Papst nominiert 13 neue Kardinäle

Papst nominiert 13 neue Kardinäle

Weltkirche ‐ Am vergangenen Wochenende hat Papst Franziskus 13 Männer ins Kardinalskollegium aufgenommen. Die neuen Mitglieder seines wichtigsten Beratergremiums stammen aus Ruanda und den Philippinen, aus Chile und Mexiko, den USA und Italien.

Erstellt: 30.11.2020
Aktualisiert: 30.11.2020
Lesedauer: 

Am vergangenen Wochenende hat Papst Franziskus 13 Männer ins Kardinalskollegium aufgenommen. Die neuen Mitglieder seines wichtigsten Beratergremiums stammen aus Ruanda und den Philippinen, aus Chile und Mexiko, den USA und Italien. Neun von ihnen gehören künftig dem Kreis der Papstwähler an. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) stellt die Kandidaten vor.

Mario Grech (63) lässt frischen Wind für eine synodale Kirchenleitung erwarten. Seit September ist der Malteser Generalsekretär der Bischofssynode und somit für die Organisation von Bischofsversammlungen zu wechselnden Themen verantwortlich. Schon im Herbst 2019 war Grech in die Durchführung der Amazonas-Synode eingebunden. Der Jurist und Kirchenrechtler, seit 2005 Bischof in Malta, zeigte sich verschiedentlich als Mann nach dem Sinn des Papstes: Er stellte sich gegen Populismus und hinter die deutschen Seenotretter von Sea-Watch, seine Empfehlungen zum Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen fanden Gefallen im Vatikan. Seit Juli sitzt er im päpstlichen Ökumene-Rat. In einem Interview 2018 äußerte Grech Unbehagen mit Schwarz-Weiß-Denken: Es seien die „Grauzonen, in denen wir suchen müssen".

Marcello Semeraro (72) erhält den Kardinalstitel hauptsächlich wegen seines neuen Amtes als Präfekt der Heiligsprechungskongregation. Erst im Oktober übernahm er den Posten von dem überraschend zurückgetretenen Giovanni Angelo Becciu. Seit 2004 Bischof von Albano bei Rom, zeigte der aus dem süditalienischen Lecce stammende Dogmatiker Semeraro eine sensible Haltung in Fragen der Geschiedenenpastoral und der Missbrauchsprävention. Wie sehr der Papst ihm vertraut, zeigt sich darin, dass er Semeraro 2013 zum Sekretär im Kardinalsrat für die Kurienreform berief.

Antoine Kambanda (62) hat die Folgen des Völkermordes in seinem Heimatland Ruanda 1994 unmittelbar erlebt. Bis auf einen Bruder wurde seine gesamte Familie getötet. Kambanda, der im Osten Ruandas zur Welt kam, wuchs in Kenia auf; zum Studium kehrte er nach Ruanda zurück. 1990 wurde er zum Priester geweiht. Mitte der 90er Jahre studierte er in Rom, bevor er die Leitung der Caritas in Ruandas Hauptstadt Kigali übernahm und Moraltheologie in Nyakibanda unterrichtete. Im Mai 2013 ernannte ihn Franziskus zum Bischof von Kibungo; 2018 übertrug er ihm die Leitung des Erzbistums Kigali. Zu Kambandas dortigem Amtsantritt kündigte Ruandas Präsident Paul Kagame an, der Staat wolle künftig enger mit der katholischen Kirche kooperieren, auch was die Aufarbeitung des Völkermords angeht.

Wilton Gregory (72) hat als Erzbischof von Washington kirchenpolitisches Gewicht – aber auch eine Hypothek: Der Rücktritt seines Vorgängers Kardinal Donald Wuerl im Oktober 2018 war vom Missbrauchsskandal überschattet; der vorherige Amtsinhaber Theodore McCarrick musste gar wegen moralischer Verfehlungen Kardinalshut und Priesteramt abgeben. Der in Chicago geborene Afroamerikaner Gregory gilt als ebenso überzeugungsstark wie integrativ. 2001 wählten ihn die US-Bischöfe als ersten Schwarzen für vier Jahre zu ihrem Vorsitzenden. Im Kampf gegen sexuellen Missbrauch zeigte er klares Profil.

