Kardinal zu Terror in Burkina Faso
Burkina Faso ‐ Kardinal Philippe Ouedraogo (73), Erzbischof von Burkina Fasos Hauptstadt Ouagadougou, hat im Interview zu religiöser Toleranz und enger Zusammenarbeit der Religionsvertreter in seinem Heimatland aufgerufen. Beides seien wichtige Instrumente im Kampf gegen Terroristen.
Aktualisiert: 19.03.2024
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Kardinal Philippe Ouedraogo (73), Erzbischof von Burkina Fasos Hauptstadt Ouagadougou, hat im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) zu religiöser Toleranz und enger Zusammenarbeit der Religionsvertreter in seinem Heimatland aufgerufen. Beides seien große Stärken des Landes und wichtige Instrumente im Kampf gegen Terroristen.
Frage: Herr Kardinal, Burkina Faso galt bis Anfang 2016 als ein sicheres und stabiles Land. Warum hat sich das in den vergangenen Jahren geändert?
Ouedraogo: 2014 hat es schwierige Momente gegeben, die mit dem Weggang des ehemaligen Präsidenten Blaise Compaore in die Elfenbeinküste zusammenhingen. (Anmerkung: Wochenlange Demonstrationen hatten Compaore zum Rücktritt gezwungen.) Danach gab es eine einjährige Übergangszeit, die nicht einfach war. Sie endete mit freien Wahlen, die von allen akzeptiert wurden. Es gab eine neue, demokratisch gewählte Regierung. Doch nur einen Monat später geschah etwas, was wir bis dato nicht kannten: Es kam zu einem Terrorangriff.
Frage: Bei dem einen Angriff ist es nicht geblieben.
Ouedraogo: Bis heute hat es allein in Ouagadougou drei Anschläge gegeben, weitere an der Grenze zu Mali und zum Niger sowie im Süden in den Grenzregionen zu Togo und Benin. Ich kenne die Gründe nicht. Wir fragen uns, warum Burkina Faso zum Ziel von Terroristen und Dschihadisten geworden ist. Sozialpolitische Faktoren spielen eine Rolle ebenso wie die Frage danach, wer hinter den Angriffen steckt und sie finanziert. Alles geht auf Kosten der Bevölkerung, des Friedens und der Entwicklung von Burkina Faso.
Frage: Besonders betroffen ist der Norden. Im März ist etwa in der Stadt Dori ein Priester verschwunden. Kann die Kirche unter diesen Bedingungen überhaupt noch arbeiten?
Ouedraogo: Selbstverständlich ist die Kirche betroffen. In Burkina Faso sind wir stets solidarisch mit der Bevölkerung. Bei uns gibt es ein Sprichwort, das sagt: Ein einzelner Finger sammelt nicht das Mehl zusammen. Die Machthaber sind also nicht allein für das Glück des Landes verantwortlich. Gemeinsam mit verschiedenen Organisationen, Gruppen und Kirchen ist man stark. Die Gemeinschaft schafft die Stärke.
Frage: Haben die Angriffe der Terroristen einen Einfluss auf den interreligiösen Dialog im Land?
Ouedraogo: Man kann nicht sagen, dass sich dieser verändert hat. In Burkina Faso ist es der kulturelle Kontext, der Toleranz schafft. In einer Familie gibt es Katholiken, Protestanten, Muslime sowie Anhänger traditioneller Religionen. Uns gelingt es, in Harmonie zu leben. Eine meiner Schwestern in gerade gestorben. Sie war Muslima, ich bin katholischer Erzbischof. Ich habe an der muslimischen Trauerfeier teilgenommen, ebenfalls eine Ansprache gehalten und gebetet. Das ist ein Zeichen der Toleranz, wofür ich mich bei dem Imam bedanken möchte. Bevor ich 2009 Erzbischof von Ouagadougou wurde, habe ich bereits 13 Jahre lang als Bischof von Ouahigouya an der malischen Grenze dazu aufgerufen: Kommt zusammen, respektiert einander und arbeitet gemeinsam für eine bessere Welt.
Frage: Neben Terroranschlägen haben im Januar ethnische Konflikte im Dorf Yirgou das Land erschüttert. Während die Regierung von 49 Toten spricht, nennen andere Gruppen mehr als 200 Tote. Tausende Menschen sind auf der Flucht und trauen sich nicht mehr in ihre Heimatdörfer. Was unternimmt die Kirche?
Ouedraogo: Imame und der Präsident der muslimischen Vereinigung haben mich besucht und gefragt, was wir zusammen unternehmen können. Gemeinsam mit den Protestanten und Vertretern traditioneller Religionen haben wir den traditionellen Herrscher der Region kontaktiert, in der sich der Vorfall ereignet hat. Nach mehreren Treffen haben wir entschieden: Wir sammeln Geld, kaufen Hilfsgüter für die Flüchtlinge und besuchen sie. Wir sind hingefahren und haben über Versöhnung und Frieden gesprochen. Wichtig ist, dass sich die Menschen weiterhin als Brüder sehen und im selben Dorf leben. Das haben wir noch nicht erreicht, bei Besuchen von drei Flüchtlingscamps aber eine Perspektive gegeben und ein starkes Zeichen gesetzt. Von Seiten der Regierung muss es Gerechtigkeit geben.