Salvini gegen den Papst
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Salvini gegen den Papst

Italien ‐ Der Kontinent unter dem Schutz der Muttergottes, ein harter Kurs gegen illegale Einwanderung als christliche Politik: Italiens Vize-Regierungschef kehrt seine katholische Seite heraus. Und erntet Kritik von der Kirche.

Erstellt: 21.05.2019
Aktualisiert: 21.05.2019
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Der Kontinent unter dem Schutz der Muttergottes, ein harter Kurs gegen illegale Einwanderung als christliche Politik: Italiens Vize-Regierungschef kehrt seine katholische Seite heraus. Und erntet Kritik von der Kirche.

Kurz vor der Europawahl ist in Italien ein Kampf um den katholischen Glauben entbrannt. Innenminister Matteo Salvini ruft für den Erfolg des Rechtspopulismus die Schutzheiligen Europas an und hat keine Scheu, sich mit Papst Franziskus anzulegen: Bei einer Kundgebung rechter europäischer Parteien am Wochenende vor dem Mailänder Dom meinte der Lega-Chef, das Kirchenoberhaupt Mores lehren zu müssen. Jetzt spürt er Gegenwind aus Rom.

Für Salvini steht nächsten Sonntag viel auf dem Spiel. Nach Meinung von Beobachtern gilt die Europawahl dem 46-jährigen Vize-Ministerpräsidenten als Test, ob er die Koalition mit der zusehends unbequemen Fünf-Sterne-Bewegung in Rom platzen lassen und mit Neuwahlen einen Durchmarsch seiner rechten Lega wagen kann.

Im katholisch geprägten Italien setzt Salvini auf die religiöse Karte. In Mailand schwenkte er, wie schon bei früheren Gelegenheiten, einen Rosenkranz, deklamierte die Namen der katholischen Patrone Europas, wandte sich an die Gottesmutter: „Ich persönlich vertraue mein und euer Leben dem unbefleckten Herz Mariens an, das, da bin ich sicher, uns zum Sieg verhelfen wird.“

In der Weihe an das Herz Mariens klingen die Erscheinungen von Fatima 1917 an, wo es um die Bekehrung Russlands ging. Wenn aber in Italien von der Madonna in Zusammenhang mit Sieg die Rede ist, erinnert sich mancher Kirchgänger auch an großformatige Ölgemälde von der Seeschlacht des christlichen Flottenverbands gegen die Türken bei Lepanto 1571.

Boote mit Muslimen auf dem Weg nach Europa: Wie mit ihnen umzugehen ist, da liegen Salvini und der Papst über Kreuz. Franziskus fordert bedingungslose Hilfe für Menschen in Not und wirbt für ein kulturoffenes Europa. Salvini rühmte sich in Mailand, mit seiner Härte gegenüber privaten Seenotrettern die Zahl der Toten im Mittelmeer verringert zu haben, „mit Stolz und christlichem Geist“. Als er den Papst erwähnte, gab es Pfiffe.

Für sein Glaubensbekenntnis erntete Salvini seinerseits Tadel von Kirchenmännern – unter anderem vom Leiter der Jesuiten-Zeitschrift „Civiltà Cattolica“, Antonio Spadaro, der als maßgeblicher Interpret des Papstes gilt. Eine politische Kundgebung sei „nicht der Ort, um Litaneien herzusagen“, schon gar nicht „im Namen von Werten, die mit dem Evangelium Jesu nichts zu tun haben“, schrieb Spadaro auf Facebook. Jesus, so der Jesuit, reagierte auf die Instrumentalisierung Gottes, „indem er die Händler aus dem Tempel jagte“.

Reserviert äußerte sich auch Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin: Parteipolitik spalte, Gott hingegen sei für alle da. „Gott für sich anzurufen, ist immer hochgefährlich.“

Seit langem reiben sich Salvini und die Kirche in Italien in der Frage der Einwanderungspolitik. Nahmen die Bischöfe des Landes anfangs eine abwartend-neutrale Haltung ein, so kritisierten sie mit der Zeit deutlicher die Politik der Abschottung – neben anderen katholischen Akteuren wie der Jesuiten-Flüchtlingsdienst, die Caritas oder der Papst selbst, der unverblümt gegen Populismus und Nationalismus predigt.

Ein Höhepunkt war der Fall der „Diciotti“. Salvini untersagte dem Schiff der Küstenwache im August 2018, gerettete Migranten an Land zu lassen. Auf Initiative der Bischofskonferenz durften 100 von ihnen schließlich in ein kirchliches Zentrum bei Rom. Binnen weniger Tage verschwanden die meisten. Salvini goß Häme aus. Wenige Wochen voher hatte die auflagenstarke katholische Zeitschrift „Famiglia Cristiana“ den Lega-Politiker in einer Titelstory mit dem Satan verglichen.

Seither ist das Verhältnis distanziert, aber neuerdings wird der Ton schärfer. Als vor einer Woche der päpstliche Armenbeauftragte Konrad Krajewski in einem Akt zivilen Ungehorsams einen gesperrten Stromanschluss für Hausbesetzer in Rom freischaltete, warf Salvini dem Kurienkardinal vor, Illegalität zu unterstützen. Der Vatikan müsse die aufgelaufenen Stromrechnungen von 300.000 Euro übernehmen; die Aktion könne „Konsequenzen haben“.

Praktisch zeitgleich protestierten Neofaschisten der „Forza Nuova“ in unmittelbarer Vatikannähe gegen Franziskus. Die Kundgebung fand zum Mittagsgebet vor dem belebten Petersplatz statt. Die Polizei griff nicht ein. Im Internet bezichtigten die Rechtsextremen den Papst, eine „islamische Einwanderung“ und „Interessen internationaler Kräfte“ zu fördern.

Der Vatikan reagiert auf seine Art. Bei der Generalaudienz drei Tage später ließ Franziskus auf seinem Papamobil acht Kinder mitfahren, die, so die Mitteilung des Presseamts, auf unterschiedlichen Wegen aus Libyen eingereist waren. Der Papst und die Kleinen aus Syrien, Nigeria, Kongo: Salvini wird die Botschaft verstanden haben. Unter guten Gegnern braucht es nicht viele Worte.