Jose Fuerte Advincula (68) ist ein bislang eher unauffälliger Vertreter des philippinischen Klerus. Mit seiner Aufnahme in den Kardinalsstand stärkt der Papst die Kirche des Landes, die immer wieder in Konflikte mit dem autoritär regierenden Präsidenten Rodrigo Duterte gerät. In der Bischofskonferenz engagiert sich Advincula seit Jahren für die Rechte der Indigenen; ein Thema, das Franziskus besonders am Herzen liegt. Seit 2012 leitet Advincula das Erzbistum Capiz im Zentrum der Philippinen; zuvor war er ab 2001 Bischof von San Carlos. 1976 zum Priester geweiht, studierte er Psychologie und Kirchenrecht, unter anderem an der Päpstlichen Universität Angelicum. Wegen der Corona-Pandemie ist er nicht eigens zu der Zeremonie nach Rom gereist.

Celestino Aos Braco (75) trat im März 2019 in Santiago de Chile das schwere Amt des Aufräumers an. Santiagos vorige Erzbischöfe, die Kardinäle Ricardo Ezzati und Francisco Errazuriz, waren durch massive Vertuschungsvorwürfe diskreditiert; gegen beide ermittelt die Justiz. Ein früherer Missbrauchsbeauftragter des Erzbistums zeigte sich wegen sexueller Übergriffe selbst an. Die Zustände in Santiago sind nur die Spitze der krisenhaften Verfassung der Kirche in Chile. Aos bemüht sich, auch in Austausch mit dem Papst, um neue Glaubwürdigkeit. Dabei agiert er furchtlos und allürenfrei – wie es sich für einen Sohn der spanischen Stierkämpfer-Region Pamplona und für einen Kapuziner gehört.

Cornelius Sim (69) kam als „Quereinsteiger" in Kirchendienste. Der aus dem Sultanat Brunei stammende und in Schottland ausgebildete Erdölingenieur machte zunächst Karriere beim Shell-Konzern, bevor er in den USA Theologie studierte und 1989 zum Priester geweiht wurde. 1997 wurde Sim Apostolischer Präfekt in Brunei. Als Johannes Paul II. 2004 die Präfektur in den Rang eines Apostolischen Vikariates erhob, machte er Sim zum ersten Bischof für den erdölreichen Kleinstaat in Südostasien. Wegen der Corona-Pandemie ist Sim nicht eigens nach Rom gereist. Etwa 8,7 Prozent der rund 465.000 Einwohner Bruneis sind Christen; die Mehrheit der Bevölkerung bekennt sich zum Islam.

Augusto Lojudice (56) zählte mit seinem Bischofssitz Siena nicht unbedingt zu den Kardinalsanwärtern. Allerdings ist er ein Hirt nach dem Herzen des Papstes. Seit 2015 Weihbischof in seiner Heimatstadt Rom, machte sich Lojudice besonders als Anwalt für soziale Randgruppen einen Namen. In Italiens Bischofskonferenz ist er Sekretär der Migrations-Kommission. Wiederholt nahm er gegen die gewaltsame Räumung von Roma-Camps oder die Vertreibung von Migranten Stellung. Als 2017 der Posten des päpstlichen Stellvertreters im Bistum Rom frei wurde, galt Lojudice als Kandidat; stattdessen wurde es das beschauliche Toskana-Bistum. Jetzt zieht er als viertjüngstes Mitglied ins Kardinalskollegium ein.

Mauro Gambetti (55) ist der jüngste Kardinalsanwärter auf der Liste des Papstes. Er absolvierte zunächst ein Ingenieurstudium, bevor er 1998 den Franziskaner-Minoriten beitrat. Der aus der Nähe von Bologna stammende Ordensmann wurde 2000 zum Priester geweiht und war unter anderem in der Jugendseelsorge tätig. Ab 2005 wurde er wiederholt mit Leitungsfunktionen beauftragt. Seit 2013 war Gambetti Kustos des Konvents von Assisi, das Mutterkloster der Gemeinschaft. In dieser Eigenschaft tauchte er 2018 auch in deutschen Medien auf, als die Franziskaner Bundeskanzlerin Angela Merkel mit der „Lampe des Friedens" ehrten.

Felipe Arizmendi Esquivel (80) machte sich immer wieder zum Sprachrohr für die Belange von Indigenen. Schon allein deshalb dürfte Arizmendi, der von 2000 bis 2017 das mexikanische Bistum San Cristobal de las Casas leitete, ein Mann nach dem Geschmack des Papstes sein. Nicht zuletzt dem Mitwirken des Liturgiefachmanns war zu verdanken, dass Franziskus 2016 bei seinem Mexiko-Besuch das aztekische Nahuatl zur Liturgiesprache erklärte. Bei politischen Fragen versuchte sich Arizmendi mitunter auch an unkonventionellen Ansätzen. So nannte er in einem KNA-Interview eine „medizinische und regulierte Nutzung" von Drogen eine Option, um den grassierenden Drogenmissbrauch und die damit einhergehende Kriminalität in den Griff zu bekommen. In Fragen der Sexualmoral gibt sich der Kirchenmann dagegen eher konservativ: Die Ehe sei der traditionellen Familie vorbehalten.

