich unsere Kultur praktiziere, fühle ich mich Gott näher.“
Die beiden Kaziken von Kulina Madiha nicken. Es sei schlimm, wenn ein Indigener seine Wurzeln verliere, ist Raymon Ferreira überzeugt. Er habe dann keinen Halt mehr und werde wie ein Blatt im Sturm herumgewirbelt. „Zum Glück gibt es Jugendliche wie Tuliana.“ Schwester Paulina stimmt ihm zu. „Die Jugendlichen haben einen Samen gepflanzt, der nun langsam keimt.“