Silvano Tomasi (80) widmete sein Leben den Migranten und der Diplomatie. Als Ordenspriester aus Norditalien studierte er Soziologie an der Fordham University in New York und baute dort das Center for Migration Studies mit auf, einen Think Tank. Seit 1983 Leiter der Flüchtlings- und Migrationsfachstelle der US-Bischofskonferenz, wurde er 1989 vom Papst zum Sekretär des Migrantenrates im Vatikan ernannt. 1996 der Wechsel in die Diplomatie: Tomasi wurde Nuntius in Äthiopien, Eritrea und Dschibuti, schließlich 2003 Ständiger Beobachter des Heiligen Stuhls bei den Vereinten Nationen in Genf. Auch nach seiner Pensionierung 2016 arbeitet er in der Vatikanbehörde für Entwicklung und Menschenrechte mit und meldet sich zu Wort – entschieden in der Sache, gemäßigt im Ton.

Raniero Cantalamessa (86) hat eine delikate Aufgabe: dem Papst ins Gewissen reden. Jeweils im Advent und in der Fastenzeit hält der Kapuziner als Prediger des päpstlichen Hauses geistliche Vorträge für die Kurienspitzen, am Karfreitag auch die Predigt im Petersdom. Ohne amtliche Macht, nur mit der Macht des Wortes trimmt der unprätentiöse weißbärtige Ordensmann den Kurs der Kirche. Wie heikel das sein kann, erfuhr Cantalamessa 2010, als er im Missbrauchsskandal Pauschalangriffe auf die Kirche mit antisemitischer Hetze verglich. Karfreitag 2020 behandelte der vielseitig beschlagene Professor für Alte Kirchengeschichte und Patristik die Frage nach Gott angesichts der Corona-Pandemie –eines der schwersten Themen seiner 40-jährigen Hofpredigertätigkeit. Von der für Kardinäle üblichen Bischofsweihe dispensierte ihn der Papst aus Altersgründen.

Enrico Feroci (80) ist eine Überraschung in der Reihe der neuen Kardinäle. Sein jahrzehntelanges Wirken als Pfarrer, vor allem aber sein soziales Engagement und seine Arbeit als Direktor des römischen Caritas-Verbandes werden Papst Franziskus auf ihn aufmerksam gemacht haben. In Pizzoli in den Abruzzen geboren, wurde Feroci 1965 zum Priester geweiht. Seit 2019 ist er in einer Pfarrei in dem zu Rom gehörenden Bezirk Castel di Leva tätig.

Die künftigen Papstwähler in Zahlen

Mit zunehmender Dauer einer Amtszeit trägt naturgemäß auch das Kardinalskollegium immer stärker die Handschrift eines Papstes. Nach dem Konsistorium am Wochenende (28./29. November) werden 73 der dann 128 zur Papstwahl berechtigten Kardinäle von Franziskus ernannt sein. Ein gutes Dutzend stammt noch aus der Amtszeit von Johannes Paul II. (1978-2005), die übrigen von Benedikt XVI. (2005-2013).

Der einst erdrückende Anteil der Europäer und Italiener, seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und speziell unter Papst Franziskus permanent rückläufig, wird durch die neuen Ernennungen nicht kleiner. Von den künftig 128 Papstwählern sind 54 Europäer (22 Italiener); aus Deutschland bleibt die Zahl mit 3 konstant. Zur „westlichen Welt" hinzuzuzählen sind mit 16 Wählern die Nordamerikaner (einschließlich Mexiko mit 3). Der „globale Süden" ist künftig mit 58 Papstwählern repräsentiert: 21 aus Lateinamerika, 17 aus Afrika, 16 aus Asien sowie Australien/Ozeanien mit 4.

Stark aufgestockt hat der Jesuit Franziskus die Zahl der Ordensleute im Kardinalskollegium. Diesmal gehören von den 13 Neuernannten 4 einer Ordensgemeinschaft an; von den 9 Wählern sind es 2. Bei einer Papstwahl wären künftig von 128 Stimmberechtigten 29 Ordensmänner – eine Quote von 23 Prozent.

© Text: KNA